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Paketabholstationen: Locken Locker Kunden zu Shell?

07.10.2016 10:00 Uhr
Paketabholstationen: Locken Locker Kunden zu Shell?
Genügend Parkfläche ist ein Kriterium für die Amazon-Paketkästen, sagt Shell. An dieser Münchener Station gibt es allerdings nur zwei Stellflächen für PKW.
© Foto: Michael Simon

An zehn Münchener Shell-Tankstellen hat Amazon Paketabholstationen, sogenannte Locker, aufgestellt. Was verspricht sich die Mineralölgesellschaft von der Allianz mit dem Versandhändler? Sprit+ hat nachgefragt und den Selbsttest vollzogen.

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Zu Corina, Elisa oder Else? Obwohl ich keine der drei kenne, vertraue ich darauf, dass eine von ihnen meine beiden Pakete bei sich aufnimmt und sicher verwahrt. Im Amazon-Onlineshop bin ich gerade dabei, für meine Freundin eine Staffel ihrer Lieblingsanwaltsserie zu kaufen und in einer zweiten Bestellung für mich ein Buch. Als Versandadresse wähle ich Else aus, sie liegt direkt auf meinem täglichen Nachhauseweg. Die Unbekannte dürfte meine Freundin kaum eifersüchtig machen, denn bei Corina, Elisa und Else handelt es sich nicht um Frauen, sondern um orange Paketstationen, die Amazon im Juli heimlich, still und leise an zehn Münchener Shell-Tankstellen aufgestellt hat.

Einem Bericht in der Tageszeitung Handelsblatt zufolge hat sich Amazon mit Shell verbündet, um mit der Paketzustellung Geschäfte zu machen. Die Branche wertet das als Angriff auf die Deutsche-Post-Tochter DHL, die seit Jahren ein ähnliches Konzept am Markt hat: die sogenannten „Packstationen“. Dabei handelt es sich um Briefkästen für Pakete, wohin sich vor allem Berufstätige ihre Bestellungen schicken lassen.

Amazon testet das nun auch und nennt seine Paketkästen „Locker“, das Prinzip ist ähnlich. Amazon will die in ihrem Shop bestellten Pakete fortan also zum Teil selbst verschicken, um nicht DHL, Hermes und Co. beauftragen zu müssen. Außerdem muss der Versandhändler dank seiner Kooperation mit Shell für seinen Paketbriefkasten keine Fläche anmieten, die im urbanen Raum ohnehin knapp und teuer ist.

Doch was hat Shell von den Paketautomaten? Wir haken bei Cornelia Wolber, Pressesprecherin von Shell Deutschland, nach. „Das Angebot passt gut in unser Konzept, Kunden mit attraktiven Dienstleistungen das Leben ein wenig einfacher und bequemer zu machen“, schreibt Wolber. Hinter dem Dienstleistungsargument versteckt sich etwas ungelenk ein anderer Grund: Shell testet, ob man mit den Paketstationen mehr Kunden im Feierabend an die Tankstelle locken kann, Stichwort Frequenzbringer. Die Hoffnung: Wenn ein Kunde eh schon wegen des Pakets an die Station kommt, tankt er vielleicht und kauft noch etwas im Shop ein. Als Pilotstationen wählte Shell innerstädtische Pächter-Tankstellen aus, die ein entsprechendes Platzangebot haben, das gewährleistet, dass der Betrieb nicht beeinträchtig wird, erklärt Wolber. Mehr möchte oder kann Shell noch nicht sagen.

Wie einfach ist die Abholung? Sprit+ macht den Selbstversuch

Sprit+ will es nun genau wissen und macht den Selbsttest, wie praktisch und praktikabel die Locker schon sind. Am Tag nach der Amazon-Bestellung erhalte ich zwei E-Mails, dass beide Pakete wie angekündigt zu Else geliefert wurden, anbei außerdem ein Barcode und eine Buchstaben-Zahlen-Kombination.

Nach Arbeitsende, als die Postfilialen schon geschlossen sind, fahre ich zur Shell-Tankstelle in der Tegernseer Landstraß. Kaum habe ich das Gelände befahren, sehe ich schon das Orange des Paketkastens neben der Ausfahrt aus der gelb-roten Landschaft herausstechen. Vor dem zweimal zwei Meter großen Kasten stelle ich mich auf den einen freien der beiden Stellplätze. Die Worte von Wolber kommen mir in den Sinn; unter einem „entsprechenden Platzangebot“ hatte ich mir etwas anderes vorgestellt.

Die Anwendung ist kinderleicht: Das Touchdisplay fordert den Paketabholer auf, die sechsstellige Zahlen-Buchstaben-Kombination einzugeben oder den in der E-Mail verschickten Barcode einzuscannen. Ich teste zunächst die erste Variante und nach Eingabe der Kombination springt sofort eine Luke mit dem DVD-Paket auf. Ich entnehme den Inhalt und möchte den Barcode einscannen, doch der Locker hat erkannt, dass ich ein und dieselbe Person bin, wodurch ein Druck auf okay genügt, um das zweite Fach zu öffnen. Bei den 2.750 Pendants von DHL ist das Prozedere etwas aufwendiger. Die Packstationen lassen sich nur mittels persönlicher Kundenkarte nutzen, zur Abholung erhält man zusätzlich eine PIN per SMS.

Erfreut dass die Paketübergabe so einfach gegangen ist – in der Postfiliale hätte ich bestimmt wieder 15 Minuten angestanden –, kaufe ich im Tankstellenshop noch eine Tiefkühlpizza fürs Abendessen. Wo ich doch schon einmal hier bin. An der Kasse denke ich, dass ich beim nächsten Mal auch mein Auto volltanken lassen könnte, während ich das Paket abhole. Länger als eine halbe Minute dauert das ja nicht. Und das Schöne für das Tankstellenpersonal ist, dass es mit dem Pakethandling (Annahme, Übergabe, Rückgabe, Aufbewahrung) nichts zu tun hat.

Amazon will sich nicht äußern

Am nächsten Tag im Büro, frage ich mich, was mit den Paketen passiert, die nicht abgeholt werden? „Sie haben ab Zustellung drei Werktage Zeit, um Ihre Sendung abzuholen. Pakete, die nach Ablauf dieser Frist nicht abgeholt wurden, werden an uns zurückgesandt und durch unsere Warenrücknahme erstattet“, heißt es auf der Frageseite von Amazon Locker. Dort lese ich auch, dass ich eine Retoursendung, beispielsweise wenn ich die falsche DVD-Staffel bestellt hätte, hier wieder aufgeben könnte. Eine gesonderte Anfrage beantwortet das Unternehmen nicht, dabei hätte uns interessiert, wie lange der Feldversuch anberaumt ist, ob Amazon Miete für die Stellfläche bezahlt, ob die Kooperation mit Shell exklusiv ist und ob sich auch freie Tankstellenbetreiber als Standorte bewerben können?

Es hat fast den Anschein, schließlich sucht der Versandhändler laut Homepage weiterhin interessierte Partner. Als Voraussetzungen nennt Amazon bequeme Zugänglichkeit drinnen wie draußen, einen Stromanschluss sowie eine Mindestbreite und -höhe von zwei Metern. In der Breite gibt es noch drei weitere Größen der Paketstationen, die um jeweils einen Meter mehr Platz bedürfen. Außerdem muss 3G-Empfang vorhanden sein. Wer im Falle eines Paketdiebstahls die Haftung übernimmt – auch diese Frage ist noch zu klären.

Wie es mit der Shell-Amazon-Kooperation weitergeht, ob auch andere Städte getestet werden, dazu kann Shell-Sprecherin Wolber derzeit nichts sagen. „Wir sind aber zuversichtlich, dass die bequeme und einfache Handhabung sowie die zusätzliche Flexibilität für Kunden attraktiv ist“, sagt sie und meint: Hoffentlich honorieren das die Kunden mit Zusatzkäufen an der Tankstelle. (ms)

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