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Auswirkungen der Tabaksteuer: „Die E-Zigarette erstickt im Regulierungsdruck“

17.02.2022 08:35 Uhr
E-Zigarette
E-Zigaretten sind laut WVA im Vergleich zu herkömmlichen Zigaretten um 95 Prozent weniger schädlich und gelten als Rauchentwöhnungsmittel.
© Foto: teraskarina/stock.adobe.com

Die Steuererhöhung stellt die E-Zigaretten-Branche vor fast unlösbare Aufgaben. Youtuber Ferhat San und BVRA-Verbandschef Simon Bauer erklären, was auf die Branche zukommt.

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Das Tabaksteuer-Modernisierungsgesetz und die damit verbundene Steuererhöhung, die auch Liquids von E-Zigaretten betrifft, stellt die Branche vor große Herausforderungen. Simon Bauer, geschäftsführender Vorsitzender des BVR  (Bundesverband Rauchfreie Alternative) und Ferhat San, bekannt als Dampfdidas, geben eine Prognose über die Trends des neuen Jahres. Unter anderem kann das Gesetz dazu beitragen, dass die großen Gebinde verschwinden und vermehrt kleinere vorgefertigte Systeme bis hin zu Wegwerf-Zigaretten gekauft werden. Das führt wiederum zu mehr Müll und einer großen Umweltbelastung. Die Experten befürchten, dass viele Raucher, die auf das Dampfen umgestiegen waren, aus Preisgründen wieder mit dem weitaus schädlicheren Rauchen anfangen.

Eine dunkle Zukunft für die Branche

Ab dem 1. Juli 2022 werden die Flüssigkeiten im Bereich E-Zigaretten besteuert, das geht aus dem im August 2021 beschlossenen Tabaksteuer-Modernisierungsgesetz hervor. Die Steuer auf Liquids wird zunächst 16 Cent pro Milliliter betragen. Die Abgaben sollen jährlich steigen. 2026 wird die Steuer bei 32 Cent pro Milliliter liegen. „Produkte wie Liquid fallen unter die Tabaksteuer, was ziemlich absurd ist, da sie keinen Tabak enthalten. In der Konsequenz verdoppelt sich der Preis für E-Zigaretten, während eine Schachtel Zigaretten nur ein paar Cent teurer wird“, so der BVRA-Verbandschef Simon Bauer. 

Auch Ferhat San betrachtet diese Entwicklung mit Besorgnis. „Ich war geschockt angesichts der Abstimmung im Bundestag, weil sich vorher immer negativ zu dem Gesetzesentwurf geäußert wurde, abgestimmt wurde dann aber anders. Die Steuer ist so hoch und unbedacht angesetzt. Das hat die Branche sehr getroffen.“

Ein Blick auf Europa

Europaweit gibt es keine einheitliche Steuer auf E-Zigaretten. Jedoch liegt die deutsche Steuererhöhung deutlich über dem europäischen Durchschnitt. Ein Beispiel aus der Vergangenheit zeigt, welche Folgen eine überdurchschnittliche Steuer haben kann: „2014 wurde dieses Modell schon in Italien eingeführt und ist kläglich gescheitert“, berichtet San. Infolgedessen ging der E-Zigaretten Konsum um 70 Prozent zurück und ein Großteil des Fachhandels musste schließen. 2018 wurde die Steuer wieder gesenkt. „Aber wir haben daraus nichts gelernt und machen den gleichen Fehler“, so der Youtuber.

Im Dezember 2021 wurden E-Zigaretten vom Europäischen Parlament als Mittel zur Krebsbekämpfung anerkannt. Die World Vapers Alliance (WVA) hatte zuvor mit der Aktion „Vaper Bus“ vor dem Parlamentsgebäude in Brüssel darauf aufmerksam gemacht, dass das Dampfen im Vergleich zu Tabak 95 Prozent weniger schädlich ist. Die Geschichten von Dampfern und ihrem Rauchausstieg wurden auf einer rollenden Leinwand, die von einem pinken Bus begleitet wurde, ausgestrahlt. Nun bestehe laut Independent European Vape Alliance (IEVA) aber die Gefahr, dass Aromen auf europäischer Ebene verboten werden könnten, da sie Nichtraucher auf den Geschmack des Dampfens bringen würden. Eine europäische Entscheidung zur Mindeststeuer auf E-Zigaretten sowie zu einem eventuellen Aromenverbot steht bisher noch aus.

Mehr Tabakkonsum

Die steigenden Preise der elektronischen Zigaretten können das Konsumverhalten der Dampfer stark beeinflussen. Laut einer Umfrage vom Ärzteblatt werden E-Zigaretten fast ausschließlich von Rauchern oder ehemaligen Rauchern regelmäßig konsumiert. Circa die Hälfte der Nutzer, die auch Tabak konsumieren, gibt als Grund für den Konsum an, den Tabakund Nikotinkonsum beenden zu wollen. Durch die Steuer wird aber genau das Gegenteil erreicht: „Nach den ersten Steuererhöhungen ist das Drehen von Zigaretten günstiger als E-Zigaretten. Das ungesündeste ist dann das günstigste Produkt“, erklärt Bauer. Er kritisiert, dass die Maßnahmen der Politik „ob gewollt oder ungewollt, dazu beitragen, das Raucherniveau hoch zu halten.“ Das zeigt sich auch im europäischen Vergleich. Laut einer Umfrage von Eurostat im Jahr 2019 gehört Deutschland mit 22,8 Prozent täglichen Rauchern neben Griechenland (24,9 Prozent), Ungarn (24,9 Prozent) und Bulgarien (29,1 Prozent) zum Schlusslicht. Aktuell liegt der Raucheranteil in Deutschland laut Debra (Deutsche Befragung zum Rauchverhalten) bei 30,9 Prozent.

Der psychologische Trick

Wie werden sich die E-Zigaretten durch die Steuer verändern? Beide Experten vermuten, dass die Nutzer auf kleinere Gebinde umsteigen, die hauptsächlich von Großkonzernen hergeste llt werden. Shortfills und Liquid-Flaschen mit viel Inhalt wird es hingegen kaum noch geben. In den vorgefertigen Gebinden sind nur wenige Milliliter Liquid enthalten, sodass die Preiserhöhung nicht so sehr auffällt. „Im Ergebnis kommt natürlich auch bei den vorgefüllten Pods die Steuer dazu, aber es ist psychologisch etwas anderes, wenn der Preis von 50 auf 70 Cent steigt. Das merkt man dann nicht so sehr“, sagt Bauer. Zudem sind die kleinen Gebinde den Tabakzigaretten recht ähnlich, was für (ehemalige) Raucher eine geringere Umstellung bedeutet.

Wenig Inhalt, viel Müll

In der Branche lässt sich ein Trend aus den USA beobachten, der durch neue Schwerpunktsetzungen in der Produktion in China entsanden ist und nun auch in Europa ankommt. Dabei handelt es sich um E-Zigaretten, die nur einmal benutzbar sind. Sie können weder neu befüllt noch aufgeladen werden. „Diese Wegwerfprodukte kosten ungefähr so viel wie eine Schachtel Zigaretten und sind das direkte Konkurrenzprodukt“, so Bauer. Die Vorteile seien ähnlich wie bei den vorgefüllten Systemen. „Dadurch, dass wenig Liquid pro Einheit enthalten ist, fällt dem Konsumenten die Steuer nicht so sehr auf.“ Der BVRA betrachtet diese Entwicklung mit großer Sorge, da die Einwegprodukte mehr Müll und Elektroschrott produzieren und somit eine höhere Umweltbelastung mit sich bringen.

Auch San ist der Überzeugung, dass man von vornherein andere Prioritäten hätte setzen sollen: „Statt sich der E-Zigarette so negativ zu widmen, hätte man sich Gedanken machen sollen, wie man die Müllproduktion verhindert.“ Er hat auch einen Lösungsansatz parat: „Wenn es einen Hersteller geben würde, der die recycelt und über Pfand zurücknimmt, kann das funktionieren, aber ansonsten sind Einweg-Zigaretten ein absolutes No-Go.“

Cannabis als Ersatz?

Die Ampel-Koalition will Cannabis in Deutschland legalisieren. CBD in Liquids zu mischen war bereits vorher ein Trend. Doch könnte auch THC für die Branche interessant werden? „Darüber wird natürlich auch viel geredet“, sagt Bauer. „Der ein oder andere Händler überlegt, ob er vom stark regulierten E-Zigaretten-Markt auf ein Fachgeschäft für THC umsteigt, denn das wird sicherlich der nächste BoomMarkt.“ Diese Entwicklung könnte den E-Zigaretten-Markt zusätzlich belasten. „Am Ende wird Cannabis überall verfügbar sein, während E-Zigaretten im Regulierungsdruck ersticken.“ (sh)

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