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Interview: Münchener Familienvater

06.09.2016 11:25 Uhr
Interview: Münchener Familienvater
Holger Mark leitet von der Avia-Zentrale in München aus Themen wie den Einkauf und das Marketing.
© Foto: Annika Beyer

Eigenständige Unternehmer und trotzdem gemeinsam als Verbund stark im Markt – das ist das Ziel der Avia. Warum es dabei manchmal wie in einer Familie zugeht, verrät Vorstand Holger Mark im Interview mit Sprit+.

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Herr Mark, die Avia hat im Juli ihr 60-jähri­ges Bestehen gefeiert. Anlässlich des Jubiläums sprach Aufsichtsratsvorsitzender Kurt Döhmel von einem Erfolgsmodell. Was macht die Avia denn so erfolgreich?
Mittelständler sind Unternehmer und wollen sehr stark ihre Eigenständigkeit beibehalten. Unsere Gesellschafter wissen es sehr zu schätzen, dass sie mit der Avia ein Konstrukt haben, deren Marke ein gutes Renommee und eine gute Positionierung im Markt hat. Gleichzeitig bleibt der einzelne Aviate eigenständiger Unternehmer. Wenn man dagegen Markenpartner einer Gesellschaft ist, zahlt man dafür, dass man die Marke verwenden darf und partizipiert vom Marketing. Bei der Avia ist es andersrum: Die Avia gehört den Aviaten und somit bestimmen sie viel stärker die Ausrichtung und das strategische Vorgehen.

Aktuell zählt die Avia 32 Gesellschafter. Ist das nicht schwierig, alle unter einen Hut zu bekommen?
Wir haben zweimal im Jahr eine Gesellschafterversammlung und regelmäßig ­Arbeitsgremien, in denen man zusammensitzt und sich austauscht. Natürlich ist bei uns nicht immer alles eitel Sonnenschein, weil es unterschiedliche Meinungen und Interessen gibt. Das ist spannend und nicht immer leicht, aber es bereichert die Organisation. Wir sagen immer: Die Avia ist wie eine Familie, da gehören unter­schiedliche Auffassungen und auch mal Ecken und Kanten dazu.

Dieses Modell wirkt sich auch auf Ihre Art der Arbeit aus …
Definitiv. In meiner alten Funktion als Spartenleiter Energie bei der Baywa, also in einem Konzern, war es vielleicht manchmal ein Stück weit leichter, Chef zu sein. Am Ende des Tages musste umgesetzt werden, was die nächsthöhere Führungsebene vorgegeben hat. Hier bei der Avia ist es viel entscheidender, eine gemeinsame Auffassung zu erzielen. Das führt dann aber auch dazu, dass die Gesellschafter die Themen mit viel mehr Überzeugung umsetzen. Das ist eine Herausforderung, aber das macht Spaß.

Der Erfolg dieses Modells zeigt sich auch in Zahlen: Mit über 840 Tankstellen betreibt die Avia das fünftgrößte Tankstellennetz. Allein in den vergangenen zwei Jahren sind netto 29 Stationen dazugekommen. Wollen Sie weiter wachsen?
Ja, wir sind – wie aktuell alle in der Branche – auf Wachstumskurs. Dieses Wachstum muss allerdings kalkuliert und gut überlegt sein. Das machen wir von München aus, aber auch jeder Gesellschafter draußen. Uns ist natürlich wie allen anderen auf dem Markt klar, dass der Kraftstoffabsatz in Summe nicht steigen wird. Deshalb wird sich der Einzelne allein in Zukunft viel schwerer tun und sucht dann vielleicht Anlehnung an ein Konstrukt, wie wir es sind. Und dann wächst man im Markt, obwohl es insgesamt nicht mehr Tankstellen gibt.

Gibt es Regionen, in die Avia gezielt investieren will?
Die regionalen Schwerpunkte bestimmen unsere Gesellschafter. Deshalb sind wir in den letzten eineinhalb Jahren zum Beispiel in Ostbayern gewachsen, weil unsere ­Mitglieder da Potenzial gesehen haben. Außerdem gibt es von Bayern in Richtung Hessen ebenso wie in Niedersachsen Gebiete, in denen wir Potenzial ­sehen. Gleichzeitig führe ich interessante Gespräche in Süddeutschland, wo der Markt aktuell stark in Bewegung ist. Wir wären schlecht beraten, wenn wir ­diese Gespräche nicht sehr ernsthaft verfolgen und bei gegenseitigem Vertrauen zum Vertragsabschluss kommen würden. Ins­gesamt würde ich ­sagen, dass viele ihren Fokus auf bestimmte ­Regionen legen und wir auf die ganze Bundesrepublik.

Um zu wachsen, brauchen Sie gute Partner. Wie definieren Sie einen guten Partner?
Dabei müssen wir unterscheiden zwischen Gesellschaftern und Partnern. Zweiteres muss jeder Gesellschafter für sich definieren. Für uns in München ist es dagegen entscheidend zu vermitteln, dass wir mehr als eine Gemeinschaft sind. Wir sind darauf aufgebaut, dass wir als Verbund am Markt agieren. Deshalb kann bei uns ­keiner Gesellschafter werden, der bloß eine Versorgung haben will. Es gibt nur das Gesamtpaket. Wenn ein Unternehmen das akzeptiert, dann passt es zu uns.

Bei den alternativen Kraftstoffen sind Ihre Partner und damit die Avia vorne mit dabei: Unter dem Avia-Logo gibt es in Deutschland die meisten Autogas-Tankstellen, bei den Erdgas-Tankstellen sind Sie auf Platz 5. Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund den Entwurf zur Änderung des Energie- und des Stromsteuergesetzes?
Es zeigt sich wieder, wie schwierig es für den Mittelstand ist, in diesem Umfeld zu investieren. Ich persönlich finde die zeitliche Unterscheidung zwischen Erdgas und Autogas nicht glücklich. Warum soll man das unterscheiden? Hier werden sicherlich die Verbände weiterhin gefordert sein, den Entwurf zu glätten. Letztendlich muss man sich als Unternehmen darauf verlässlich einstellen können und es gibt noch einen ausreichenden Zeitkorridor. Grundsätzlich gilt für uns aber: Da, wo wir ein Geschäftsfeld sehen, wollen wir natürlich auch weiterhin Geschäft machen.

Ein weiteres wichtiges Geschäftsfeld sind die Tankkarten. In diesem Jahr haben Sie Crossakzeptanzen mit Westfalen und der Baywa geschlossen. Welche Strategie verfolgen Sie mit solchen Kooperationen?
Über die Crossakzeptanzen bieten wir Kunden die Möglichkeit, in den Gebieten mit unserer Karte zu tanken, in denen wir weniger stark vertreten sind. Wenn es für beide Seiten sinnvoll erscheint, kann es eine gute Ergänzung und eine gegenseitige Stärkung sein. Da passen Westfalen und Baywa gut in unser System und auch für Total hat unsere Strategie gepasst. Damit kann man jetzt in Deutschland an 2.200 Tankstellen mit der Aviacard zahlen. Generell schauen wir aber sehr genau hin, wie andere Marktteilnehmer im Markt agieren und sind sehr wählerisch bei Partnern.

Sind zeitnah neue Kooperationen angedacht?
Nein. Da gibt es andere Gesellschaften, die momentan viel aktiver sind als wir. Jedes Unternehmen verhält sich in diesem Bereich anders. Ich denke, dass man sich da am Ende des Tages nicht verzetteln darf. Eine neue Kooperation muss einfach zu uns passen.

Welche Themen werden noch zentral von München aus gesteuert?
Natürlich ist das Thema Einkauf in all unseren aktiven Geschäftsbereichen das zentrale Hauptthema. Zusätzlich sind wir Systemanbieter für Shop, Schulung und Technik für unsere Gesellschafter. Weiterhin definieren wir mit unseren Gesellschaftern zusammen beispielsweise die Anforderungen für das Kassensystem und Kartengeschäft. Hier haben wir zwei Modelle, die wir bevorzugen und für die wir Updates oder Weiterentwicklungen steuern und zahlen. Wenn ein Gesellschafter aus welchem Grund auch immer sagt, er will es anders machen, sind wir nicht glücklich darüber, weil es die Komplexität in der IT-Landschaft erhöht. Aber er ist frei in seiner Entscheidung. Nicht zu vergessen das Marketing, das überregional von München aus gesteuert wird. Aber wir sind Mittelstand und haben kein Marketingbudget, wie es ein Weltkonzern hat. Daher müssen wir mit den Geldern, die wir von unseren Gesellschaftern anvertraut bekommen, sehr seriös umgehen.

Wie sieht es beim Thema Bistro aus?
Ich glaube, wir sind hier solide und gut aufgestellt und wir haben gute und kreative Partner. Aber man muss sich immer weiterentwickeln, wenn ich mir anschaue, wie viel aktuell in unserem Wettbewerbsumfeld geschieht. Daher analysieren wir immer wieder, was zu uns passt und was der Kunde von uns erwartet. Wir würden jetzt aber nicht unsere Backshops rausschmeißen und ein wie auch immer geartetes völlig neues Backshopkonzept einführen. Wir legen aber klar Gewicht in einen Ausbau dieses Geschäftsfeldes, weil wir hier noch viel Potenzial für die Avia-Stationen sehen.

Wird das Thema Kreditkartengebühren auch von München aus geregelt?
Ja, auch diesen Bereich begleiten wir für unsere Gesellschafter von München aus. So versuchen wir von der Zentrale aus, die Kreditkartengebühren zu reduzieren.

Aber die Avia übernimmt nicht wie etwa die A-Gesellschaften Total, Aral und Shell die Gebühren?
Wie es draußen in der Fläche gehandhabt wird, regelt jeder Aviate selbst. Grundsätzlich gibt es dafür viele andere Sachen, die große Mineralölkonzerne nicht übernehmen. Am Ende des Tages, egal ob es eine große oder eine kleine Gesellschaft ist, bewegen wir uns im gleichen sehr wettbewerbsintensiven Markt mit sehr überschaubaren Margenkonstrukten. Um diese überschaubaren Margen zu generieren und aufzuteilen, gibt es in jedem Haus ­unterschiedliche Vorgehensweisen. Und meine Wahrnehmung ist, dass bei aller Härte im Geschäft unsere Stationäre wirtschaftlich gut positioniert sind, aber gleichzeitig sicherlich nicht immer alles abnicken.

(Das Interview führte Annika Beyer; Der Text erschien in Sprit+ Ausgabe 9/2016.)

Vita:

Der gebürtige Westfale Holger Mark studierte technische Betriebswirtschaft an der Märkischen Fachhochschule in Hagen. Direkt nach dem Studium ging er zur Baywa, wo er 20 Jahre arbeitete und zuletzt die Sparte Energie leitete. Seit Juli 2013 ist der heute 51-Jährige Geschäftsführer der Avia Mineralöl GmbH und Vorstand der Avia Mineralöl AG.

Avia:

1956 zunächst als Deutsche Mineralöl-AG in Stuttgart gegründet, verlagerte die Deutsche Avia bereits früh ihre Aktivitäten nach München. Heute besteht das Unternehmen aus 32 mittelständischen Gesellschaftern und einer Zahl an Lizenznehmern. Sie betreiben mit 842 Tankstellen (Stand: 1.7.2016) das fünftgrößte Tankstellennetz in Deutschland. In Europa sind insgesamt 3.000 Tankstellen von 80 mittelständischen Unternehmen in 14 Ländern unter der Marke zusammen­geschlossen. Neben dem Handel mit Heizöl, Diesel und Schmierstoffen hat die Avia ihr Angebot auf netzgebundene Energien wie Erdgas und Strom ausgeweitet. Zusätzlich betreibt das Unternehmen in Deutschland vier Windparks.

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