Deutschlands Konzernzentralen beobachten in diesen Tagen aufmerksam, was in Libyen geschieht. Zwar ist Machthaber Muammar al-Gaddafi noch nicht weg. Aber schon jetzt, da sich sein Regime im Untergang befindet, werden die Grundlagen für künftige Geschäfte gelegt. Davon will auch die deutsche Wirtschaft profitieren - ganz egal, ob die deutsche Enthaltung im UN-Sicherheitsrat zum Libyen-Einsatz nun richtig war oder nicht. Die Aufmerksamkeit kann sich lohnen: Der nordafrikanische Wüstenstaat mit seinen riesigen Vorkommen an Öl und Gas gehört zu den reichsten Ländern der arabischen Welt. Energiekonzerne wie RWE Dea oder die BASF-Tochter Wintershall, aber auch Zulieferer und Anlagenbauer für die Ölindustrie waren dort auch schon zu Gaddafi-Zeiten erfolgreich. Seit Kriegsbeginn sind zwar alle deutschen Mitarbeiter weg, aber libysche "Ortskräfte" noch da. Zudem muss in der bisherigen "Volksdemokratie" nach monatelangem Bürgerkrieg und 7.500 Nato-Luftangriffen vieles wiederaufgebaut werden. Für die Bauindustrie gibt es einiges zu verdienen. Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sieht bei der Infrastruktur "großes Potenzial". Die meisten Aufträge werden in den nächsten Monaten vermutlich vom "Übergangsrat" der bisherigen Rebellen vergeben. Da kann sich lohnen, dass dort vor einem Monat schon der Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft mit einer größeren Delegation zu Besuch zu war. Helfen soll auch ein Darlehen der Bundesregierung über 100 Millionen Euro, das eben erst unterzeichnet wurde. Das Geld soll aber nur eine Art Überbrückungshilfe sein, bis der UN-Sicherheitsrat das im Ausland beschlagnahmte Milliardenvermögen des Gaddafi-Regimes wieder freigegeben hat. Allein auf deutschen Konten liegen mehr als 7,2 Milliarden Euro, die nach dem Abgang des selbst ernannten "Revolutionsführers" dem libyschen Volk zugutekommen sollen - wenn alles seinen demokratischen Gang nimmt. Im Moment kann sich allerdings noch niemand sicher sein, wie die Entwicklung in Libyen verläuft. Aus wirtschaftlicher Sicht ist vor allem wichtig, dass der Verkauf von Öl wieder in Gang kommt. Allein Deutschland importierte im vergangenen Jahr Öl im Wert von annähernd drei Milliarden Euro. Umgekehrt setzten deutsche Unternehmen Waren im Wert von knapp einer Milliarde Euro ab. Libyen war also eines der wenigen Länder, aus denen Deutschland mehr ein- als ausführte. Konzerne bleiben vorsichtig Mit Prognosen zum weiteren Verlauf in Libyen bleibt man in Deutschlands Konzernen vorsichtig. Wintershall-Sprecher Stefan Leunig sagt: "Derzeit ist es noch zu früh zu sagen, wann, wie und unter welchen Voraussetzungen die Produktion wieder aufgenommen werden kann." Bei Baukonzernen wie Bilfinger Berger heißt es: "Die Lage ist noch nicht ganz geklärt. Wir beobachten." Der Bauriese Strabag will frühestens im Herbst "ein paar Leute nach Libyen schicken, um die Lage zu erkunden". Bei Siemens lautet die Sprachregelung: "Es noch zu früh etwas zu sagen." Nur hinter vorgehaltener Hand klagen Manager darüber, dass es die deutsche Wirtschaft wegen der Politik schwieriger haben könnte als zum Beispiel die Konkurrenz aus Frankreich oder Großbritannien, die den Rebellen auch mit Luftangriffen halfen. Keiner ist jedoch bereit, dies auch offiziell zu sagen. Der Geschäftsführer des Afrika-Vereins, Hans Maier-Ewert, vermutet nur: "Selbstverständlich wird man sich bei den Siegermächten etwas bedanken wollen." Im Auswärtigen Amt hält man das Argument, dass Aufträge von Militäreinsätzen abhängig sind, auch für ziemlich zynisch. Außenminister Guido Westerwelle sagte dazu am Dienstag nur: "Ich weiß, wie sehr die deutsche Wirtschaft geschätzt wird. Und ich weiß, wie sehr unser deutsches Engagement geschätzt wird beim Wiederaufbau. Und ich habe gar keine Zweifel daran, dass man darauf zurückgreifen wird." (dpa/beg)
Für die Zeit nach Gaddafi: Deutschland wirft ein Auge auf Lybiens Gas und Öl

Die meisten Aufträge werden in den nächsten Monaten vermutlich vom "Übergangsrat" der bisherigen Rebellen vergeben. Da kann sich lohnen, dass dort vor einem Monat schon der Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft mit einer größeren Delegation zu Besuch zu war.