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Interview: Hand-Reklame

12.08.2017 21:03 Uhr
Interview: Hand-Reklame
Sowohl an der Zapfsäule als auch beim Tanken hat der Kunde die Werbung stets vor Augen.
© Foto: Michael Simon

Vor 20 Jahren entdeckte Sven Wucherpfennig das Potenzial der Zapfsäule als Werbeträger. Inzwischen nutzt fast jede Station die Reklame, die der Kunde in der Hand hält. Doch wie zeitgemäß ist das noch?

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Herr Wucherpfennig, Ihr Unternehmen vermarktet Ihren Angaben zufolge für mehr als 9.700 Tankstellen in Deutschland die Werbeflächen auf der Zapfsäule. Wie konnte es zu einem solchen Marktmonopol kommen?
Als ich 1997 mit der Vermietung von Flächen an der Tankstelle angefangen habe, hat kaum einer darüber nachgedacht, dass Tankstellen so einen Status bekommen werden, den sie heute haben. Die Verlängerung der Ladenöffnungszeiten, die Investitionen, die die Gesellschaften in kleiner werdende Netze gesteckt haben, führte dazu, dass Tankstellen als Werbeorte attraktiver wurden. Wir haben damals mit den Fillboards angefangen; das sind im Grunde kleine Plakate auf der Zapfpistole. In dieser kleinen Nische, Tankstellenwerbung, da ist eigentlich nur Platz für einen. Da wir die Ersten waren, hatten wir einen Vorteil gegenüber anderen. Es gibt zwar noch zwei, drei andere, die aber eher lokal Werbeflächen anbieten.

Wie ist es Ihnen gelungen, diese Nische für sich zu schützen?
Zum einen mithilfe eines sehr guten Services für Mineralölgesellschaften und Tankstellenbetreiber. Dazu zählen eine Hotline, HSSE-zertifizierte Mitarbeiter oder ein Dienstleistungszentrum. Zum anderen durch eine äußerst attraktive Konditionsgestaltung für den Flächeninhaber, also in der Regel die Mineralölgesellschaft. Er bekommt immer 50 Prozent vom Rohertrag, was für unsere Stellplatzgeber ein fairer Deal ist und dementsprechend gewürdigt wird.

Was macht die Fillboards Ihrer Meinung nach so attraktiv für Werbetreibende?
Das eine ist sicherlich, dass der Tankkunde die Werbefläche in die Hand nehmen muss. Das heißt für den Kunden: kein Risiko. Er weiß, jeder, der an dieser Station tankt, sieht seine Werbung. Unsere amerikanischen Freunde haben in den USA rund 25.000 Tankstellen ausgestattet. Bei denen heißt das handheld media. Das beschreibt es ganz gut: Man muss den Tankstutzen bewusst in die Hand nehmen, und man muss draufgucken, es sei denn man tankt mit geschlossenen Augen (lacht). Während des Tankvorgangs hat man die Zapfpistole mindestens vier Mal in der Hand. Das bedeutet, die Kontaktintensität mit der Werbefläche ist extrem hoch. Bezogen auf den 1:1-Kontakt gibt’s keinen effektiveren Werbeträger. Und aus der Marktforschung heraus wissen wir, dass die Leute das Medium nicht als aufdringlich, sondern als sympathisch wahrnehmen.

Was daran liegen mag, dass die Werbung nicht bewusst wahrgenommen wird.
Ja. Wenn man ungestützte Befragungen durchführt, sind die Werte okay. Aber wenn Sie gestützt fragen, kann Ihnen hinterher jeder sagen, wo er die Werbung gesehen hat: auf der Zapfpistole!

Und weshalb ist Werbung auf der Zapfpistole wichtig für Tankstellen?
Heutzutage ist die Werbung auf den Fillboards zu 60 Prozent regional. Regionale Geldinstitute, Automobilhändler und Werkstätten, Recruiting – all das schafft für eine Tankstelle einen regionalen Bezug. Sie muss sehen, dass sie sich in der Bevölkerung verankert und nicht in der Konzernwelt einer Mineralölgesellschaft von Kanada bis Singapur. Und dafür ist lokale Werbung sehr gut.

Funktionieren analoge Werbemittel heutzutage überhaupt noch in Zeiten digitaler Werbung? Das menschliche Auge nimmt ja evolutionsbedingt primär bewegte Bilder wahr.
Ich denke, grundsätzlich haben Sie wahrscheinlich recht, dass die digitale Werbefläche gegen die alte Papierform gewinnt. Nur: Situationsbezogen ist digitale Werbung mitunter kontraproduktiv.

Inwiefern?
Anders als in Amerika, wo die Kunden volltanken und lange an der Zapfsäule stehen, sind wir Deutsche ein Volk von 20-Euro-Tankern. Hierzulande steht der Kunde oft mit dem Gesicht zum Einfüllstutzen und mit dem Rücken zur Zapfsäule. Das macht die Vermarktung von digitalen Werbeflächen an der Säule schwierig. Hinzu kommt: Unter Umständen sucht sich das Auge des Kunden vor lauter digitaler Überfrachtung auch ganz gerne mal einen ruhenden Punkt aus. Die Geschichte wird es zeigen, aber ich glaube nicht, dass die digitale Werbung die analoge komplett verdrängt.

Außenwerbung wächst
Die Netto-Werbeeinnahmen von Außenwerbung (im Branchenjargon „out of home“-Werbung) wächst konstant. Wurden mit Werbeträgern wie Plakat-wänden, Litfasssäulen oder eben Fillboards 2013 in Deutschland  891 Millionen Euro (Mio. €) eingenommen, waren es 2016 bereits 1.033 Mio. €, ergaben die Hochrechnungen von FAW und ZAW, Fachverbänden der Werbewirtschaft. Im gleichen Zeitraum sind die Einnahmen von Tageszeitungen (-391 Mio. €) und Publikumszeitschriften (-220 Mio. €) stark gesunken, während Fernsehen (+434 Mio. €) und Online und Mobile (+256 Mio. €) deutlich zulegten. Die gesamten Netto-Werbeeinnahmen belaufen sich auf 15,36 Milliarden Euro.ms

(Das Gespräch führte Michael Simon. Der Artikel erschien in Sprit+ Ausgabe 8.2017.)

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