Die EU-Kommission teilte am 17. Oktober mit, dass John Dalli (64) bekannt war, dass ein Bekannter von ihm eine hohe Bestechungsgeldsumme von der Tabakindustrie forderte. EU-Kommissar Dalli hat darüber geschwiegen. Sein maltesischer Landsmann verlangte von einem Tabakwarenhersteller Geld, damit Dalli die geplante EU-Tabakgesetzgebung ändere. Kommissionssprecherin Pia Ahrenkilde Hansen sagte in Brüssel: Dalli sei zurückgetreten, nachdem Kommissionspräsident José Manuel Barroso ihn über einen Ermittlungsbericht vom Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung – kurz Olaf (Office Européen de Lutte Anti-Fraude) genannt - informiert habe.
Dalli widersprach. "Ich bin zum Rücktritt aufgefordert worden", sagte er am 17. Oktober der Zeitung "New Europe“ zu seinem Gespräch mit Barroso. Sein Wunsch: Er will in und mit der Kommission weiter an der Verschärfung der EU-Richtlinie für den Verkauf von Zigaretten und anderen Tabakprodukten arbeiten.
Er bestritt den Vorwurf, von Geldforderungen an die Tabakindustrie gewusst zu haben. "Die Tatsache, dass die neue Richtlinie jetzt nicht kommt, ist ein großer Sieg für die Tabakindustrie." Am 22. Oktober hätten mehrere Dienststellen der Kommission letzte Hand an den Entwurf der neuen Tabakproduktrichtlinie (TPD) legen sollen. Geplant ist beispielsweise eine Einheitszigarette im vorgeschriebenen King-Size-Format. Eine Art Einheitspackung droht, da nur 20 Stück in der Schachtel stecken dürfen und Schockbilder 75 Prozent der Packungsfläche einnehmen sollen (siehe Ausgabe 10/12 vom tankstellen markt).
Barroso ließ mitteilen: Er hoffe, dass Malta bald einen neuen Kommissar ernenne. Und die Affäre werde sich nicht auf den Inhalt der neuen TPD auswirken.
Gegen den Kommissar ermittelt
Laut Olaf hat ein maltesische Unternehmer gegenüber Vertretern der Tabakindustrie behauptet: Er kenne Dalli gut und könne versuchen, die TPD gegen Geldzahlung zu ändern. "Wir reden hier nicht über ein Beraterhonorar für einen Lobbyisten, wir reden über eine sehr beachtliche Summe", sagte Olaf-Generaldirektor Giovanni Kessler.
"Der Kommissar wusste, was vorging. Und er tat nichts dagegen. Da sind wir uns ganz sicher", betonte der Chef-Ermittler. Er bestätigte, dass tatsächlich kein Geld floss. Der schwedische Tabakhersteller Swedish Match hatte sich bei der Kommission über die Geldforderung beklagt. Die Firma stellt Snus her, eine schwedische Form von Lutschtabak, der in der EU – außer in Schweden - verboten ist.
Kessler wies auf jährlich 1.300 Anzeigen bei seiner Behörde hin: "Natürlich fragen wir uns immer, ob es da eigene Interessen gibt, ob es üble Nachrede ist und was die Motive sind." Die Untersuchung sei jedoch sehr ausführlich gewesen: "Am Ende sind wir zu dem bekannten Ergebnis gekommen."
Dalli meinte, die TPD sei in den vergangenen Monaten innerhalb der Kommission nur langsam vorangekommen. "Es wäre ein Jammer, wenn all diese Arbeit umsonst gewesen wäre", verabschiedete sich der Malteser. (dpa/kak)