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Aus der Praxis: Sie hören von meinem Anwalt!

11.03.2023 11:20 Uhr | Lesezeit: 3 min
Aus der Praxis: Sie hören von meinem Anwalt!
Den Artikel finden Sie auch in Sprit+ Ausgabe 3.23.

Rechtsanwalt Jörg Helmling über jahrelange Prozesse, die nervlich und finanziell "selbst die härtesten Hunde an ihre Grenzen" bringen können. Natürlich nach wahren Gegebenheiten.

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Die Sprüche tauchen immer wieder auf: "Ich habe einen guten Anwalt" oder "Notfalls gehe ich bis zum BGH!" Prima, das ist mal eine klare Ansage! Aber wie sieht es aus, wenn die Kampfesstärke wirklich auf den Prüfstand kommt? Dann wird ein anderes Lied gespielt: "Wer soll das bezahlen, wer . hat so viel Pinkepinke?"

Wie man es von einem Anwalt auch erwarten kann, hier mal wahre Begebenheiten während eines Gerichtsverfahrens gegen eine Mineralölgesellschaft: Es ging nicht um Alltägliches, sondern um die Spezialfrage, ob eine Mineralölgesellschaft einen Ausgleichsanspruch auch dann bezahlen muss, wenn sie nach dem Kündigungsende die Station nicht mehr weiterbetreibt. Normalerweise nein, weil sie ja zukünftig am alten Standort kein Geschäft mehr macht. In dem speziellen Fall war es aber so, dass die Station schon vor Beendigung mit dem Mandanten an einen ortsansässigen Mineralölhändler verkauft wurde und etwa zehn Tage später dann von diesem weiterbetrieben wurde. Im Verkaufspreis lag aus unserer Sicht ein Vorteil, der auszugleichen war. So ein Fall war zuvor noch nicht von einem Gericht entschieden worden.

Ohne Versicherung unkalkulierbar

Einzelheiten verwirren hier nur, deshalb zurück zum Thema Geld. Hätte der Mandant keine Rechtsschutzversicherung für die Tankstellenbranche bei seinem Tankstellenverband abgeschlossen, wäre die prozessuale Verfolgung unkalkulierbar gewesen. Da es diese Versicherung aber gab, die nur für die gerichtliche Auseinandersetzung greift, machte es Sinn, das Verfahren anzustrengen.

Jetzt wird jeder fragen, wie es ausging. Darauf kam es fast nicht mehr an! Die Strategien liegen auf der Hand. Der Pächter möchte so schnell wie möglich seinen Anspruch und die Mineralölgesellschaft zögert das so lange wie möglich hinaus. Schließlich wird hier ein neues Kapitel geschrieben. Geht es für die Gesellschaft schlecht aus, wird auf Zeit gespielt. Das wartet man von beiden Seiten ab.

Im ersten Termin wurde klar, dass der Richter hier sehr unparteiisch alles untersucht und dann Entscheidungen trifft. Um am Thema zu bleiben: Das hat bis hierher etwa 4.000 Euro netto Anwaltsgebühren pro Seite gekostet (etwa die Hälfte als allgemeine Geschäftsgebühr für die Prüfung der Rechtslage und Vorbereitung der Klage und die andere als Termingebühr). Der Trost für den, der bezahlen muss: Und wenn es noch fünf Verhandlungstermine geben wird, der Anwalt bekommt nur einmal eine Gebühr für einen Termin, alles Weitere ist im Preis mit drin. Außerdem mussten aber noch Gerichtskosten von etwa 2.500 Euro vorgeschossen werden.

Nur kam dann in einem der Verhandlungstermine die Frage auf, wie viel die Tankstelle beim Verkauf eigentlich wert war, weil das dann wichtig ist, wenn dem Pächter davon etwas zugesprochen wird. Klar, dass da dann wieder beide Parteien das behaupten, was für sie günstiger ist . es hilft nichts, dann brauchte das Gericht einen unabhängigen Gutachter!

Wirtschaftlich nahezu idiotisch

Das Gericht fragte bei der IHK nach und bekam einen Gutachter empfohlen, der Kosten von bis zu 18.000 Euro für so ein Gutachten aufrief. Das war wirtschaftlich nahezu idiotisch. Nach einigen Bemühungen fanden wir einen Gutachter (finde mal einen in Deutschland, der sich bei der Bewertung von Tankstellen auskennt!), der realistische Zahlen aufwarf. Der wurde genommen - und es ging weiter.

Als das Gutachten da war, waren zwei Jahre Prozessdauer vergangen. Nun standen wir vor einem vernünftigen Vergleich. Der wurde dann auch widerruflich geschlossen.

Denkste! Die Geschäftsführung der Mineralölgesellschaft ließ sich nicht von juristischen, sondern von wirtschaftlichen Erwägungen leiten: Es wird widerrufen und eine Entscheidung gefordert. Danach geht man in die Berufung. Das dauert bis zum erstinstanzlichen Urteil noch mal zwei Monate und dann erfahrungsgemäß bei dem angerufenen Gericht bis zu 1,5 Jahre, bis da wieder verhandelt wird. So lange schreiben Anwälte - und es passiert gar nichts ... genau das ist dann die Strategie desjenigen, der es abwarten kann.

Wer "A" sagt, muss auch "B" sagen. Also weiter! Als dann endlich beim OLG nach weiteren zwei Jahren verhandelt wurde, fanden diese Richter wieder ganz andere Sachen wichtig, als wir sie ausgiebig in der ersten Instanz ausdiskutiert hatten. Wir hätten wieder einen Gutachter gebraucht. Der Mandant hatte zwischenzeitlich gesundheitliche Probleme bekommen und wollte nicht mehr. Nach sechs Jahren Prozessdauer haben wir uns minimal schlechter verglichen, als es in der ersten Instanz zur Debatte stand. Nun war Schluss!

Die Pointe der Geschichte

Jetzt zur Pointe der Geschichte: Bei jeder Partei waren etwa 10.000 Euro netto an Anwaltskosten aufgelaufen. Dazu kamen Gerichtsgebühren von etwa 5.500 Euro. Der Sachverständige kostete zum Schluss auch etwa 8.500 Euro. Jede Partei trug von diesen Kosten die Hälfte, somit etwa 17.000 Euro. Hätte eine ganz verloren, wären bei ihr 34.000 Euro weniger auf dem Konto.

Die Moral von der Geschichte: Keiner weiß vorher genau, wie es ausgeht. Es ist ein bisschen wie bei einem Krieg. Ohne Waffen und Soldaten geht es schon gar nicht. Die kann man sich aber als Sicherheit über den Abschluss einer Rechtsschutzversicherung zulegen.

In meiner Praxis ist das ein ganz wichtiges Thema in der Beratung, ob der Mandant dieses finanzielle Risiko tragen kann. Es ist schon schwer genug, bis zu sechs Jahren einen Prozess auszuhalten, aber dann die finanziellen Belastungen in Form der Vorkassen für Gerichtskosten und Sachverständige zu stemmen, bringt selbst die härtesten Hunde an ihre Grenzen.

Empfehlung: Rechtsschutzversicherung

Es gibt ein paar Rechtsschutzversicherungen gerade für die Tankstellenbranche auf dem Markt. Nach meinen Informationen liegen die Jahreskosten für diese Versicherungen bei unter 500 Euro. Die Tankstellenverbände vermitteln diese für ihre Mitglieder. Ich kann nur empfehlen, sich mit dieser Frage einmal auseinanderzusetzen.

Danach weiß man, ob die Drohung in der Überschrift auch Wirklichkeit werden kann.


Rechtsanwalt Jörg Helmling

Jörg Helmling, Jahrgang 1960, studierte in Würzburg und Bonn. Nach einer Hospitanz bei der EU-Kommission in Brüssel wurde er 1988 Geschäftsführer des Verbandes des Kfz-Gewerbes Bayern. In dieser Funktion betreute er Autohäuser und Tankstellen in allen rechtlichen und wirtschaftlichen Belangen.
Seit Mitte 1999 ist Jörg Helmling als Anwalt tätig. Seine Schwerpunkte liegen im Handels- und Gesellschaftsrecht, im Arbeitsrecht, im Wettbewerbsrecht sowie im allgemeinen Vertragsrecht. Ein weiterer Schwerpunkt stellt die Abwicklung von Ausgleichsansprüchen nach Vertragsbeendigungen für Tankstellenpächter und Autohäuser dar. Er nimmt regelmäßig persönlich bundesweit die Gerichtstermine für seine Mandanten wahr.


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