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HVO und Co: Kraftstoff-Mythen

27.01.2024 08:04 Uhr | Lesezeit: 4 min
Ineratec E-Fuels
Wegen fehlender Produktionskapazitäten sind E-Fuels aktuell noch relativ teuer. Bleibt das so? Wir haben die Antwort.
© Foto: Ineratec

Bald erhältlich, wenn auch der Bundesrat der Änderungsverordnung zustimmt, mit der die Dieselkraftstoffnorm DIN EN 15940 in die 10. BImSchV aufgenommen wird: klimaschonender Diesel. Eine gute Nachricht für die Umwelt – und viel Potenzial für verunsicherte Kunden an der Tankstelle, wie schon damals bei der Einführung von E10. Sprit+ hat daher wichtige Fragen geklärt.

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In Deutschland kann man bedenkenlos tanken, ohne Motorschäden befürchten zu müssen, weil jeder Treibstoff an öffentlichen Tankstellen DIN zertifiziert ist

Stimmt. Laut PCK Raffinerie sind alle an Tankstellen abgegebenen Kraftstoffe nach DIN genormt und analytisch geprüft - Benzinsorten nach DIN EN 228 und Dieselsorten nach DIN EN 590, wobei die Qualitätsnormen in der 10. BImSchV zitiert sind. Kunden finden den entsprechenden Nachweis dazu als Kennzeichnung an den Zapfsäulen.

Die PCK Raffinerie weist darauf hin, dass sie alternative Kraftstoffe, die (noch) nicht in der 10. BImSchV als Sorte verankert sind, (noch) nicht produziert. Neben der Zertifizierung greifen laut PCK Raffinerie zudem diverse Prüfungen: Der Hersteller (Raffinerien), Fernleitungen und Tankläger werden geprüft; auch kontrollieren die Behörden stichpunktartig auf Grundlage der 10. BImSchV.

Jeder Verbrenner verträgt Biokraftstoffe

Fuelmotion vermeldet, dass immer mehr Produzenten Fahrzeughersteller-Freigaben für den eigenen HVO-100-Kraftstoff erteilen, ob Pkw, leichte, schwere Nfz oder Fahrzeuge aus der Land-, Forstwirtschaft und dem Baugewerbe.

Uniti-Hauptgeschäftsführer Elmar Kühn differenziert: "Bioethanol ist seit vielen Jahren mit Anteilen zwischen fünf und zehn Prozent bei Ottokraftstoffen (E5 beziehungsweise E10) an den Zapfsäulen etabliert. Laut VDA können rund 99 Prozent aller Pkw deutscher Hersteller E10 tanken. Bei Dieselkraftstoffen kennen Autofahrer ebenfalls seit Langem Biokraftstoffe in Form von FAME (Fettsäuremethylester), der nach der gängigen Dieselnorm DIN EN 590 mit bis zu sieben Volumenprozent (B7) beigemischt werden darf. B7 ist heute Standardkraftstoff für Dieselfahrzeuge in Europa. Darüber hinaus sind fortschrittliche Biokraftstoffe aus Rest- und Abfallstoffen wie HVO-Diesel zu nennen, die ein besonders hohes Potenzial für CO2-Einsparungen aufweisen.

Der Hersteller Neste sagt etwa, dass sein HVO100-Diesel eine ähnliche chemische Zusammensetzung wie fossiler Diesel aufweist. Daher könne jedes Dieselfahrzeug damit betankt werden, ohne dass der Motor umgerüstet werden muss."

Daniel Kaddik, Geschäftsführer des bft, ergänzt: "Im gewissen Maße, ja - fossiler Diesel mit einem Anteil von nachhaltigem Biodiesel bis zu sieben Prozent (B7) kann problemlos von jedem Verbrenner getankt werden. B10 wird von den meisten Verbrennern ebenfalls problemlos vertragen. Zukünftig werden wir aber paraffinische Kraftstoffe wie HVO sogar in Reinform tanken können. Leider verschiebt sich dessen Markteinführung von ursprünglich April 2024 auf unbestimmte Zeit, da sich die die Verkehrs- und Umweltausschüsse des Bundesrates wegen Uneinigkeiten zur 10. BImSchV vertagt haben. Mit diesen lassen sich die meisten Dieselfahrzeuge bedenkenlos und ohne technische Anpassungen fahren. Das XtL-Zeichen im Tankdeckel zeigt an, ob das Fahrzeug dafür die entsprechende Freigabe hat. Es gibt zudem zahlreiche Berichte über die hervorragende Verträglichkeit - vom Unimog bis zum Oldtimer, die problemlos oder sogar besser fahren.

Es handelt sich bei HVO um einen Premiumkraftstoff: Im Gegensatz zu klassischem Biodiesel treten keine Dichtungsprobleme oder schädliche Ablagerungen auf, die CO2-Neuemissionen sind geringer als beim fossilen Diesel (bei HVO 100: um bis zu 90 Prozent weniger) sowie die Emissionen von Rußpartikeln und Schwefel niedriger. Auch sind die Kälteeigenschaften vergleichbar besser, was gerade jetzt im Winter nicht unwichtig ist."

Zurzeit ist es gefährlich, Biodiesel zu tanken

Berichterstattungen über Betrügereien rund um vermeintlich klimafreundliche Biokraftstoffe (wir berichteten) können Kunden schnell verunsichern. Kühn aber stellt fest: "Wenn der Dieselmotor für den Betrieb mit einem Kraftstoff, der die entsprechende Kraftstoffnorm erfüllt, freigegeben ist, bestehen aus technischer Sicht keine Gründe für Bedenken."

Kaddik sagt: "Biodiesel in Reinform kann problematisch sein, besonders mit Blick auf Verrußung, aber es ist nicht gefährlich, fossilen Diesel mit einer Beimischung von Biodiesel bis zehn Prozent zu tanken. Das Gleiche gilt für den Premiumkraftstoff HVO, so das Fahrzeug die entsprechende Zulassung hat (XTL-Zeichen)."

Bald können Endkunden an Tankstellen HVO in Reinform tanken

Nico Zieglmeier, Geschäftsführer Zieglmeier Tankstellen mit dem Geschäftsbereich Tank- und Behälterhandel, sagt: "Wir waren ja eigentlich von April ausgegangen, nun ist alles wieder offen. Aber selbst wenn, das nächste Problem steht ja schon vor der Tür, nämlich die Materialverträglichkeits-Zulassung. Ein kleiner Trost: Rein technisch kann man jeden Dieseltank für HVO verwenden. Ob eine Tankstelle HVO anbieten kann, hängt also lediglich davon ab, ob ein Tank verfügbar ist."

Eine separate Abnahme des Tanks fordert der Gesetzgeber nicht. Abhängig vom bisher darin gelagerten Kraftstoff ist zwar zum Beispiel eine Entlüftung notwendig. Aber grundsätzlich kann jeder vorhandene Tank für HVO genutzt werden.

Erdgas hat keine Zukunft mehr

Fossiles Erdgas – ganz gleich ob CNG oder LNG – hat es zurzeit schwer. Dabei leisten Erdgasfahrzeuge ebenfalls einen klimaschonenden Beitrag: "Bio-CNG etwa, das aus Abfall- und Reststoffen gewonnen wird, setzt bei der Verbrennung im Motor nur so viel CO2 frei wie zuvor bei der Produktion des Kraftstoffs aus der Atmosphäre entnommen wurde. Gleiches gilt für synthetisches Erdgas", sagt Kühn.

In der Praxis zeigt sich aber ein weniger erfolgreiches Bild: Abnehmende Neuzulassungen von Erdgas-Fahrzeugen und der Branchenverband Zukunft Erdgas hat die Berichterstattung über die Anzahl der Erdgas Tankstellen eingestellt. "Aufgrund der Tatsache, dass die Automobilindustrie immer weniger in die Entwicklung und Produktion von Erdgasfahrzeugen investiert und der Ukraine-Krieg zu einem Stopp des Imports von russischem Erdgas geführt hat, ist davon auszugehen, dass Erdgas im Pkw-Segment künftig keine Rolle spielen wird", so Kaddik. Im ÖPNV und Schwerlastverkehr gebe es dagegen weiterhin Bestrebungen im LNG-Bereich oder bei Biogas. "Wir sehen die Alternative eher im Bereich Wasserstoff, E-Fuels und paraffinischen Kraftstoffen."

E-Fuels sind und bleiben unbezahlbar

"Falsch", sagt Kaddik. "Aufgrund fehlender Produktionskapazitäten sind E-Fuels aktuell noch relativ teuer. Schon heute investieren weltweit immer mehr Unternehmen in Projekte zur Produktion von E-Fuels, sodass wir bei einer höheren Skalierung der Mengen davon ausgehen, dass die Preise sich mittelfristig auf das Niveau von fossilen Kraftstoffen einpendeln werden."

Auch Kühn ist sich sicher: "Durch den Ausbau von Produktionskapazitäten und wirtschaftliche Skaleneffekte können die Herstellungskosten für E-Fuels mittelfristig deutlich gesenkt werden." E-Fuels wären demnach auch in den Jahren des Markhochlaufs für den Autofahrer bezahlbar, denn ihr Beimischungsanteil würde allmählich steigen, während auf der anderen Seite die Produktionskosten stetig sinken. Es sei daher davon auszugehen, dass Kraftstoffe mit E-Fuels-Beimischung von Beginn an für den Autofahrer nur einige Cent je Liter teurer als rein fossile wären. "Experten erwarten, dass die Produktionskosten der E-Fuels mittelfristig auf rund einen Euro je Liter sinken, weil an globalen Standorten Bedingungen gegeben sind, die eine sehr günstige Grünstromgewinnung und -nutzung zur Herstellung strombasierter Kraftstoffe wie E-Fuels ermöglichen", so Kühn. Die Politik sollte laut Kaddik die Besteuerung von klimafreundlicheren Kraftstoffen senken oder sogar ganz streichen, um die Wettbewerbsfähigkeit dieser Kraftstoffe zu erhöhen.

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