-- Anzeige --

Hoffnungen, Ängste und Frust: So startet der Mindestlohn

27.12.2014 08:43 Uhr
Ein Schritt in die neue Gehaltsära: Der Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro.
© Foto: jd-photodesign/Fotolia

8,50 Euro - weniger soll ab Neujahr fast niemand mehr in Deutschland verdienen. Für Ministerin Andrea Nahles ist der Start die zentrale Hürde. Gemischte Gefühle herrschen bei einem betroffenen Nachtportier.

-- Anzeige --

Meist ist Herbert Reuter bei der Arbeit allein, draußen ist es längst dunkel, und es kann gefährlich werden. Kurz vor elf abends fängt der Nachtportier in einem Hotel am Berliner Kurfürstendamm an, kurz vor sieben endet die Arbeitsnacht. "Ich bin schon einmal überfallen worden", sagt der 58-Jährige. "Ich habe keine Lust, meinen Kopf weiter für sieben Euro die Stunde hinzuhalten." Reuter ist einer von rund vier Millionen Menschen in Deutschland, die ab 1. Januar wegen des gesetzlichen Mindestlohns mehr verdienen sollen. Die Großreform löst Hoffnungen, Ängste und Frust aus.

Vor allem in Ostdeutschland und bei Dienstleistungen bringt die 8,50-Euro-Grenze Lohnsteigerungen. Bei Friseuren stimmen die Löhne trotz eines Mindestlohns durch einen Branchentarifvertrag noch nicht überall. Angestellte in Hotels und Gaststätten verdienen oft deutlich weniger, Taxifahrer, Erntehelfer oder auch Pflegekräfte in Privathaushalten. Nachtportier Reuter empfindet es als Frechheit, dass es Niedrigstlöhne noch gibt. "Es ist höchste Zeit, dass auch in Deutschland der Mindestlohn eingeführt wird."

Reuter hat keinen einfachen Job. Die Unbekannten, die kürzlich eindrangen, um die Rezeption auszurauben, hatten ihn zuvor unter einem Vorwand in ein oberes Stockwerk gelotst - in Gefahr war er diesmal zum Glück nicht. Aber er muss oft auf Hotelgäste mit Anspruch eingehen und viel Verwaltungsarbeit machen. Reuter ist qualifiziert, kennt das Geschäftsleben und die Menschen. Der gebürtige Belgier betrieb auf Mallorca eine Promibar, spricht mehrere Sprachen. "Ich bekomme sieben Euro plus Nacht- und Feiertagszuschläge." So komme er auf bis zu 400 Euro im Monat.

Der Schritt in die neue Gehaltsära ist für Reuter und andere Arbeitnehmer nicht ohne Enttäuschungen. "Mein Chef hat gesagt, ich falle nicht unter den Mindestlohn, weil ich mit Nachtzuschlägen längst über 8,50 Euro komme." Bei offiziellen Stellen wollte Reuter wissen, ob sein Chef, der ihn als Dienstleister an das Hotel vermittelt hat, Recht hat - eine klare Auskunft bekam er nicht. 

Selbst Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) scheint immer noch Respekt vor der von ihr eingeleiteten Reform zu haben. Der Mindestlohn war zentrales Wahlkampfversprechen der SPD - Nahles brachte ihn gesetzlich rasch auf den Weg. Nun sagt sie: "Jetzt kommt die entscheidende Hürde - die Umsetzung."

Bedenken und Kritik
Von allen Seiten kommen Bedenken und Kritik. Denn es gibt Ausnahmen. Beispiel Langzeitarbeitslose: Sie fallen sechs Monate nach Einstellung nicht unter die Lohnuntergrenze. Manche Arbeitgeber wollen sie laut den Gewerkschaften also rechtzeitig durch andere ersetzen. Beispiel Jugendliche: Sie haben keinen Anspruch auf 8,50 - erwachsene Austräger sollen angeblich durch Minderjährige ersetzt werden.

Beim Deutschen Gewerkschaftsbund ist man stolz. "Das ist eine der größten Reformen, die wir in den letzten Jahren hatten", sagt DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell. Seit über zehn Jahren hätten die Gewerkschaften dagegen angekämpft, dass Arbeitgeber sich einer Tarifbindung entziehen. Im Osten und bei Dienstleistungs-Kleinbetrieben sei gewerkschaftliche Organisationskraft schwach.

-- Anzeige --
-- Anzeige --

MEISTGELESEN


-- Anzeige --

STELLENANGEBOTE


-- Anzeige --

KOMMENTARE


SAGEN SIE UNS IHRE MEINUNG

Die qualifizierte Meinung unserer Leser zu allen Branchenthemen ist ausdrücklich erwünscht. Bitte achten Sie bei Ihren Kommentaren auf die Netiquette, um allen Teilnehmern eine angenehme Kommunikation zu ermöglichen. Vielen Dank!

-- Anzeige --

WEITERLESEN




NEWSLETTER

Newsletter abonnieren und keine Branchen-News mehr verpassen.


Sprit+ Online ist der Internetdienst für den Tankstellenmarkt und richtet sich an Tankstellenunternehmer, Waschbetriebe, Mineralölgesellschaften und Verbände. Neben tagesaktuellen Nachrichten mit besonderem Fokus auf die Bereiche Politik, Shop/Gastro, Tank-/Waschtechnik und alternative Kraftstoffe enthält die Seite ein Branchenverzeichnis. Ergänzt wird das Online-Angebot um betriebswirtschaftliche Führung/Personalien und juristische Angelegenheiten. Relevante Themen wie E-Zigaretten, Energiemanagement und Messen findet man hier ebenso wie Bildergalerien und Videos. Unter #HASHTAG sind alle wichtigen Artikel, Bilder und Videos zu einem Themenspecial zusammengefasst. Ein kostenloser Newsletter fasst 2x wöchentlich die aktuellen Branchen-Geschehnisse zusammen. Sprit+ ist offizielles Organ der IG Esso.