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"Die Rente ist si(s)cher!": Tipps vom Anwalt

14.08.2025 09:26 Uhr | Lesezeit: 4 min
Jörg Helmling
Jörg Helmling ist seit Mitte 1999 ist Helmling als Anwalt tätig. Seine Schwerpunkte liegen im Handels- und Gesellschaftsrecht, im Arbeitsrecht, im Wettbewerbsrecht sowie im allgemeinen Vertragsrecht. Einen weiteren Schwerpunkt stellt die Abwicklung von Ausgleichsansprüchen nach Vertragsbeendigungen für Tankstellenpächter dar.
© Foto: Jörg Helmling

Wer sich angesichts seines 65. Geburtstags mit der Kündigung beschäftigt, kann im Blick auf den Handelsvertreterausgleich auf Widerstand stoßen.

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Es ist der vielleicht bekannteste Satz unseres damaligen Arbeitsministers Norbert Blüm: "Die Rente ist sicher!" Und bis zum Jahr 2017 war die Welt der Rentner auch noch in Ordnung: Man traf sich gemeinsam ab dem 65. Lebensjahr in der arbeitsfreien Zeit. Da die demografische Entwicklung der Bevölkerung aber dazu führt, dass immer weniger arbeitende Menschen immer mehr Rentner durchfüttern müssen (denn das System ist kein Prämiensparen, sondern eine Bedarfsdeckung!), hat man als Staat dann zwischenzeitlich festgestellt, dass das Renteneintrittsalter weiter nach hinten verschoben werden muss.

Für alle ab 1960 geborenen

Wen das interessiert? Das interessiert die Pächter, die um die 1960 und danach geboren wurden. Die müssen nun auf den Bezug der Rente (meist) länger warten und überlegen sich, ob sie nicht trotzdem mit Erreichen des 65. Lebensjahres kündigen, denn dann bekommen sie ja einen Ausgleichsanspruch.

Wenn es nur mal so einfach wäre. Bis zum Jahr 2017 war auch in der Rechtsprechung klar: Wer 65 wird, dem ist die Weiterbetreibung nicht mehr zumutbar und der kann altersbedingt kündigen. Da bekam man immer trotzdem einen Ausgleichsanspruch gemäß § 89 b HGB.

Ist das jetzt anders? So genau weiß das keiner. Es gibt nur die alte Rechtsprechung und in der Literatur mag es vielleicht erörtert werden. Entscheidend ist, was für Grundsätze die Rechtsprechung dazu entwickeln wird. Die wird es aber verlässlich – weil erst rechtswirksam nach ein paar Instanzen – frühestens in ein paar Jahren geben, weil das vorher noch keine Auswirkungen hatte.

Wer kündigen will, muss das wissen

Jeder Pächter, der diese Altersstruktur hat und sich mit der Kündigung beschäftigt, sollte jedoch wissen, dass er nun beim Berufen auf seinen 65. Geburtstag auf Widerstand stoßen kann. Es kann dazu führen, dass die Kündigung zwar im Hinblick auf den Zeitpunkt wirkt, er aber dann vor Gericht um seinen Handelsvertreterausgleich kämpfen muss und jetzt noch nicht weiß, was er bekommt.

Wie sind die Aussichten? Das Erreichen der Altersgrenze wird im Handelsvertreterrecht als Regelvermutung bezeichnet. Es wird vermutet, dass dem Pächter mit diesem Alter die Weiterbetreibung nicht mehr zumutbar ist. Also wäre das eh individuell und schon bisher nicht an das 65. Lebensjahr angeknüpft? So ähnlich wie bei der Gesundheit, die schließlich auch nicht direkt vom Lebensalter abhängt.

Aber nein: Da hatte der Gesetzgeber beim § 89 b HGB nur "altersbedingt" festgelegt und die Rechtsprechung daraus das 65. Lebensjahr gemacht. Das wurde dann pauschal festgelegt.

Ein Finanzierungsproblem

Was hat sich daran geändert? Dass der Gesetzgeber seit 2017 ein Finanzierungsproblem sieht, ist kein individueller Grund eines Handelsvertreters. Das ist fiskalisch begründet und sagt nichts darüber aus, ob einem das Betreiben noch zumutbar ist.

Es kommt auch nicht darauf an, ob er nun aus einer anderen Geldquelle leben kann. Es gibt Selbstständige, die gar keinen Rentenanspruch haben und trotzdem früher mit 65 noch einen Ausgleichsanspruch fordern konnten. Auch das ist kein Argument für das Verschieben der Grenze nach hinten.

Und dann gibt es ja noch diejenigen, die mit Abstrichen früher als mit 65 in Rente gehen können. Was mache ich denn mit so einem? Kann der sein Recht auf früheren Rentenbeginn nicht geltend machen, weil er sonst keinen Ausgleichsanspruch bekommt und deshalb warten muss, wie alle anderen auch? Das wäre ja genau gegenläufig im Hinblick auf die Frage der Unzumutbarkeit.

Das einzige Argument, das bleibt, ist, dass eben die Rente heute nicht mehr pauschal mit dem 65. Lebensjahr anfällt. Insofern hat sich etwas an der Praxis geändert. Schwierig ist nun auch, dass sich in zwei Jahren alle an das dann nach hinten geschobene Alter gewöhnt haben werden. Prozesse, die heute angestoßen werden, sind erst nach ein paar Jahren vorbei. Dann wird übertragen gesprochen auf dem Grabstein stehen: "Aber er hatte Vorfahrt!"

Aufraffen oder verzichten?

Ich bin aber der Auffassung, dass man diese Bastion nicht so schnell verloren geben sollte. Einige haben nun jahrzehntelang die Stationen betrieben und manchen Wandel im Umgang hingenommen, weil sie das Ziel mit 65 vor Augen hatten. Es ist schmerzhaft, wenn man nun kurz vor dem Ziel entscheiden muss, ob man sich nochmal aufrafft oder auf den Anspruch einfach so verzichtet, nur weil einem der Gesetzgeber in die Suppe gespuckt hat.

Ich habe das hier so ausführlich ausgebreitet, weil ich finde, dass es mehr Argumente für die berechtigte altersbedinget Kündigung mit 65 gibt als dagegen. Warum soll dieses Alter für den Handelsvertreter nicht weiter gelten. Es ist eine ganz andere Interessenlage, ob ein Staat im Hinblick auf seine Rentenzahlungsansprüche kollabiert, oder in der Privatwirtschaft ein Punkt der Unzumutbarkeit der Tätigkeit erreicht ist. Und das ist nach meiner Erfahrung bei Tankstellenpächtern oft schon vor Erreichen der 65 Lebensjahre der Fall.

Tipp vom Anwalt: Man sollte es riskieren

Hier sollte man es riskieren, die Ansprüche auch mit der Altersgrenze von 65 geltend zu machen – sich aber vorher beraten zu lassen, wo die Probleme liegen können und wie man Fehler vermeidet. Die Mineralölgesellschaften haben doch auch ein Interesse an jüngeren Partnern, die manchen neuen Ideen engagierter gegenüberstehen als alte Hasen.

Das könnte letztlich sogar auf eine Win-Win-Situation hinauslaufen. Wenn man es richtig angeht.


Über den Autor

Jörg Helmling, Jahrgang 1960, studierte in Würzburg und Bonn. Nach einer Hospitanz bei der EU-Kommission in Brüssel wurde er im Jahr 1988 Geschäftsführer des Verbandes des Kfz-Gewerbes Bayern. In dieser Funktion betreute er Autohäuser und Tankstellen in allen rechtlichen und wirtschaftlichen Belangen.
Seit Mitte 1999 ist Helmling als Anwalt tätig. Seine Schwerpunkte liegen im Handels- und Gesellschaftsrecht, im Arbeitsrecht, im Wettbewerbsrecht sowie im allgemeinen Vertragsrecht. Einen weiteren Schwerpunkt stellt die Abwicklung von Ausgleichsansprüchen nach Vertragsbeendigungen für Tankstellenpächter und Autohäuser dar. Er nimmt regelmäßig persönlich bundesweit die Gerichtstermine für seine Mandanten wahr.


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