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Interview: Q1-Chef Frederick Beckmann erklärt Digitalstrategie

29.11.2017 10:00 Uhr
Interview: Q1-Chef Frederick Beckmann erklärt Digitalstrategie
Frederick Beckmann ist Mitglied des Management Boards des mittelständischen Mineralölunternehmens Q1 Energie.
© Foto: Annika Beyer

Beim mittelständischen Mineralölunternehmen Q1 Energie wird Digitalisierung großgeschrieben. Warum das so ist und wie die Partner mit auf die Reise genommen werden sollen, erklärt Frederick Beckmann im Interview.

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In den vergangenen Jahren häuften sich die Meldungen über Umstrukturierungen und Änderungen in der Führungsetage bei Q1. Was ist der Hintergrund dafür?

Wir haben 2013 mit einem Strategieprozess begonnen und uns dabei mit der Vision unseres Unternehmens beschäftigt. Damit verbunden haben wir verschiedene Meilensteine und Ziele definiert und uns sehr intensiv mit unserer Unternehmensund Führungskultur befasst. Die einzelnen Schritte, die wir seitdem unternommen haben, gehören zu diesem langfristig ausgerichteten Plan.

Gehörte dazu auch die Änderung des Namens in Q1 Energie?

Ja, unser ursprünglicher Name Q1 Tankstellenvertrieb passte einfach nicht mehr zur strategischen Ausrichtung, weil er allein auf das Tankstellengeschäft abzielte. Unsere Mission ist aber, Menschen mit Energie und Mobilität zu versorgen. Wir definieren uns dabei nicht allein über das Kraftstoffgeschäft, sondern auch über unsere weiteren Geschäftsfelder wie den Shop, das Bistro, Erdgas und Strom, aber auch digitale Produkte.

Außerdem wurde die Rechtsform geändert ...

Seit zwei Jahren sind wir als Aktien- und nicht mehr als Personenhandelsgesellschaft am Markt aktiv. Damit gehen auch organisatorische Änderungen einher, die die Steuerung des Unternehmens erleichtern. Außerdem ist damit eine höhere Flexibilität und Kapitalmarktfähigkeit verbunden – für den Fall, dass Umbrüche im Markt anstehen, aber auch eine bessere Finanzierbarkeit von Investitionen.

Gehören dazu Investitionen in den Ausbau Ihres Tankstellennetzes?

Natürlich. Wir haben in den vergangenen Monaten einige Einzelakquisitionen in unserem Kerngebiet vorgenommen und betreiben nun mehr als 200 Tankstellen. Davon werden über zehn Prozent als Filialstandorte geführt. Unsere strategische Ausrichtung ist es, dass wir einerseits ein organisches Wachstum aus Einzelstandortakquisitionen anstreben. Andererseits haben wir Akquisitionen kleinerer und grö- ßerer Einheiten im Blick. Dabei wollen wir aber weiterhin im mittelständischen Umfeld agieren, weil wir uns keinen Restriktionen der Konzerne aussetzen wollen.

Der Name Q1 Energie zeigt zudem, dass es nicht nur um das Geschäft mit Diesel und Benzin geht. Wie sieht hier Ihre Strategie aus?

Wir wollen uns ein Stück weit unabhängiger vom reinen Kraftstoffgeschäft und damit fit für die Zukunft machen. Das war unter anderem der Grund, warum wir im Bereich alternativer Kraftstoffe in unserer Unternehmenshistorie immer sehr früh am Markt waren. Wir sind etwa beim Thema Biodiesel eine der treibenden Kräfte im Mittelstand gewesen. Das Thema hat dann allerdings die Politik durch entsprechende Regulatoren verhagelt. Das Gleiche sehen wir aktuell beim Autogas, das jetzt ein auslaufendes Geschäft ist. Auch in diesem Bereich sind wir lange Zeit führend gewesen und haben heute noch eine sehr hohe Netzdurchdringung. Erdgas haben wir bis dato nicht in dem Maße im Fokus, weil die Nachfrage fehlt.

Und wie stehen Sie zum Thema Elektromobilität?

Wir haben uns beim staatlichen Förderprogramm für den Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur beworben und eine Förderzusage bekommen. Dementsprechend werden wir im kommenden Jahr vereinzelt Ladesäulen installieren, aber in einem sehr überschaubaren Rahmen, weil noch kein Geschäftsmodell dahintersteht. Dabei setzen wir bei den Schnellladesäulen auf ein Produkt eines ausländischen Herstellers, das so im deutschen Markt noch nicht vertreten ist. Den Namen des Herstellers behalten wir aber noch für uns. Darüber hinaus beschäftigen wir uns mit anderen Energieträgern wie LNG und Wasserstoff, aber auch mit alternativ produzierten Kraftstoffen wie synthetischem Diesel.

Aldi plant ein Automatentankstellennetz in Deutschland, andere Mittelständler wie die Avia setzen ebenfalls zunehmend auf dieses Konzept. Was halten Sie davon?

Automatentankstellen und Tankstellen mit Shop sind unterschiedliche Märkte, die einander nicht ausschließen. Aber unser Markt ist eher das klassische Straßentankstellengeschäft mit Shop, Bistro und weiteren Dienstleistungen. Automatentankstellen sind dagegen oftmals auf den Schwerlastverkehr ausgerichtet und brauchen ein entsprechend starkes Kartengeschäft. Das ist nicht unser geschäftlicher Fokus. Mit zwei Stationen haben wir daher nur in sehr homöopathischer Weise Automatentankstellen im Netz.

Apropos Kartengeschäft – wie sieht hier die Strategie aus?

Es gibt eine eigene Q1 Stations- und Ringkarte, aber das ist ein Produkt, dem wir ein zeitliches Ende setzen wollen. Außerdem haben wir Akzeptanzen mit anderen Flottenkarten wie mit der Hoyer-Karte, die wir weiter ausbauen wollen. Und dann sind wir stolzer Mitgesellschafter des RoadrunnerVerbundes und treiben dort mit unseren anderen mittelständischen Kollegen die Karte sehr aktiv voran. Wir werden hier in naher Zukunft einige spannende neue Produkte auf den Markt bringen können, die die Wettbewerbsfähigkeit der Roadrunner-Karte stärkt. Neben einer App, die der Roadrunner-Verbund im kommenden Jahr veröffentlichen wird, wird es spezifische Produkte für den Schwerlastbereich und größere Fahrzeugflotten geben.

Beim Thema Digitalisierung ist Q1 für ein mittelständisches Unternehmen überhaupt sehr aktiv. Warum?

Digitalisierung ist ein Teil unserer Unternehmensidentität. Aus unserer Perspektive ist Digitalisierung in Deutschland ein Thema, dem viel zu wenig Beachtung geschenkt wurde und wird und wo viele Unternehmen viel zu spät auf den Zug aufgesprungen sind. Die Digitalisierung wird aber viele Märkte langfristig verändern und bietet gänzlich neue Verknüpfungen von Geschäftschancen und Möglichkeiten sowie die Entwicklung gänzlich neuer Geschäftsfelder und Dienstleistungen.

Sie tragen dieser Entwicklung zum Beispiel mit der Zahlz-App Rechnung. Wie ist da der aktuelle Entwicklungsstand?

Das Produkt befindet sich nach wie vor im Beta-Stadium. Die Zahlz-App ermöglicht aktuell Transaktionen im Shop und die Steuerung der Waschanlage, also aus dem Auto heraus die Wäsche zu kaufen und diese mit dem Smartphone zu starten. Die Möglichkeit des Zahlens an der Zapfsäule befindet sich aktuell im Entwicklungsstadium. Außerdem sind wir gerade sehr aktiv dabei, die DKV- und die Novofleet-Karte zu digitalisieren und werden diese beiden Produkte im nächsten Jahr im Markt präsentieren. Dafür haben wir ein gemeinsames Projekt gestartet, das auf der Basis der Zahlz-Technologie aufsetzt und das es der DKV ermöglicht, an der Kasse, an der Zapfsäule oder an der Waschanlage als digitales Produkt aufzutreten.

Ein weiteres neues Produkt ist die Software Fuel Price Analyzer, mit der Tankstellenbetreiber die Kraftstoffpreise ihrer Wettbewerber auswerten können. Haben Sie hierfür schon Interessenten? Wir haben einige sehr interessante Testkunden für das Produkt gewonnen, die durch die gesamte Bandbreite der Branche reichen. Aktuell nehmen wir sehr aktiv deren Nutzeranforderungen zur Kenntnis, um das Produkt weiterzuentwickeln. Wir sind auf der Zielgeraden zur Marktreife, um es vollständig als B2B-Produkt zu platzieren.

Gibt es denn weitere digitale Projekte in der Pipeline?

Die Zahlz-App und der Fuel Price Analyzer sind unsere beiden primären Projekte in diesem Bereich. Darüber hinaus sind wir auch stetig im Austausch mit potenziellen externen Partnern und haben da ein Produkt im Fokus, das wir vermutlich im nächsten Jahr einführen werden.

Welches?

Das Produkt nennt sich Barzahlen. Dabei handelt es sich um ein Start-up aus dem Bereich des Mobile Payments, das es ermöglicht, an der Tankstellenkasse Einzahlungen auf das Konto vorzunehmen und bestimmte Rechnungen zu bezahlen. Es gibt einige größere Unternehmen wie Eon, die dieses Tool bereits nutzen, indem sie einen Barcode auf ihre Energierechnung aufdrucken und die Kunden die Rechnung bei den Teilnehmern von Bahrzahlen begleichen können. Neben solchen Projekten treiben wir aber auch die Digitalisierung innerhalb unseres Unternehmens voran, indem wir etwa unsere Prozesse verbessern und – wo möglich – automatisieren.

Wie nehmen Sie denn die Betreiber mit auf diesen Prozess?

Digitalisierung funktioniert nicht, wenn der Prozess irgendwo zentralisiert abläuft, sondern langfristig nur, wenn man alle Glieder der Kette mitnimmt. Natürlich haben wir in der Zentrale erst einmal einen Kulturwandel herbeigeführt und die Offenheit für Neues und Veränderung geschaffen. Das Gleiche machen wir mit den Tankstellenbetreibern, nur in einer anderen Geschwindigkeit als in der Zentrale. Dabei informieren wir unsere Partner regelmäßig sehr aktiv über eigene Informationsmedien über die aktuellen Veränderungen. Wir haben auch entsprechende Workshops organisiert, in denen wir die Partner bewusst eingebunden und motiviert haben, das Thema Zukunft selbst zu denken. Das Ergebnis ist auch in unseren eigenen Innovationsprozess eingeflossen.

Das klingt nach einem partnerschaftlichen Verhältnis. Wie stehen Sie denn zum Thema Kassenpacht?

Wir haben uns bewusst dafür entschieden, keine Kassenpacht zu erheben, weil wir glauben, dass das der richtige Weg hin zu einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit einer langfristigen Ausrichtung ist. Außerdem erleichtert es die Gestaltungsmöglichkeiten, zum Beispiel was die Themen Karten und Modifikationen der Kasse betrifft.

Sie haben bereits das Thema Dienstleistung für den Kunden angesprochen, zu dem Sie auch das Shop- und Bistrogeschäft zählen. Mit dem 2013 eingeführten Oase-Konzept wollen Sie sich vom Wettbewerb abheben. Wie sehen hier die nächsten Schritte aus?

An unserer Flaggschiff-Tankstelle in Osnabrück haben wir die Themen Wein und Mittagstisch professionalisiert. Die dort gewonnenen Erkenntnisse setzen wir jetzt an anderen Oase-Standorten um. Dafür haben wir verschiedene Clustergruppen in unserem Tankstellennetz gebildet und jeweils spezifische Bistroantworten gefunden. Wir werden das Oase-Konzept, das aktuell an zehn Prozent unserer Tankstellen zu finden ist, in unserem Netz weiter ausrollen. Etwa ein Drittel unserer Stationen haben dafür die Eignung. Neben Oase haben wir mittlerweile ein weiteres Konzept im Rollout, das Pier-eins-Konzept.

Wie sieht das aus?

Es ist ein Bistrokonzept mit einem modern anmutenden Shop mit mediterranem Flair, das sehr anspruchsvoll, aber weniger kostenintensiv als das Oase-Konzept ist. Derzeit befindet sich ein dritter Standort im Ausbau.

(Das Interview führte Annika Beyer; es erschien in Sprit+ 12.2017.)

Vita: Frederick Beckmann, Jahrgang 1988, hat einen Bachelor in General Management mit Schwerpunkt auf Wirtschaftsrecht an der Universität EBS Universität für Wirtschaft & Recht in Oestrich-Winkel sowie der Universidade de São Paulo und einen Master in Management mit Schwerpunkten in Unternehmensführung, Strategie und Marketing an der EBS Universität für Wirtschaft & Recht sowie der University of Economics in Prag abgeschlossen. Nach zahlreichen Praktika ist Beckmann offiziell 2013 ins Familienunternehmen eingestiegen, das 1898 unter dem Namen F. Wilhelm Beckmann GmbH & Co. KG gegründet wurde. Im Juli 2016 wurde Beckmann in den Vorstand der Q1 Energie berufen und verantwortet dort den Bereich Unternehmensentwicklung. Dieser inkludiert den Vertrieb im Tankstellen- und Energiegeschäft.

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