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1. Januar 2023: „Mehrweg wird ein Riesenproblem“

14.12.2022 00:31 Uhr | Lesezeit: 5 min
Recup
Der Hinweis auf die Mehrweg-Alternative muss laut Verpackungsgesetz "durch deutlich sicht- und lesbare Informationstafeln oder -schilder" erfolgen.
© Foto: Recup

Ab 1. Januar gilt die Mehrwegangebotspflicht. Die meisten Tankstellen müssen dann Essen und Getränke zum Mitnehmen im Mehrweggeschirr anbieten. Und das ist gar nicht so einfach, wie es sich vielleicht anhört.

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Ab dem 1. Januar 2023 gilt in Deutschland die Mehrwegangebotspflicht. Sie betrifft alle gastronomischen Betriebe – also auch Tankstellen – mit einer Verkaufsfläche ab 80 Quadratmetern und mehr als fünf Mitarbeitenden. Das Verpackungsgesetz (VerpackG) schreibt vor, dass diese Betriebe ihren Kunden für Essen und Trinken Mehrwegbehälter anbieten müssen. Das Mehrweggeschirr soll eine Alternative zum Einweg sein.

Das bedeutet, dass ein Tankstellenbetreiber den Kaffee zum Mitnehmen nicht mehr nach Gutdünken in einen Becher füllen darf. Er ist dazu verpflichtet, den Kunden auf eine Mehrweglösung hinzuweisen. Und zwar schriftlich, ein mündlicher Hinweis etwa durch den Verkäufer reicht nicht! Denn der Gesetzestext (§ 33 Absatz 2 Satz 1) schreibt vor, dass "die Endverbraucher in der Verkaufsstelle durch deutlich sicht- und lesbare Informationstafeln oder -schilder auf die Möglichkeit, die Waren in Mehrwegverpackungen zu erhalten", hingewiesen werden müssen. Was aber ein/e "deutlich sicht- und lesbare Informationstafel oder -schild" definiert, ist nicht festgelegt. Daher können Tankstellenbetreiber wohl die entsprechenden Hinweise so gestalten, wie es sich am besten mit ihrem Shop-Konzept undweiteren individuellen Aspekten vereinbaren lässt.

Zu beachten ist außerdem, dass der Mehrwegbehälter nicht teurer sein darf als das Einweggeschirr. Und auch die darin verkaufte Ware darf im Mehrweggeschirr nicht teurer sein.

Irreführender Begriff

Oft wird nur von einer Mehrwegpflicht gesprochen. Dieser Begriff ist jedoch irreführend, denn es handelt sich um eine Mehrwegangebotspflicht. Das heißt, der Verkäufer muss die Mehrwegverpackung anbieten. Final entscheidet aber dann der Kunde, welche Variante er möchte.

Die Angebotspflicht gilt zum Beispiel auch für den warmen Mittagstisch. Möchte ein Kunde sein Essen mitnehmen, muss der Verkäufer einen Mehrwegbehälter anbieten. Ob es sich nun um eine Butterbreze oder die Bockwurst im Brötchen handelt, Gulaschsuppe oder Salat: Essen darf nicht mehr ohne (schriftlichen) Hinweis auf Mehrweg in einer Einwegverpackung ausgegeben werden. Und die Verpackung beim Essen wird ein "Riesenproblem", meint Rolf Küstner. Küstner betreibt seit 20 Jahren den Autohof Thiersheim an der A 93, insgesamt ist
er schon seit 40 Jahren in der Branche tätig. "Die Mehrwegbecher sind okay", sagt er. Aber er fragt sich, wie eine akzeptable Lösung der Schüsseln aussehen soll. Im Oktober gab es im Autohof Thiersheim zum Beispiel Schweizer Hackbraten in Rahmsoße mit Mischgemüse und Spätzle. "Wie soll ich das denn bitteschön vernünftig in die derzeit erhältlichen Mehrwegschüsseln einpacken? Bis der Kunde daheim ankommt, ist das alles Matsch!"

Die Branche kennt dieses Problem. So haben sich etwa Rafael Dyll und sein Team mit der Frage beschäftigt. Dyll ist Geschäftsführer von Cuna. Cuna bietet Mehrwegbecher und - chüsseln an. Bis Ende des Jahres sollen Schüsseln mit Trennwand auf den Markt kommen. Auch der Mehrweg-Platzhirsch Recup hat bereits reagiert und seine Rebowls mit einem Trennsteg ausgestattet.

Die Idee hinter Cuna ist die gleiche wie bei Recup: Der Kunde hinterlegt ein Pfand und bekommt dafür zum Beispiel einen Becher oder eine Schüssel, die er wiederverwenden kann. Bei Rückgabe bekommt er das Pfand zurück. Zwischen Tankstellenbetreiber und Cuna läuft das gleiche Prinzip ab: Der Tankstellenbetreiber bekommt Becher und Schüsseln gegen Pfand gestellt. Die ersten 100 Stück sogar gratis.

Das Besondere am Geschirr von Cuna

Während andere Hersteller in der Regel für ihren Kunststoff als Basis Rohöl verwenden, ersetzt Dyll Öl durch den nachwachsenden Rohstoff Zucker. Diesem wird Hefe zugesetzt, wodurch in einem Gärprozess Ethanol entsteht. Und das eignet sich dann zur Herstellung von Mehrweggeschirr.

Für beschädigtes oder kaputtes Mehrweggeschirr oder solches, das optisch nicht mehr schön aussieht, gibt es kostenfreien Ersatz von Cuna. "Wir sind da sehr kulant", versichert Dyll. "Wir haben schon mal einen Becher, den jemand mit einem Edding beschriftet hatte, umgetauscht. Allerdings ist das für das Recyceln eher weniger geeignet."

Zurückgegebenes Geschirr wird von Cuna nämlich regranuliert und für neues Material genutzt. Bei der Rezeptur verzichtet Cuna eigenen Angaben zufolge fast vollständig auf fossile Rohstoffe. Nur fast? "Komplett verzichten können wir nicht", erklärt Dyll. "Ein minimaler Restanteil ist nötig, damit unsere Behälter hohe Temperaturen aushalten – also etwa den
frischen Kaffee oder heiße Suppe."

Und gespült werden müssen die Becher und Schüsseln schließlich auch. Im Industriegeschirrspüler kann es bis zu 80 Grad heiß werden. Mehrweggeschirr von Cuna übersteht laut Dyll mehrere Hundert Spülvorgänge. 

Besser ohne Logo der Tankstelle

Die Mehrwegbecher und -schüsseln können theoretisch sogar mit einem Logo der jeweiligen Tankstelle versehen werden. Dyll rät davon jedoch ab: "Es kann sonst vorkommen, dass Bäckerei Müller den Kaffeebecher von Tankstelle Meier nicht zurücknehmen will, weil 'da ist ein anderes Logo drauf. Der ist nicht von uns'. Stimmt faktisch, aber es ist ja Sinn der Sache, dass Mehrweg an ganz vielen verschiedenen Stellen wieder zurückgenommen wird. Mit einem neutralen Blanko-Produkt ist das einfacher."

Auch Recup möchte ein neutrales Pfandsystem anbieten, dessen Kreislauf unabhängig von den teilnehmenden Betrieben ist. "Ein firmenspezifisches Branding der Becher und Bowls ist daher bewusst nicht vorgesehen“, so Recup.

Lekkerland spült selbst

Was die Rückgabestellen betrifft, will Lekkerland in die Vollen gehen. Laut Peter Ganghof, Director Foodservice bei Lekkerland, kooperiert das Unternehmen mit REWE. Dann könnten Kunden ihr Mehrweg auch in 3.700 Märkten von REWE und Nahkauf zurückgeben. Der große Unterschied zu den Systemen von Cuna und Recup ist, dass Lekkerland auf eine zentrale Spüllogistik setzt. Kunden wie Erkan Nisanci spülen die Becher nicht selbst, sondern sammeln sie im Pfandsack. Der wird dann abgeholt, Lekkerland spült die Becher und liefert sie wieder aus. Kann der Betreiber auch selbst spülen? "Nein", sagt Ganghof. "Um sicherzustellen, dass alle Becher des Systems höchsten Hygieneansprüchen und -standards genügen, werden sie zentral gespült. Dies ist zudem umweltfreundlicher als eine dezentrale Spülung der Becher an jedem POS."

Auch für Essen zum Mitnehmen wird Lekkerland Behälter anbieten. Aktuell laufen "Gespräche mit Kunden, um den konkreten Bedarf zu erfassen", so Ganghof. Konkrete Kosten wollte Lekkerland nicht mitteilen. Ganghof spricht lediglich von einer "Pay-per-use"-Gebühr für jeden einzelnen Behälter.

Bevor sich ein Unternehmer für ein System entscheidet, sollte er genau durchkalkulieren. Dabei spielen nicht nur die Gebühren eine Rolle, sondern auch die Akzeptanzstellen.


""Etwas kritisch""

"Ich persönliche sehe die Umsetzbarkeit in Zeiten wie Corona und in Anbetracht der Hygiene etwas kritisch, ob das so einfach funktioniert mit der Logistik. Ich denke aber, für die Umwelt und Nachhaltigkeit ist es sinnvoll. Die Frage ist, ob es mit so vielen Anbietern und Modellen auch den Sinn und Zweck erfüllt, da die Kunden komplizierte Vorgänge meiden und eher auf die Einwegbecher zurückgreifen."
(Erkan Nisanci, Leiter ECO Tankstellen)



Gebühren, Pfand, Akzeptanzstellen

Cuna: Das Monatspaket ist monatlich kündbar und kostet 25 Euro. Die ersten 100 Behälter bekommt der Tankstellenbetreiber pfandfrei zur Verfügung gestellt. Das ist auch beim Jahrespaket so mit einer Laufzeit von zwölf Monaten. Dafür beträgt die monatliche Gebühr nur 20 Euro.
Pfandgebühr: pro Becher zwei Euro, pro Schüssel fünf Euro.
Akzeptanzstellen in Deutschland (Stand: November 2022): rund 500.
Recup: Für drei Monate beträgt die Systemgebühr 45 Euro pro Monat, für ein Jahr 31 Euro pro Monat, und wer sich direkt für zwei Jahre festlegt, zahlt 28 Euro Monatsgebühr.
Pfandgebühr: pro Becher ein Euro, pro Schüssel fünf Euro.
Akzeptanzstellen in Deutschland (Stand: November 2022): rund 14.000.
Lekkerland: Zu den Kosten für Tankstellenbetreiber wollte das Unternehmen keine Angaben machen und für eine konkrete Zahl der Akzeptanzstellen sei es "noch zu früh".
Pfandgebühr für Endkunden: pro Becher ein Euro, pro Schüssel 1,50 bis 2,50 Euro.



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