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Heiß diskutiert: Verkaufstopp von E10

20.08.2012 15:52 Uhr
Aufgegossen: Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel hat die alte Tank-Teller-Diskusion wieder angeheizt.
Aufgegossen: Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel hat die alte Tank-Teller-Diskusion wieder angeheizt.
© Foto: Michael Gottschalk/dapd

Umweltverbände und Verbraucherschützer unterstützen Entwicklungsminister Niebel bei seinem Vorstoß, den Biosprit abschaffen zu wollen. Die Tank-Teller-Diskussion geht in eine neue Runde.

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Nach Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) fordern jetzt auch die Grünen, Greenpeace und Verbraucherorganisationen ein Umdenken bei der bisherigen Bioenergie-Strategie in Deutschland. "Generell ist Biosprit ein Irrweg, sowohl in Deutschland als auch in den USA, wo bereits rund 40 Prozent der Maisernte für die Ethanolproduktion verwendet werden", sagte der Geschäftsführer der Verbraucherorganisation Foodwatch, Thilo Bode, der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Greenpeace-Agrarexperte Martin Hofstetter sagte mit Blick auf ein E10-Aus: "Angesichts der weltweiten Getreideknappheit macht so ein Schritt Sinn." Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) ist dafür, den Sprit mit zehn Prozent Ethanol zu stoppen. Aber Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) lässt bisher nicht erkennen, dass er eine Abkehr plant.

Weg mit Subventionen?

Foodwatch-Geschäftsführer Bode forderte ein Aus für Bioenergie-Subventionen. "Das würde ja alles gar nicht vonstattengehen, wenn der Steuerzahler nicht zur Kasse gebeten würde, um diese Aktivitäten zu subventionieren." Das Ganze sei "eine Subvention für die Agrarlobby und eine Beruhigungspille für die Autolobby". In Deutschland komme als Problem der massive Maisanbau für tausende Biogasanlagen hinzu. Auch der angebliche Klimaschutznutzen sei inzwischen klar widerlegt, findet Bode.

Die 2011 erfolgte Einführung von E10 geht auf EU-Vorgaben zurück. Die Regierung will durch die Beimischung von Etahanol aus Getreide, Raps und Rüben die Biokraftstoffquote von derzeit 6,25 Prozent erfüllen. Altmaier ging in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" ("FAS") nicht näher auf die E10-Forderungen ein. Er betonte aber, dass Bioenergie, besonders Biomasse, für die Strom- und Wärmegewinnung in Biogasanlagen, sinnvoll sei. Diese sei "ein sehr vielseitiger und zuverlässiger erneuerbarer Energieträger", der eine wichtige Rolle für die künftige Energieversorgung spielen werde. 

FDP-Generalsekretär Patrick Döring äußerte sich wie zuvor Minister Niebel kritisch zum massiven Anbau von Energiepflanzen. "Dass wir wertvolles Ackerland mit Pflanzen bebauen, aus denen Biosprit und Biogas hergestellt werden, ist weder sinnvoll noch nachhaltig", sagte er der "FAS".

Schluss mit Verfeuern von Biomasse

Unionsfraktions-Vize Michael Fuchs pflichtete dem im "Spiegel" bei: "Es kann nicht sein, dass Menschen in vielen Teilen der Welt Hunger leiden, und wir verfeuern gleichzeitig Biomasse, um damit wenig effiziente Energie herzustellen."

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast kritisierte, dass "mit öffentlichen Geldern Monokultur und Raubbau gefördert werden". Alle staatlichen Anreize für den Maisanbau seien abzuschaffen. Der Anbau von Lebensmitteln müsse Vorrang vor der Energiegewinnung haben.

Greenpeace verweist darauf, dass in Deutschland jährlich aus etwa 1,5 Millionen Tonnen Getreide Ethanol hergestellt werde. Zusätzlich importiere Deutschland rund die Hälfte des eingesetzten Ethanols aus dem Ausland: "Insofern entlastet tatsächlich ein E10-Verbot den Getreidemarkt", sagte Hofstetter. Die weltweiten Vorräte an Getreide seien auf 100 Millionen Tonnen geschmolzen. Weltweit aber würden 150 Millionen Tonnen Getreide jährlich zu Ethanol verarbeitet. Ohne die Ethanol-Erzeugung wären die Lager gut gefüllt, sagte Hofstetter. Bäckereien gehen auch für Deutschland von steigenden Preisen aus.

Für Elektroautos

Auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen sieht E10 als gescheitert an. "E10 hat nie funktioniert", sagte Verkehrsreferent Otmar Lell der dpa. Sinnvoller sei es, die CO2-Grenzwerte für Autos zu verschärfen. Mittelfristig führe kein Weg an Elektroautos vorbei.

Das katholische Hilfswerk Misereor erklärte: "Biosprit muss abgeschafft werden, denn er verschärft den Hunger in der Welt." In der "Bild am Sonntag" betonte Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel: "Zum Einen steigen die Preise für Grundnahrungsmittel, wenn wir Mais, Weizen oder Rohrzucker in den Tank kippen. Werden die Lebensmittel zu teuer, hungern Menschen in Kenia oder El Salvador. Zum Anderen werden Bauern in Afrika und Asien von ihrem Land vertrieben, um Platz für neue Biospritplantagen zu schaffen."

Als Alternative zum Biosprit fordert Greenpeace strengere CO2-Grenzwerte und sparsamere Autos. Gerade deutsche Autobauer setzten immer noch auf viel zu schwere, übermotorisierte Modelle. Daher müsse die EU schärfere Grenzwerte für den Flottenverbrauch vorschreiben. Außerdem müsse ein Tempolimit her.

Komplexes Hungerproblem

Die Welthungerhilfe in Bonn äußert sich kritisch zum Vorstoß des Entwicklungsministers. "Die Forderung Dirk Niebels zu einem Verbot von E10 hilft kurzfristig keinem Hungernden in der Welt", erklärt Pressesprecher Marc Groß. "Wir begrüßen, dass jetzt eine Diskussion angestoßen wurde, aber das Problem Hunger ist so komplex und hängt von so vielen Faktoren ab, da ist E10 nur ein kleines Problem", teilte Groß auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa mit. 

Die Bundesregierung erwägt trotz der hohen Getreidepreise zurzeit keine Änderung ihrer Biokraftstoffstrategie. Das machten Vertreter des Agrar- und des Umweltministeriums am 20. August in Berlin deutlich. "Aus unserer Sicht beeinflussen Biokraftstoffe die Agrarpreise in einem eher geringeren Umfang", sagte ein Sprecher von Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU).

Beim Preisanstieg von Agrarprodukten spielten zahlreiche Faktoren eine Rolle, vor allem die Ernteausfälle in den USA und anderen Staaten, aber auch die stetig wachsende Bevölkerung, die immer mehr tierisches Eiweiß esse, sagte der Sprecher.

In Deutschland werden seinen Angaben zufolge zurzeit auf 250.000 Hektar Getreide und Zuckerrüben für Bioethanol angebaut, das zur Herstellung des Biosprits E10 dient. Hinzu kommen 910.000 Hektar für Rapsöl und Biodiesel - bei einer gesamten Agrarfläche von zwölf Millionen Hektar. (dpa/kak)

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