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Raststätte Bodensee Hörbranz: Rasten im Grünen

27.12.2018 12:00 Uhr
Raststätte Bodensee Hörbranz: Rasten im Grünen
Unter dem überdimensionalen Betondach befindet sich das Tankfeld mit den Zapfsäulen im „Schindele-Grün“, dahinter dann der mit Holzfacetten verkleidete Rasthof. Die Investitionssumme für das gesamte Projekt lag bei 17 Millionen Euro.
© Foto: Annika Beyer

Viel Holz, viel Glas und runde Formen – die neu gebaute Raststätte Bodensee Hörbranz fügt sich in die ­Tradition der Vorarlberger Architektur ein. Auch beim Essen setzen die Betreiber auf Regionalität.

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„Jetzt hier raus? Ne, geht ja gar nicht. Wann kommt denn endlich die Abfahrt?“ – ein bisschen verwirrt ist man bei seinem ersten Besuch der Raststätte Bodensee Hörbranz schon, wenn man die Ausfahrt der A 14 zur Anlage am Grenzübergang Deutschland Richtung Österreich sucht. Etwa 50 Meter weiter wird der verunsicherte Autofahrer von seinem Geisteszustand erlöst: Die hüfthohe Steinmauer, die den vorgelagerten Lkw-Parkplatz von der Straße trennt, öffnet sich für die Ausfahrt und man gelangt auf das etwa 25.000 Quadratmeter große Areal der ehemaligen Zollstation.

Dort erwartet den Autofahrer vor allem Größe: Das Tankfeld liegt unter einem überdimensionalen weißen Betondach, das von Pilzsäulen mit einer speziell angefertigten Stahlschalung getragen wird. Darunter wird alles geboten, was der Fahrer braucht: 16 Tankplätze an acht Pkw-Multiproduktzapfsäulen, vier Tankplätze für LPG an zwei Doppelsäulen, sieben Lkw-Hochleistungszapfsäulen, vier Inseln mit Adblue-Doppelzapfsäulen und drei Vlotte-Ladestationen. Auf der anderen Autobahnseite Richtung Deutschland stehen noch mal vier Lkw-Hochleistungszapfsäulen und vier Inseln mit Adblue-Doppelzapfsäulen zur Verfügung. In Summe bietet die gesamte grenznahe Anlage Platz für 150 Pkw, zehn Busse und 50 Lkw.

Nach dem Tanken kann sich der Fahrer – dank des Daches immer trockenen Fußes – auf den Weg zur nierenförmig gestalteten Raststation aus der Feder von Architekt Christian Lenz machen – eine „Hommage an die Vorarlberger Architekturtradition“, wie eine Regionalzeitung schreibt. „Wenn Sie durch den Vorarlberg fahren, finden Sie viele Gebäude mit diesen Holzfacetten.  Das gibt es so in Deutschland nicht“, erklärt Werner Schindele, geschäftsführender Gesellschafter des gleichnamigen Mineralölhändlers. Das Familienunternehmen wurde 1878 als erste Kohlenhandlung in Ravensburg gegründet und hat inzwischen ein Netz von fünf Tankstellen in Deutschland und neben der Station in Hörbranz zwei weitere in ­Österreich.

Natürliche Materialien

Betritt der Besucher das Gebäude, findet er rechter Hand das Restaurant, eines von vier Standorten, die die Schweizer Gruppe Thurau betreibt. Auch hier griff der Architekt fast ausschließlich auf runde Formen und Holz als Material zurück, das im Kontrast zu den dunklen Wänden und Boden steht. Als Dekoelement dienen an der Wand und als Raumtrenner Birkenstämme, durch eine Tür an der Glasfront gelangen die Besucher auf die Terrasse mit Blick über Wiesen und Felder auf Hörbranz. Insgesamt stehen 250 Sitzplätze zur Verfügung.
An der Wand befindet sich die Frischetheke. Ansonsten gibt es Pizza, Pasta, Burger und Salat. Auch für Vegetarier und Veganer gibt die Speisekarte etwas her. Dabei legt die Gruppe Thurau bei ihrem Angebot viel Wert auf Regionalität: Die Rohstoffe stammen von Lieferanten rund um den Bodensee. Kunden mit kleinem Hunger können sich linker Hand entweder an der Theke der Bäckerei etwas aussuchen oder aber etwas aus dem Shop wählen. Auch hier gibt es viele regionale Produkte etwa in der Vorarlberger Käseecke.

Für das Kassensystem sowie für die sechs Tankautomaten hat sich Schindele mit Ratio Elektronik eine Firma ebenfalls mit Sitz in Ravensburg ins Boot geholt, die schon Erfahrung mit Projekten an anderen Autohöfen vorweisen kann. Das ­Unternehmen hat das Restaurant mit sechs Tabletkassen ausgestattet, mit denen die Kellner direkt am Tisch die Bestellung aufnehmen. Der Kunde erhält eine Bezahlkarte aus Plastik, auf der alle Bestellungen im Restaurant gebucht werden und die er dann an einer der sechs stationären Kassen beim Ausgang der Raststätte vorlegen muss. Dort begleicht der Kunde auch die Kraftstoffrechnung, bezahlt die ­Produkte aus dem Shop und der Bäckerei oder die Vignette.

Von einem Backoffice-Arbeitsplatz aus managt der Betriebsleiter die Tankstelle, kann etwa Bestellungen machen, Artikel verwalten und Aktionen eingeben. Sämtliche Daten werden auf einem zentralen Server in einem Sicherheitsraum im Untergeschoss des Rasthofes hinterlegt. Hier steht auch das Duo der Steuerungsrechner. „Wir haben uns für zwei Stück entschieden, weil die Tankstelle sehr groß ist. Fällt einer aus oder müssen wir ein Update machen, läuft immer noch der andere“, begründet Ratio-­Geschäftsführer Othmar Nussbaum den scheinbaren Luxus.

Neben der Funktion mit der Bezahlkarte haben die Ravensburger weitere kleinere Wünsche von Schindele umgesetzt. „Regelmäßig haben Kunden an der Kasse vergessen, ihren Kraftstoff zu zahlen. Deshalb mussten wir unsere Kassierer dazu bringen, den Kunden immer zu fragen, ob er getankt hat“, erklärt Schindele. Die Lösung: Wenn jemand zahlen möchte und die Rechnung beinhaltet keinen Kraftstoff, öffnet sich automatisch am Kassenbildschirm ein Fenster mit dem Hinweis: „Tankung? Kunde nach Tankung fragen“. „Wir sind zwar noch nicht bei null Wegfahrern, aber wir merken eine deutliche Verbesserung“, freut sich der Unternehmer.

Ebenfalls speziell für Hörbranz entwickelt hat Ratio eine Auswertung, die anzeigt, wie viel Umsatz ein Servicemitarbeiter im Restaurant macht. Denn durch das System mit den mobilen Kassentablets und den Bezahlkarten erhalten die Kellner kein Trinkgeld. Dank einer zusätzlichen Funktion kann der Rechner den Umsatz pro Mitarbeiter ausweisen. Wer einen bestimmten Umsatz generiert, erhält eine Provision. „Wer gut verkauft, also beispielsweise noch erfolgreich einen Kaffee oder ein Dessert anbietet, soll auch belohnt werden“, ist Schindele überzeugt. Wirklich aufwändig sei die Umsetzung dieser Zusatzfunktionen nicht gewesen, berichtet Nussbaum. Herausfordernder war da eher der Zeitplan des Projekts. Denn da es beim Bau Verzögerungen gab, musste es am Ende richtig schnell gehen mit der Installation der Kassen.

Enger Zeitplan

Die österreichische Infrastrukturgesellschaft Asfinag hatte das Gelände der ehemaligen Zollstation für einen Rasthof europaweit ausgeschrieben. 2010 erfolgte die Entscheidung, dass Schindele den Zuschlag bekommt. Nach einem jahrelangen Genehmigungsverfahren wurde die Entscheidung im April 2016 rechtskräftig. Nach 18 Monaten Bauzeit gab es im Juni 2018 einen Probebetrieb, um die Servicekräfte zu schulen, offiziell eröffnet wurde der Rasthof einen Monat später.

Der große Knackpunkt: die eingangs erwähnte Straßenführung, denn der Autofahrer fährt nicht wie gewohnt am Anfang des Geländes von der Autobahn ab. Erst nach dem Lkw- und Pkw-Parkplatz, der etwa zwei Drittel des Geländes einnimmt, folgt auf Höhe des Rasthofes die Abfahrt. Von dort gelangt der Kunde aber nicht direkt zu den Zapfsäulen, sondern er muss die Spitze des Tankfeldes umrunden, bevor er letztendlich von der anderen Seite den Bereich unter dem Dach erreicht. Auch für den Weg zurück auf die Autobahn muss er einmal das komplette Gelände umfahren.

Genau diese komplizierte Straßenführung kam bei den Anwohnern nicht besonders an. Sie rechneten sogar aus, wie viele zusätzliche Kilometer und damit CO2-Emissionen dadurch anfallen. „Wegen der Emissionswerte mussten wir vor das Bundesverwaltungsgericht nach Wien und dort nachweisen, dass wir alle Vorgaben einhalten“, erinnert sich Schindele.
Inzwischen sind die Kritiker verstummt, ist Schindele erleichtert. Die neue Raststation fügt sich besser in das Landschaftsbild um Hörbranz ein als das Vorgängergebäude, die laut des Unternehmers katastrophalen hygienischen Verhältnisse der alten Zollstation sind beseitigt, Lärmschutzwände sorgen für einen geringen Geräuschpegel und ein Radweg, ebenfalls Bestandteil der Ausschreibung, verbindet die zwei Ortsteile vor Hörbranz, die die Autobahn trennt. Und wer weiß: Vielleicht nimmt der ein oder andere anfangs kritische Anwohner den komplizierten Weg auf sich, um in der Raststätte Bodensee Hörbranz zu essen.

(Autorin: Annika Beyer; Der Artikel erschien in Sprit+ Ausgabe 12.2018)

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