Die Polit-Powerfrau Merkel hat der deutschen Autoindustrie nur eine Atempause verschafft. Durch das ultimative Beharren der deutschen Bundeskanzlerin wurde jüngst die Emissionsvorgabe der EU zur Festsetzung schärferer Grenzwerte ab 2020 gemildert. Aber nicht wirklich entscheidend verwässert, wie ihr die Kritiker vorwerfen. Auf europäischer Ebene wird wohl an dem deutschen Durchsetzungsvermögen herumgemäkelt und insgeheim an neuen Vorschriften gestrickt.
Aber Angela Merkel ist Realistin und sie weiß, was die deutsche Wirtschaft an ihrer Autoindustrie hat. Und Rupert Stadler, Technik-affiner Audi-Chef, ist weder kalter Kapitalist noch rücksichtsloser Umweltzerstörer, wenn er jetzt vor einer weiteren Verschärfung der Grenzwerte für die Abgase der Autos warnt. Er schätzt die Auswirkungen künftiger Emissionsvorgaben wohl realistisch ein. Und er hört es mit den Ohren seiner Berichterstatter, dass in Brüssel über die deutschen Sonderwege gemault und für eine Änderung gemauschelt wird. Offenbar soll hinter den EU-Kulissen doch weiter an den CO2-Grenzwerten herum gedoktert werden; mit dem Ziel einer weiteren Verringerung und damit einer Verschärfung der Konkurrenzsituation.
Dass die deutschen Autohersteller vor allem mit ihren technisch führenden, aber größeren und schwereren Modellen auf der Gewinn-Seite unterwegs sind, ist kein Geheimnis. Aber nicht zuletzt deshalb haben die deutschen Marken die jüngste Krise auch mit einem nur leicht blauen Auge überstanden. Nicht weniger traditionsstarke Marken in anderen Ländern fuhren mit ihren Kleinwagen direkt in Richtung Pleite und konnten diese gerade noch so vermeiden. In Italien oder Frankreich werden eben nicht mehr in größeren Mengen jene Autos gebaut, die außerhalb von Europa heiß begehrt sind und gut bezahlt werden. Aber mit den leichtgewichtigen Klein- oder Kompaktwagen lassen sich die ambitionierten EU-Grenzwerte auch leichter erfüllen als mit einer Oberklasse-Limousine, einem Sportwagen oder einem gewichtigen SUV. Allerdings kann die deutsche Autoindustrie noch auf die neue EU-Regelung vertrauen, wonach sie ihre Elektroauto-Modelle mehrfach zur Einhaltung der schärferen Grenzwerte ab 2021 anrechnen darf. Deshalb erblühen jüngst die Strom-Modelle aus deutschen Landen mit unerwarteter Vielfalt.
Doch es kranken alle Grenzwert-Vorgaben an einem entscheidenden Nachteil, der sich besonders an den nur zögerlich auf Touren kommenden Elektro-Autos zeigt: Der Markt mit seinen unzuverlässigen Käufern. Er entscheidet zumindest jetzt noch, welche Autos in welchen Mengen mit welchen Emissionen tatsächlich auf die Straßen kommen. Die Autoindustrie zum Sündenbock zu machen, der die falschen Produkte anbietet, das hat sich nicht bewährt. Stellt euch vor, es gibt Elektroautos beim Händler um die Ecke, und keiner geht hin.
Jeder neue Grenzwert ist nur so gut, wie er von den Käufern gewollt wird. Und Europa zieht mit seinen Zulieferern nicht unbeträchtlichen Nutzen auch aus der deutschen Autoindustrie. Deshalb müssen Grenzwerte erfüll- und finanzierbar sein. (mid/wp)