Es war im Sommer. Peter Altmaier hatte gerade fröhlich ein paar Seehunde gefüttert, als ihn Jörn Klimant zurück in die vertrackte Realität der Energiewende holte. Der Landrat von Dithmarschen klagte im Gespräch mit dem Bundesumweltminister, dass in Schleswig-Holstein immer höhere Entschädigungskosten anfielen, weil Windstrom aus Sorge vor einem Netzkollaps nicht eingespeist werden dürfe. Altmaier nahm das zur Kenntnis. Wie groß aber das von Klimant damals beschriebene Problem wirklich ist, zeigt die Bilanz für 2011.
Weil sonst eine Überlastung des Netzes drohte, konnten bis zu 407 Gigawattstunden (GWh) Windstrom 2011 nicht eingespeist werden, hat das Unternehmen Ecofys in seiner jährlichen Bestandsaufnahme für den Bundesverband Windenergie (BWE) ermittelt. Die Bundesnetzagentur kommt auf ähnliche Zahlen, sie summiert die Drosselung der Wind-, Solar- und Biomasseleistung auf insgesamt 420 GWh. Der nicht produzierte Windstrom entspricht einer Strommenge, mit der 116.000 Haushalte ein Jahr lang versorgt werden könnten - der erzwungene Verlust war damit etwa drei Mal hoch wie 2010.
Die Schwerpunkte der von den Stromnetzbetreibern veranlassten Abregelungen lagen in Nord- und Ostdeutschland. Aber nicht nur, dass Strom nicht fließt: Je nach Begründung der Netzbetreiber muss er fast vollständig vergütet werden - dies wird dann auf die Stromrechnung der Bürger aufgeschlagen. Schätzungen gehen von 18 bis 35 Millionen Euro aus. Das ist aber immer noch eine kleine Summe im Vergleich zu den Milliardenzahlungen, die die Bürger ab 2013 für Probleme beim Anschluss von Windparks auf See über den Strompreis schultern sollen.
Am Mittwoch sickerte durch, dass Union und FDP den Gesetzentwurf hierzu noch einmal zulasten der Bürger verschärft haben. Demnach soll der Netzbetreiber Tennet bei Leitungsausfällen in der Nordsee pro Jahr maximal 110 Millionen Euro an Entschädigungen mittragen. Bisher war die Beteiligung nur pro Fall gedeckelt. Wegen der Komplexität der Technik und der schon absehbaren Entschädigungen für aktuelle Probleme beim Anschluss drohen höhere Kosten für die Bürger. Bisher sollen es knapp zehn Euro pro Jahr und Haushalt sein - so soll durch mehr Planungssicherheit der teure Netzanschluss beschleunigt werden.
Gerade im Norden zeigen sich auf See wie auch an Land die Probleme bei diesem Teil der Energiewende. "Die neuen Zahlen zeigen, wie dringend ein zügiger Netzausbau ist", betont ein Sprecher des Windenergieverbands. In ihrer Not hat die Branche schon angeboten, selbst Leitungen an Land zu verlegen.
Hohe Entschädigungskosten: Abgeklemmte Energiewende
Es sind heikle Zahlen für die Bundesregierung. Weil Stromnetze fehlen, hat sich die zwangsweise Abschaltung von Windrädern binnen eines Jahres verdreifacht. Die Entschädigungen zahlen die Bürger - richtig teuer wird es ab 2013 wegen Problemen bei Windparks auf See.