"Durch die dezentrale Produktion schneidet die Bioethanolproduktion in Deutschland bei jeder Nachhaltigkeitsbilanz besonders gut ab", erklärt Dr. Thomas Senn von der Fachgruppe Gärungstechnologie der Universität Hohenheim. Gemeinsam mit Prof. Christof Wetter vom Fachbereich Energie Gebäude Umwelt der FH Münster fordert er daher, verstärkt auf den regenerativen Kraftstoff zu setzen.
Die beiden Forscher schlagen in einem kürzlich veröffentlichten gemeinsamen Positionspapier vor, dass an deutschen Tankstellen so schnell wie möglich E20 statt E10 aus den Zapfpistolen fließen soll. Probleme mit der Verträglichkeit sehen sie nicht: Technisch gesehen könnten alle E10-tauglichen Fahrzeuge auch E20 tanken. Zusagen der Hersteller beziehungsweise von deren Verbänden bezüglich der Verträglichkeit liegen ihnen aber offentlichtlich nicht vor. Mittelfristig wird sich nach Meinung von Senn und Wetter das hochprozentige E85 zu einer günstigen Preisalternative entwickeln. "Mit steigenden Ölpreisen wird E85 immer attraktiver, welches seit Jahren preislich stabil ist", glaubt Senn.
Ihre Vorschläge kämen in einem politisch günstigen Moment, so die beiden Wissenschaftler weiter. Derzeit gebe es rund 300 bis 400 meist mittelständische Brennereien in Deutschland. Pro Jahr produzierten sie jeweils 1.000 bis 2.000 Hektoliter Ethanol. Derzeit dürfe dieser Industriealkohol nur an den staatlichen Stellen verkauft werden. Im Oktober 2013 solle das sogenannte Branntwein-Monopol des Staates jedoch fallen. "Verglichen mit dem Weltmarkt und Großerzeugern sind diese kleinen Unternehmen jedoch ohne Modernisierung der Anlagen nicht konkurrenzfähig", bilanziert Senn.
Die Gefahr, dass ein verstärkter Einsatz von Bioethanol im Straßenverkehr den Welthunger ansteigen lässt, sehen die beiden Forscher nicht. "Bislang verwerten Deutschlands Brennereien lediglich Überschüsse aus der Agrarproduktion", betonte Senn. Gleichzeitig sei dies jedoch auch ein limitierender Faktor. Durch Bioethanol könne nur zehn bis 20 Prozent des Kraftstoffbedarfes abdeckt werden. Doch das gilt laut Christof Wetter für alle Formen der Bioenergie im Vergleich zum Gesamtenergiebedarf.
Genau in die andere Richtung tendiert die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina: Sie sieht die weitere Nutzung von Bioenergie äußerst kritisch. Sie könne als nachhaltige Energiequelle für Deutschland heute und in Zukunft keinen quantitativ wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten. Vorrang sollte stattdessen die Einsparung von Energie sowie die Verbesserung der Energieeffizienz haben. (ng/beg/dpa)
Forscher fordern: Statt E10 soll es E20 an der Tankstelle geben
Weil Deutschland in der Produktion von Bioethenol "besonders gut" abschneidet, soll aus Zapfsäulen möglichst schnell E20 statt E10 fließen, finden Dr. Thomas Senn und Prof. Christof Wetter.