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Interview: Mittelstand als Salz in der Suppe

11.04.2017 08:42 Uhr
Interview: Mittelstand als Salz in der Suppe
Rechtsanwalt Stephan Zieger führt die Geschäfte des Bundesverbands freier Tankstellen in Bonn.
© Foto: Birgit Limbach/EFT

Der Mittelstand hält den deutschen Tankstellenmarkt in Bewegung, ist Stephan Zieger überzeugt. Mit welchen aktuellen Herausforderungen seine Mitglieder zu kämpfen haben, darüber spricht der Geschäftsführer des Bundesverbands freier Tankstellen (BFT) im Interview.

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Herr Zieger, welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach der Mittelstand derzeit im deutschen Tankstellennetz?
Von der Anzahl der Tankstellen und vom Potenzial her ist der Mittelstand sicherlich bedeutender geworden. Wir sind, auch wenn das jetzt platt klingt, das Salz in der Suppe. Unsere Mitglieder sind wendig, flink und pfiffig. Sie machen sich ständig Gedanken über Neues und tauschen sich untereinander aus. Wir halten diesen Markt mit der Vielfalt unserer Unternehmer in Bewegung.

Auf der BFT-Jahreshauptversammlung 2016 hat der damalige Esso-Tankstellenchef Rainer Bogner den Kontakt zu Ihren Mitgliedern gesucht. Damit ist er nicht alleine. Warum buhlen die A-Gesell­schaften derzeit um den Mittelstand?
Wir sind da, wo die A-Wettbewerber nicht mehr sind. Wir sind zwar einerseits Wettbewerber. Aber andererseits sind wir dadurch, dass wir eben den Markt in Bewegung halten, attraktive Partner für Kraftstoffverkäufe. Und wir sind unter Umständen auch attraktive Partner für eine Zusammenarbeit, weil wir beispielsweise Potenzial für das Tankkartengeschäft liefern. Da gibt es Potenziale, die man gegenseitig nutzbar machen kann.

Gibt es Nachteile im Vergleich zu den großen MÖG?
Mittelständler haben immer nur einen Schuss frei. Das heißt, wenn ich mir etwas ausdenke, dann muss es sitzen, ohne groß nachzujustieren. Ich kann nicht fünf oder sechs Konzepte ausprobieren, bis ich das richtige finde.

Welche Themen stellen denn den Mittelstand aktuell vor Herausforderungen?
Die geplante Streichung von Paragraf 60 im Energie- und Stromsteuergesetz ist natürlich ein heißes Thema für uns. Hier wird eigentlich die sachgerechte Zuweisung des Insolvenzausfallrisikos geregelt: Wenn ein Kunde pleitegeht, dann mussten wir nicht für die Energiesteuer haften. Wenn diese Regelung jetzt gestrichen wird, ist das natürlich schwieriger darzustellen, weil die Besicherung für Kraftstofflieferungen zwangsläufig auch auf den Energiesteueranteil ausgeweitet wird. Das ist ein deutlicher Nachteil gegenüber den integrierten Unternehmen.

Und wie sehen Sie die Pläne der Bundesregierung für die Förderung von Autogas?
In Autogas haben wir viel investiert. Denn das ist eigentlich ein alternativer Kraftstoff mit sehr vielen Vorteilen. Wenn die Förderung für Autogas nach 2018 gestrichen werden sollte, ist das deshalb wie beim Biodiesel: Da verschwindet einfach ein alternativer Kraftstoff vom Markt, ohne an die positiven Aspekte zu denken.

Die Förderung von Erdgas soll hingegen bis 2026 verlängert werden. Sehen Sie das als Sieg der Erdgaslobby?
Es ist aus unserer Sicht eine deutliche Ungleichbehandlung.

Im März hat das Kartellamt die Pläne für die neue Vergabequote für Bundesautobahntankstellen (BAT) bekannt gegeben – angeblich zugunsten des Mittelstands. Sehen Sie das auch so?
Nein. Bei der letzten Vergaberunde 2013 sind von den vielen Anlagen nur eine Handvoll an den Mittelstand gegangen. Jetzt sehen die Pläne vor, dass 49 statt bisher 65 Prozent für die Einlieferung und den Vertrieb von Kraftstoffen über die Quote läuft, 40 Prozent über die Versteigerung und den Rest der Belieferung übernimmt Tank & Rast selbst. Bei einer Versteigerung zählt einzig und allein die Finanzkraft und da bin ich als Mittelstand raus. Beim Quotenmodell werden dagegen die Anstrengungen an den Straßentankstellen belohnt. Ein höherer Quotenanteil ist deshalb von Vorteil für uns. Die geplante Quote ist aber nicht so dramatisch gesunken, wie es am Anfang aussah. Das heißt, der Mittelstand bleibt weiterhin im Autobahngeschäft.

Shop, Digitalisierung, Tankkarten – diese Themen halten die Branche ebenfalls in Bewegung. Was raten Sie Ihren Mitgliedern?
Wir müssen da überall mitspielen. Das heißt, wir müssen uns überlegen, was wir konkret machen wollen, und in diesem Bereich unsere Nische finden. Das geht gegebenenfalls über die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen oder über fantasievolle eigene Konzepte. Unsere Mitglieder kennen ihre Gegend, ihre Tankstellen und ihre Betreiber persönlich. Das ist bei den großen Wettbewerbern nicht der Fall. Das ist unser großer Vorteil: Wir kennen und bestimmen unseren Aktionsraum selbst.

Wie wird sich die Rolle des Mittelstandes in den nächsten Jahren verändern?
Der Markt wird ja insgesamt kleiner: Die Automobilindustrie knabbert an den Kraftstoffabsätzen, indem sie immer sparsamere Autos baut. Dann gibt es natürlich das Thema Elektromobilität. Aber die Tankstelle wird über mehrere Investitionszyklen der zentrale Dreh- und Anlaufpunkt für die Mobilität der Gesellschaft bleiben. Deshalb denke ich, dass wir als Mittelstand weiterhin etwa mit der gleichen Größe am Markt sein werden.

(Das Gespräch führte Annika Beyer. Der Artikel erschien in Sprit+ Spezial Tankstellennetze.)

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