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Zusatzgeschäft Wohnmobil vermieten: Urlaub ab der Tankstelle

02.08.2023 00:01 Uhr | Lesezeit: 4 min
Ein Wohnmobil vor einer HEM Tankstelle
Dieses Wohnmobil vermietet Julia Eitze-Klapproth im Harz.
© Foto: Bistro 79

Caravaning boomt (noch immer). Einige Tankstellen fahren mit einer Wohnmobilvermietung auf dieser Erfolgswelle mit. Wie läuft das Zusatzgeschäft, was muss man beachten?

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Corona hat dem Reisemobilmarkt Rekordzahlen beschert – und die Freude der Deutschen am Reisen mit Wohnmobil und -wagen hielt auch an, als die Grenzen längst wieder für fernere Reisen geöffnet und Restriktionen gefallen waren: Rund 20 Millionen Menschen interessierten sich 2022 hierzulande für das Thema Caravaning, wie die Unternehmensberatung gsr mit dem Marktforschungsinstitut Miios ermittelt hat – und davon jeder Zweite für das Mieten eines fahrbaren Eigenheims auf Zeit.

Der Caravaning Industrie Verband (CIVD) vermeldete zudem Anfang des Jahres, dass 2022 in Deutschland rund 91.000 Reisemobile und Caravans neu zugelassen wurden – dabei handelt es sich um das dritthöchste Ergebnis der Branchengeschichte. Die beiden Spitzenreiterjahre waren, na klar, 2020 und 2021. In den Augen des CIVD liegt der Rückgang vor allem an Lieferschwierigkeiten.

Laut "Focus Caravaning Business Report 2023" von gsr und Miios stellt sich der Caravaning-Handel nach Jahren des Wachstums allmählich auf eine leichte Abkühlung ein – allerdings auf immer noch hohem Niveau: Das Marktvolumen für den Caravaning-Markt in Deutschland beziffern die Studienautoren auf rund 15,5 Milliarden Euro.

Wachsende Vermietflotte im Ruhrgebiet

Kein Wunder, dass auch einige Tankstellenbetreiber auf die Idee kommen, mit einer Wohnmobil- oder Wohnwagenvermietung einen Teil von diesem Kuchen abzugreifen. Björn Klein zum Beispiel, der seit 18 Jahren im Tankstellengeschäft im Ruhrgebiet tätig ist. Wobei der 47-jährige Unternehmer mit fünf Shell Stationen in Dinslaken und Oberhausen und 60 Mitarbeitern bereits 2018 und damit vor Corona seine Wohnmobilvermietung startete.

Klein ist selbst leidenschaftlicher Camper. Vor fünf Jahren hat er beschlossen, es besser zu machen als manch andere Anbieter, zumal Klein bereits Erfahrung mit der Vermietung von Anhängern und Sprintern hatte. Er fuhr auf den Caravan Salon in Düsseldorf und orderte kurzerhand Fahrzeuge. "Blauäugig", wie er rückblickend sagt. Aber offenbar auch mit dem richtigen Riecher: "Ich bin mit einem Wohnmobil gestartet, im Jahr darauf hatte ich drei, dann fünf Fahrzeuge – jetzt sind es sechs geleaste Wohnmobile", erzählt der zweifache Familienvater. Er konzentriert sich mittlerweile auf das Saisongeschäft von März bis Oktober. Versichert sind die Fahrzeuge bei der Generali über einen Flottenvertrag, der eine Selbstfahrer-Vermietversicherung ermöglicht.

Kalkulation über die gesamte Haltedauer

Wer bei einer der BK Stationen von Klein tankt, erfährt auf Flyern vom Reisemobilservice. Auch auf Bannern, Online-Camperbörsen und einer eigenen Webseite ist Klein präsent. Während Corona hat er seine Fahrzeuge auch mal abendweise verliehen: für "Draußen-Dinner", die damals einen Restaurantbesuch ermöglichten. Heute verleiht er ab ein paar Tagen bei 300 Freikilometern pro Tag, während der Ferien ab einer Woche – dann ohne Kilometerbegrenzung.

Die Fahrzeugausgabe übernimmt Klein meist selbst. "Die Fahrzeuge sind benutzerfreundlich und schnell erklärt", sagt er. Unterwegs erreichen Mietkunden Klein bei Notfällen rund um die Uhr. Kommen die Fahrzeuge zurück, kontrolliert er wie bei einer klassischen Fahrzeugvermietung das Auto auf Schäden. "Bislang waren zum Glück immer nur Kleinigkeiten kaputt – ein Griff, der Wasserhahn", erzählt Klein. Für solche Fälle hat er ein Lager mit Ersatzteilen, zur Not hilft auch sein Netzwerk mit anderen Tankstellenbetreibern aus, die auch Wohnmobile vermieten. "Sauberkeit ist das Wichtigste", betont er. Mit seiner eigenen Fahrzeugaufbereitung ist Klein da gut aufgestellt.

Er ist zufrieden mit dem Umsatz, auch in der Post-Corona-Ära. Im ersten Jahr verdiene man aber noch nicht, gibt Klein zu bedenken. "Ein Wohnmobil kostet circa 9.000 Euro im Jahr inklusive Leasingrate, Versicherung, Wartung und Kosten für das Reinigungspersonal", rechnet er vor. "Also muss man jährlich mindestens 10.000 Euro erwirtschaften und dafür die nötige Auslastung der Fahrzeuge über die Haltedauer kalkulieren – in meinem Fall vier Jahre. Dazu kommt dann noch der Erlös aus dem Verkauf des Fahrzeugs, wenn man es am Ende der Leasingzeit ablöst und veräußert."

Handwerker, Paare und Familien mit Hund

Gelegentlich fragen Handwerker bei Klein für die Wohnmobile an, 90 Prozent seiner Mietkunden sind Familien und Pärchen – oft auch mit Hund an Bord, für den eine spezielle Hundebox bereitsteht. Der Großteil ist Laufkundschaft, inzwischen buchen aber auch viele Wiederholungstäter bei Klein. Das freut ihn, denn mit erfahrenen Kunden ist für ihn die Abwicklung einfacher.

Im Vergleich zur klassischen Vermietung erkennt Klein mehrere Vorteile für seine Mietkunden: "Meine Fahrzeuge sind komplett bestückt mit Tisch, Stühlen und Geschirr. Außerdem können meine Kunden das Fahrzeug jeden Tag abgeben, nicht nur werktags – denn meine Tankstelle ist immer geöffnet." Und da man gemietete Fahrzeuge vollgetankt zurückbringen muss, können seine Kunden direkt an seiner Station bei der Abgabe tanken. Ganz nebenbei profitieren Kleins Kunden davon, dass er selbst Camper ist. Gerne gibt er Tipps und freut sich im Gegenzug über Fotos, die ihm seine Kunden von unterwegs schicken.

Man merkt im Gespräch schnell: Das Wohnmobil-Geschäft macht Klein einfach Spaß. "Ich mache das gerne, habe mit Menschen in Urlaubsstimmung zu tun und es ist ein netter Nebenverdienst", erklärt er. Den Aufwand hält er in den Saisonmonaten für gering, rechnet nach seinen Bürozeiten eine Stunde für die Übergabe ein, gibt aber auch zu, dass zu bestimmten Ferienzeiten die Tage auch mal länger werden können, wenn die Mietgäste etwa im Stau stehen. Und zum Gesamtbild gehöre zwar auch mal Ärger mit Kunden, aber der komme nur bei einigen wenigen vor.


Zehn Tipps für angehende Wohnmobilvermieter

In unserer Rubrik Marktübersichten finden Sie Tipps für das Vermieten. Zur Übersicht gelangen Sie mit einem Klick hier. 



Übernahme eines Insolvenzbetriebs

Man muss aber kein überzeugter Camper sein, um erfolgreich als Tankstellenbetreiber ins Wohnmobilvermietgeschäft ein-zusteigen. Julia Eitze-Klapproth ist das beste Beispiel: Sie betreibt in der zweiten Generation mit dem Bistro 79 einen Familienbetrieb, der eine HEM Tankstelle mit Bistro in Dardesheim im Landkreis Harz in Sachsen-Anhalt umfasst.

Mit der Übernahme des Unternehmens im März 2020 stieg sie in das Wohnmobil-Business ein – obwohl sie bis dahin keine Berührung mit dem Thema Caravaning hatte. Eitze-Klapproth wurde gefragt, ob sie eine Wohnmobilvermietung eröffnen wolle, die Insolvenz angemeldet hatte. Ihre Entscheidung fiel schnell: "Ich bin immer für Innovationen zu haben", so Eitze-Klapproth. "Als Eigentümerin kann ich so eine Entscheidung natürlich leichter treffen als eine Pacht-Tankstelle."

Los ging es im Corona-Jahr 2020 mit einem Fahrzeug. Nachdem das Wohnmobil aber dann im Sommer direkt durchgängig gebucht war, folgten weitere. Heute bietet Eitze-Klapproth ganzjährig drei Wohnmobile an, ein viertes kommt im Herbst dazu. Die komplett ausgestatteten Fahrzeuge – mit Zubehör von Messer bis Kabelrolle – stehen an der 24-Stunden-Station in Dardesheim. Werbung für ihr Reisemobilangebot macht sie durch Zeitungsannoncen, Social Media, Flyer und eine Webseite. Eitze-Klapproth finanziert die wintertauglichen Fahrzeuge und plant mit einer Haltedauer von drei bis sechs Jahren. Die Kunden können bei einer Mindestdauer von einer Woche buchen, 250 Kilometer am Tag sind dabei frei.

„Gutes, aber hartes Zusatzgeschäft“

"Es ist ein gutes, aber auch ein hartes Zusatzgeschäft. Ich lege großen Wert auf Sauberkeit, pro Fahrzeug sind sechs Stunden für die komplette Reinigung inklusive Desinfektion daher normal", bilanziert Eitze-Klapproth nach den ersten drei Jahren. Die Übergabe der Fahrzeuge übernimmt die Unternehmerin meist selbst, ebenso die Rückgabe, wobei die Kunden das Fahrzeug jederzeit an der Tankstelle abstellen können. Auch sie ist über eine 24-Stunden-Hotline bei Notfällen erreichbar und freut sich über das eine oder andere Video oder Foto von ihren Kunden aus dem Urlaub. "So reise ich virtuell immer ein wenig mit", freut sie sich.

Eitze-Klapproth stockt ihre Flotte weiter auf, das Geschäft lohnt sich also. Noch. "Mal sehen, wie lange der Caravaning-Trend anhält, zumal die Fahrzeuge immer teurer werden", gibt sie zu bedenken. Für ein Wohnmobil guten mittleren Standards, wie Eitze-Klapproth es ordert, gibt sie Brutto-Kosten von 85.000 Euro an.

Gelegentliche Schäden erhöhen den zeitlichen und finanziellen Aufwand, wenn Werkstatt, Gutachter und Versicherung eingebunden werden müssen. "Außerdem sind einige Teile derzeit kaum lieferbar", ergänzt sie eine Herausforderung. Dennoch lautet ihr Fazit: "Das Wohnmobilgeschäft macht Spaß, auch wenn es – gerade im Sommer – anstrengend ist. Man lernt nette Leute kennen und sieht zu 99,5 Prozent zufriedene Gesichter. Die meisten mieten wieder."

Eine Bekanntschaft sorgte für besonders große Freude, vor allem für ihren Ehemann, der großer Lindenstraßen-Fan ist: Denn auch eine deutsche Schauspielerin, die lange in der beliebten ARD-Serie mitgespielt hat, hat bereits bei Eitze-Klapproth ein Fahrzeug gebucht.

War Klein bereits schon vorher Camper, kam die Begeisterung fürs Campen bei Eitze-Klapproth erst durch das Vermiet-Business auf. Die 18-jährige Tochter bleibt zwar lieber zu Hause, aber inzwischen verbringt sie mit ihrem Mann und ihrem neunjährigen Sohn häufiger auch mal ein verlängertes Wochenende oder eine kurze Ferienwoche in einem ihrer Wohnmobile. So wurde sie also berufsbedingt zu einer der 20 Millionen Caravaning-Interessierten …


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