Aral kann sich nicht über mangelnde Präsenz in den Medien beklagen. So ganz glücklich dürfte man in Bochum jedoch nicht sein, denn es hagelte überwiegend Kritik. An der Ankündigung, mögliche Strafzahlungen wegen des schlechten E10-Absatzes an die Kunden weiterzugeben, arbeiteten sich Medien- und Politikbetrieb ab. Anlass für die nächste Kritikwelle auf vielen Kanälen bot dann das neue Provisionsmodell, welches Aral nun intensiver testen will. Da versucht der Marktführer höhere Spritpreise durchsetzen, lautete meistens der Tenor. Besonders harsch kritisierte Reiner Haselhoff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, die deutsche BP-Tochter. Der CDU-Politiker erklärte der Nachrichtenagentur AFP, dass er das getestete Provisionsmodell für die Aral-Tankstellenbetreiber für "wettbewerbsrechtlich bedenklich" halt. Er nahm damit Bezug auf "Die Welt", die berichtet hatte, Tankstellenbetreiber bekämen eine höhere Provision (2,4 Cent pro Liter), wenn sie Benzin und Diesel nach einer Preiserhöhung über einen möglichst langen Zeitraum teuer verkaufen. Teuer bedeutet: Der Kunde bezahlt zwei Cent mehr pro Liter – im Vergleich zum Referenzpreis, den Aral für die Region ermittelt hat. Landesvater Haseloff ließ sich noch zitieren, dass die hohen Spritpreise ohnehin schon eine Belastung für die Autofahrer seien. "Es ist nicht einzusehen, dass sie zusätzlich noch für höhere Provisionen aufkommen sollen", erklärte der Ministerpräsident. Daher lasse er den Vorgang derzeit auf seine Zulässigkeit hin prüfen. Er sei zugleich "guter Hoffnung, dass das Modell im Markt scheitern wird". Andere vermengen in dieser Diskussion E10-Absatz und Provisionsmodell, moniert Dr. Michael Steinhauer, von der Kanzlei Kapellmann und Partner, auf dem Justiznachrichtenportal "Legal Tribune Online". Das führt zu falschen Schlussfolgerungen und reinem Populismus, findet der Rechtsanwalt, der Mineralölfirmen zu Mineralölvertrieb und Tankstellenrecht berät. Nüchtern stellt der Experte fest: "Doch weder erhöht das Testprojekt von Aral im Wege eines neue Vergütungssystems dauerhaft und allgemein die Benzinpreise, noch steht das Vergütungssystem in einem Zusammenhang mit einer eventuellen Anhebung der E5-Preise zum Ausgleich erwarteter Strafzahlungen aufgrund des mangelnden Absatzes von Biosprit. Diese Einschätzung leuchtet ein, wenn man das Vertriebssystem an Tankstellen versteht, das maßgeblich durch kartellrechtlich zwingende Regelungen beeinflusst wird." Steinhauer begründet seine Meinung damit, dass die Mineralölkonzerne die Kraftstoffpreise selbst festlegen. Das geht, weil sie Verwalter (Betreiber) als Handelsvertreter oder Kommissionäre an den Tankstellen einsetzen. Auf diese Weise können die Mineralölkonzerne ihre Preisvorgaben in kartellrechtlich zulässiger Weise umsetzen. Die Mineralölgesellschaften verpflichten ihre Betreiber, die Kraftstoffpreise der umliegenden Wettbewerbstankstellen regelmäßig zu kontrollieren und zu melden. Nur so lässt sich auf Preiserhöhungen oder -senkungen schnell reagieren. Rechtsanwalt Steinhauer weist darauf hin: Plant Aral nun das Vergütungssystem an Tankstellen zu ändern, bedeutet das kein Abschied von der Vertriebsstruktur. Aral will Gewinne erwirtschaften. Das klappt, richte sich der Verkaufspreise ideal an der Nachfrage aus. Das könne ein Tankstellenpächter aber nicht leisten, findet er. Aral wird also weiter die Preise vorgeben. In einem geänderten Vergütungssystem sieht Steinhauer, das Angleichen der Interessen von Betreibern und Gesellschaft. Er erklärt: "Derzeit erfolgt die Vergütung der Vertriebspartner überwiegend durch preisunabhängige, das heißt an den tatsächlichen Absatz von Kraftstoffen anknüpfende Provisionen. Nachteil dieser Regelung ist jedoch, dass das Interesse des Tankstellenverwalters entgegengesetzt zu den Interessen des jeweiligen Mineralölkonzerns verläuft. Während der Tankstellenverwalter aufgrund des Vergütungssystems an niedrigen Kraftstoffpreisen interessiert ist, um höhere Absatzzahlen und damit höhere Provisionen zu erreichen, streben Mineralölkonzerne möglichst hohe Verkaufspreise an, um ihre Gewinnmarge zu erhöhen." Für Steinhauer kann deswegen ein effizienterer Vertrieb von Kraftstoffen herauskommen. Und die möglichen Folgen davon sieht er so: "Eine spürbare Auswirkung auf die Kraftstoffpreise wird eine geänderte Vergütungsstruktur jedoch nicht haben, denn die an einen Tankstellenverwalter zu zahlenden Provisionen machen in der Regel weniger als ein Prozent des Kraftstoffpreises aus. Sofern Aral meint, der Konzern würde keine Gewinneinbußen erleiden, wenn er die Kraftstoffpreise erhöht, stellt sich doch die Frage, warum man dies nicht bereits getan hat. Eine Erhöhung der Kraftstoffpreise ist dem Konzern unbenommen, er braucht dafür keinen komplizierten Umweg über die Änderung des Vergütungssystems." (lto.de/AFP/kak)
Expertenmeinung zum Aral-Provisionsmodell: Politik und Medien liegen falsch
Rechtsanwalt Dr. Michael Steinhauer, Spezialist für Mineralölvertrieb und Tankstellenrecht, moniert auf dem Justiznachrichtenportal "Legal Tribune Online", dass Missverständnisse die Diskussion über das geplante preisabhängige Vergütungssystem von Aral bestimmen.