Es war ein Tag, an dem bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) eigentlich hätten Sektkorken knallen müssen: Mit der am Donnerstag (27. November) verkündeten Zahl von 2,717 Millionen Arbeitslosen hat die Nürnberger Bundesbehörde gleich mehrere Bestmarken übertroffen.
Dennoch stand BA-Vorstandschef Frank-Jürgen Weise anscheinend nicht der Sinn nach Feiern. Gewohnt sachlich präsentierte er ein Zahlengerüst, das PR-Leute sicherlich als großen Coup verkauft hätten. So hatte Deutschland zuletzt zum Beispiel europaweit erstmals die niedrigste Arbeitslosenquote. Dass Weise auf allzu viel Trommelwirbel verzichtete, lag wohl nicht nur am gewohnt zurückhaltenden Umgang der Bundesagentur mit Rekorden.
Denn nach der offiziellen Lesart sind 2,7 Millionen Jobsucher - auch wenn der Wert einen Beinahe-Tiefstand markiert - noch immer 2,7 Millionen zu viel. Zudem lauern in der deutschen Wirtschaft allerorts Risiken. Sie lassen nach Ansicht von Bankenvolkswirten eine weiter positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt unsicher erscheinen.
Vor allem ein Risiko treibt Strategen in der BA-Hauptverwaltung derzeit um: die möglichen Auswirkungen der vom 1. Januar 2015 an geltenden Mindestlohnregelung. Die sieht einen generellen Mindestlohn von 8,50 Euro vor - wenn auch mit einigen Übergangsregelungen.
Horrormeldungen oder Realität?
Arbeitgeber warnen seit Monaten vor diesem staatlichen Eingriff in die Tarifautonomie. Mehrere hunderttausend Jobs könnten in den kommenden Jahren wegfallen, befürchten einige Verbände. Verloren gehen könnten vor allem Jobs für An- und Ungelernte. Dass Mindestlöhne in vielen europäischen Ländern längst Standard sind, bleibt dabei in Verbandsmitteilungen oft unerwähnt.
Zurückhaltender geben sich Arbeitsmarktforscher. Aber auch sie sprechen offen vom "Risikofaktor Mindestlohn". Von "Horrormeldungen", die von einem möglichen Verlust von bis zu einer Million Jobs als Folge des Mindestlohns sprechen, hält der Leiter des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Joachim Möller, aber nichts. Er rechnet mit einem deutlich geringeren Jobverlust, will sich aber bis zum Vorliegen erster Untersuchungsergebnisse im Frühjahr 2015 nicht festlegen. Einige Experten erwarten Jobverluste, die allenfalls bei um die 100.000 liegen.
8,50 Euro: Mindestlohn ist "Risikofaktor" für deutschen Arbeitsmarkt
Auf dem Arbeitsmarkt läuft runder als viele zunächst glaubten. Für noch mehr Schub hat ein kräftiger Herbstaufschwung gesorgt. Das könnte sich im nächsten Jahr ändern - auch wegen des Mindestlohns.