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E-Fuels: Sind synthetische Kraftstoffe die Zukunft?

10.08.2018 15:54 Uhr
E-Fuels: Sind synthetische Kraftstoffe die Zukunft?
Zur Herstellung von E-Fuels wird im ersten Schritt Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten.
© Foto: artemegorov/stock.adobe.com

Ein Erreichen der Klimaschutzziele bis 2050 ist laut mehreren Studien nur dann zu schaffen, wenn synthetische Kraft- und Brennstoffe, sogenannte E-Fuels, eine entscheidende Rolle übernehmen. Das würde auch den Fortbestand der Tankstellenbranche sichern.

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2.500 Terawattstunden (TWh) – so hoch ist aktuell der Endenergiebedarf in Deutschland. „Dabei liegt der derzeitige Anteil von Wind- und Sonnenenergie gerade einmal bei 150 TWh“, stellte Thorsten Herdan, Abteilungsleiter Energiepolitik – Wärme und Effizienz im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), auf dem Handelsblatt DialogE-Fuels“ Ende Juni in Berlin fest. Insgesamt wurde in Deutschland 2016 nur rund 14,8 Prozent des Bruttoendenergieverbrauchs mit erneuerbaren Energien erzeugt. Das ist noch schlechter als der EU-Schnitt von ­17 Prozent.

„Wir müssen uns überlegen, welche verschiedenen Pfade für welche Anwendungen in einem gesamten kosteneffizienten Ansatz Sinn machen – und zwar nicht deutschlandweit, sondern europa-, wenn nicht sogar weltweit“, machte Herdan klar. Das Ziel dieser Überlegungen ist politisch vorgegeben: Laut im November 2017 beschlossenem Klimaschutzplan der Bundesregierung müssen bis 2030 die Treibhausgasemissionen in Deutschland um mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990 gesenkt werden. Deutschlands Langfristziel ist es, bis zum Jahr 2050 weit­gehend treibhausgasneutral zu werden.

Verschiedene Studien haben sich in jüngster Zeit damit auseinandergesetzt, wie diese Ziele erreicht werden könnten. Die Deutsche Energieagentur (Dena) hat etwa untersucht, wie bis 2050 eine Reduktion des CO2-Ausstoßes um 80 beziehungsweise 95 Prozent erreicht werden könnte. Dabei haben die Studienautoren zum einen ein Elektrifizierungsszenario betrachtet, bei dem von einer forcierten und weitreichenden Elektrifizierung durch Elektromobilität oder elektrische Wärmepumpen ausgegangen wird. Auf den Mobilitätssektor bezogen, hätte das eine hohe Quote an batterieelektrischen Fahrzeugen zur Folge.

Zum anderen untersuchten sie das Technologiemixszenario, bei dem verschiedene Energieträger nebeneinander eine Rolle spielen. In der Mobilität würden neben batterieelektrisch- und wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen beispielsweise auch weniger CO2-intensive Gasfahrzeuge zukünftig an Bedeutung gewinnen. Langfristig werden konventionelle ­Brennstoffe zudem durch synthetische Brennstoffe substituiert. Der hierfür benötigte Strom wird zunehmend durch erneuerbare Energien bereitgestellt.

Energieverbrauch senken
„Der Energieverbrauch muss durch um­fassende Energieeffizienzanstrengungen deutlich in allen Sektoren reduziert werden“, beschrieb Jürgen Kruse, Leiter Wissen­schaftskommunikation bei ewi Energy Research & Scenario, auf dem Handelsblatt Dialog die erste logische Maßnahme zur Erreichung der Klimaziele. Das ist etwa im Mobilitätssektor durch effizientere Motoren möglich. Zweite Forderung der von ihm präsentierten Dena-Studie ist, den Ausbau und die Integration erneuerbarer Energien zu forcieren.

Als dritte Maßnahme nennt die ­Untersuchung den Einsatz synthetischer erneuer­barer Energieträger. Diese sogenannten E-Fuels (Definition siehe rechts) spielen in allen Szenarien eine Rolle. „Je höher die Klimaschutzziele, desto mehr Power-to-X (PtX) muss eingesetzt ­werden“, betonte Kruse in seinem Vortrag. Damit E-Fuels tatsächlich den CO2-Ausstoß ­reduzieren, müssen bei ihrer Herstellung allerdings erneuerbare Energien eingesetzt werden. Das muss nicht in Deutschland geschehen, sondern ist auch in den Ländern möglich, in denen die Bedingungen dafür deutlich günstiger sind.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt die Studie „Status und Perspektiven flüssiger Energieträger in der Energiewende“, die das Institut für Wärme und Oeltechnik (IWO), die Mittelständische Energiewirtschaft Deutschland (MEW), der Mineralölwirtschaftsverband (MWV) sowie der Uniti Bundesverband mittelständischer Mineralölunternehmen beim Wirtschaftsforschungs- und Beratungsunternehmen Prognos, dem Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik Umsicht und dem Deutschen Biomasseforschungszentrum (DBFZ) in Auftrag gegeben haben. Die Autoren betrachten darin ein Referenzszenario mit einer CO2-Reduktion um 60 Prozent bis 2050 mit den Szenarien, bei denen der Ausstoß um 80 beziehungsweise 95 Prozent gesenkt wird.

„Die Kernaussage unserer Untersuchung ist, dass E-Fuels notwendig für eine CO2-neutrale Zukunft sind“, fasst MEW-­Geschäftsführer Steffen Dagger zusammen und ergänzt: „Unsere Prognos-Studie legt dar, dass in Teilen des Mobilitätssektors, im Wärmemarkt und in der chemischen Industrie flüssige synthetische Energieträger nicht oder nur schwer zu ersetzen sind.“ Die Vorteile der synthetischen flüssigen Kraft- und Brennstoffe insbesondere für die Mineralölbranche liegen auf der Hand: Sie können auf allen Stufen wie konventionelle Kraftstoffe ­eingesetzt, genutzt und gehandelt werden.

Konkret bedeutet das: Sie lassen sich in Tanklägern auf­bewahren, sie können in Schiffen und Kesselwagen transportiert und wie fossile Kraftstoffe in Tankstellen verkauft werden. „Insofern kann unsere Branche weiterhin ihre Funktion als Energieversorger beibehalten und sogar die bestehenden Infrastrukturen unseres Geschäftsmodells weiterhin nutzen“, betont Dagger. Auch für den Verbraucher ändert sich nichts: E-Fuels sind ­fossilen Kraftstoffen von null bis 100 Prozent beimischbar und in konventionellen Motoren einsetzbar. Der Energiegehalt und damit die Reichweite sind vergleichbar, da E-Fuels passgenau synthetisch hergestellt werden.

Dass E-Fuels in herkömmlichen Motoren funktionieren, sieht auch Michael Sterner, Professor für Energiespeicher und Energiesysteme von der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg, als Vorteil. Allerdings weisen strombasierte Kraftstoffe derzeit einen Gesamtwirkungsgrad von nur 20 bis 30 Prozent auf, Elek­tromobilität dagegen von 70 Prozent. Aber auch Autos mit normalem Verbrennungsmotor seien eigentlich ineffizient, da sie nur 25 Prozent des getankten Kraftstoffs ausnutzen würden.

Im Personenkraftverkehr und insbesondere bei Kurzstrecken ist daher laut Sterner Elektromobilität die effizienteste Variante, um CO2-neutral zu fahren. Beim Schiffsverkehr, beim Lkw-Fernverkehr und beim Fliegen werde es hingegen ohne E-Fuels nicht gehen, ­zeigte sich der Wissenschaftler in einem Interview überzeugt.

Ob es überhaupt möglich ist, ausreichend Strom aus erneuerbaren Energien für die notwendige Menge E-Fuels zu produzieren, bezweifelt der europäische Dachverband von Umweltverbänden, Transport & Environment (T & E). Er hat beim Beratungsunternehmen Cerulogy eine ­Studie in Auftrag gegeben, die zu dem Schluss kommt, dass E-Fuels nur in begrenzter Menge vor allem für die Verwendung in der Luftfahrt zur Verfügung stehen. Um den Straßengüterverkehr mit Strom aus erneuerbaren Quellen zu versorgen, müsste die EU 1,5-mal die gesamte aktuell produzierte Strommenge erzeugen. Eine derartige Mengenerweiterung sei unrealistisch, kommt T & E zum Schluss.

Diesem Standpunkt widerspricht die Dena-Studie: Es bestehe ausreichendes europäisches und weltweites Potenzial zur erneuerbaren Stromproduktion, um den langfristigen Bedarf an Transportenergie und E-Fuels zu decken. Hierzu wäre ein starker Ausbau der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien erforderlich.

Und welcher Preis stünde letztendlich am Preismast? Aktuell belaufen sich die Kosten für E-Fuels auf bis zu 4,50 Euro pro Liter Dieseläquivalent. Ein Zielkosten­niveau von circa einem Euro pro Liter ­Dieseläquivalent erscheine mit Importen aus Regionen mit hohem Angebot an Sonne oder Wind aus heutiger Perspektive erreichbar, so die Experten von Dena und LBST. Die Prognos-Studie geht davon aus, dass Power-to-Liquid im Jahr 2050 zu Kosten zwischen 70 Cent je Liter bei opti­malen Standortbedingungen und rund 1,30 Euro je Liter erzeugt werden können. Damit wäre PtL laut der Studienautoren für Verbraucher je nach Anwendung gegenüber rein strombasierten Lösungen preislich wettbewerbsfähig.


Markthochlauf fördern
Diese Preise können aber nur dann erreicht werden, wenn Deutschland ­E-Fuels im großen Maßstab produziert. Hierzu nennt die Prognos-Studie verschiedene Handlungsoptionen, die dafür notwendig sind, die Markteinführung zu unterstützen und relevante Mengen zu produzieren (siehe Kasten unten). Eine Maßnahme ist der Bau von Anlagen im großtechnischen Maßstab. Für die ersten Anlagen wären dabei weit höhere Investitionen erforderlich als für die Folgeanlagen. Um in dieser ersten Phase Investitionen anzureizen, könnten Ausschreibungsmodelle ein geeignetes Mittel sein, zudem müssen Regulierungs- und Finanzierungsrahmen entwickelt werden.

„Großmachen im Sinne des Economy of Scale (Skaleneffekte) ist ­wichtig“, betonte deshalb Gabriele Schmiedel, Leite­rin von Hydrogen Solutions bei Corporate Technology Siemens, auf dem Handelsblatt Dialog. Siemens sei aktuell in der Lage, Anlagen bis 100 Megawatt zu bauen, die nächste Generation von dreistelligen Megawattanlagen sei in Arbeit. Damit Deutschland als Standort Vorreiter beim Thema E-Fuels sein kann, forderte Schmiedel von der Politik, sich über ­Limitierungen etwa bei den Betriebsstunden, in denen grüner Wasserstoff generiert werden dürfe, Gedanken zu machen. „Wenn wir das Thema mit Mut, Energie und Einsatz angreifen, können wir schon in gewissen Ecken Blaupause für die Welt sein, ansonsten wird es schwierig“, sagte die Siemens-Vertreterin.

„Dass die Welt rein mit erneuerbarem Strom zu retten wäre, das glaubt heute keiner mehr“, sagte BMWi-Abteilungsleiter Herdan. Und auch die Autoren der Dena- und Prognos-Studien halten den rein elektrischen Weg nicht für zielführend. „Der Weg eines breiten Technologiemixes ist kostengünstiger und robuster als nur auf eine starke Elektrifizierung zu setzen“, nannte Kruse eine der Schlussfolgerungen aus der Dena-Studie. Robuster, weil man nicht nur auf ein Pferd, sondern auf mehrere Technologien setze. Günstiger, weil beim technologieoffenen Mix weniger kapitalintensive Ausgaben für den Ausbau der Verteilnetze, die Anlagen, Elektrofahrzeuge, Wärmepumpen und Gebäudesa­nierung notwendig seien.

Dieser Schlussfolgerung stimmt auch MEW-Geschäftsführer Dagger zu: „Wir als Mineralölwirtschaft insgesamt ­werben dafür, dass die Politik technologieoffene Lösungen in ihre Überlegungen für die Ausgestaltung der Energiewende mit einbezieht.“

(Autorin: Annika Beyer; Der Artikel erschien in Sprit+ Ausgabe 8/2018.)

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Definition E-Fuels
Synthetische Kraftstoffe – auch E-Fuels genannt – werden im Gegensatz zu Benzin und Diesel nicht aus Erdöl, sondern aus erneuerbarem Strom etwa aus Solar- oder Windenergie und CO2 gewonnen. Sie können aus fossilen Quellen und Biomasse oder aus CO2, Wasser und regenerativ erzeugtem Strom hergestellt werden. Werden E-Fuels aus Biomasse oder regenerativen Energien gewonnen, ist ihre CO2-Bilanz nahezu neutral, da nur so viel CO2 ausgestoßen wird, wie für ihre Produktion gebraucht wurde. Das benötigte CO2 kann dabei entweder direkt aus der Atmosphäre gewonnen oder bei Industrieprozessen wie der Stahlproduktion abgefangen werden.
Die Verfahren zur Herstellung von E-Fuels werden unter anderem als Power-to-Liquid (PtL), Power-to-Gas (PtG) oder Power-to-X bezeichnet. Bei PtG wird Wasserstoff sowie Methan, bei PtL flüssiger Kraftstoff mithilfe von Strom bereitgestellt. Ihnen gemeinsam ist die Wasserelektrolyse als erster technischer Schritt. Hierbei wird mit Strom Wasser (H2O) in Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2) gespalten. Der bereitgestellte Wasserstoff kann direkt oder als Speichermedium für energetische und stoffliche Anwendungen genutzt werden. Darüber hinaus kann aus Wasserstoff in einer katalytischen Synthese – oder in einer biologischen Synthese in Biogasanlagen – mit Kohlendioxid (CO2) Methan erzeugt werden. Zur Herstellung wird zunächst ein Wasserstoff/Kohlenmonoxid- oder Wasserstoff/Kohlendioxid-Gemisch erzeugt und in einer Synthese zu Kohlenwasserstoffen umgewandelt. Hierfür stehen verschiedene Synthesen, zum Beispiel die Fischer-Tropsch-Synthese oder die Methanolsynthese, zur Verfügung.

(Quellen: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Positionspapier des Umweltbundesamtes „Integration von Power to Gas/Power to Liquid in den laufenden Transformationsprozess“)


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