Vielen Autofahrern in Deutschland ist nicht bewusst, dass sie dieser Tage beim Tanken die Taschen von Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi füllen. Der Gaddafi-Clan kontrolliert über ein kompliziertes Firmengeflecht nach Erkenntnissen der Bundesregierung indirekt auch die Tamoil GmbH, die bundesweit an Tankstellen Benzin unter den Marken Tamoil und HEM verkauft. Das ist in Zeiten des Aufruhrs in dem ölreichen Wüstenstaat am Mittelmeer natürlich ein Politikum: Während westliche Kampfjets im UN-Auftrag versuchen, Gaddafi-Gegner mit Luftangriffen zu schützen, und viele Länder längst Vermögenswerte in Milliardenhöhe eingefroren haben, macht die Gaddafi-Sippe in Europa mit Benzinverkäufen unverändert glänzende Geschäfte. Die 27 EU-Mitgliedstaaten haben nun weitere Sanktionen gegen libysche Unternehmen auf den Weg gebracht, darunter die staatliche libysche Ölfirma NOC, die über verschlungene Wege auch Tamoil kontrolliert. Geschäftsbeziehungen von Tochterfirmen mit in Libyen gelisteten Mutterunternehmen wie der National Oil Copmany (NOC) sollen künftig nicht mehr erlaubt sein. Diese Regelung betrifft in Deutschland die Tamoil GmbH und die Holborn Europa GmbH, die beide unter anderem über die Rotterdamer Holding Oil Invest mehrheitlich der NOC gehören, die unter dem Einfluss des Gaddafi-Clans steht. So fließt das Geld durch die Zapfsäulen in Hamburg, München oder Berlin über eine Holding namens Oil Invest in Rotterdam am Ende bis nach Tripolis. Eine sofortige Schließung der Tamoil-Gesellschaften gilt rechtlich dagegen als nicht durchsetzbar. In Deutschland gehören nach Angaben des Energie-Informationsdienstes EID 390 Stationen unter den Markennamen Tamoil und HEM zum libyschen Netz. Die Stationen sind verpachtet; die deutsche Tamoil selbst beschäftigt weniger als 100 Mitarbeiter. Der Umsatz der Gruppe beträgt laut Medienberichten rund 1,6 Milliarden Euro. Versorgt werden die Stationen unter anderem von der Holborn-Raffinerie, die im Jahr 2009 rund 5,2 Millionen Tonnen Rohöl verarbeitete. Holborn ist die größte von drei libyschen Raffinerien in Europa; die anderen beiden liegen in der Schweiz und Italien. Die Hamburger Raffinerie ist über eine 147 Kilometer lange Pipeline an das Ölterminal in Wilhelmshaven angebunden, wird aber ebenso per Schiff versorgt. Nach Angaben von Tamoil Europa wird in den drei Raffinerien zu 55 Prozent libysches Rohöl eingesetzt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verlangte vor dem EU-Gipfel in Brüssel härtere Wirtschaftssanktionen gegen das Gaddafi-Regime. In einer Regierungserklärung im Bundestag forderte sie ein "komplettes Ölembargo und weitreichende Handelseinschränkungen" gegen Libyen. Kommt das Öl-Embargo tatsächlich, würde den Tamoil-Raffinerien bald der Nachschub ausgehen. (dpa/beg)
Tamoil, HEM: Gaddafis Tankstellen im Visier der EU

Die EU will bei den Wirtschaftssanktionen gegen Gaddafi Druck machen. Das trifft in Deutschland auch die Tankstellenkette Tamoil/HEM. Es soll verhindert werden, dass Geld durch die Zapfsäulen über verschlungene Wege bis nach Tripolis fließt.