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Interview mit Ulrich Leuchtmann: Ist der Höchststand der Ölpreise bereits erreicht?

11.03.2022 14:25 Uhr
Ulrich Leuchtmann Commerzbank
Ulrich Leuchtmann, Rohstoffexperte bei der Commerzbank, redet im Interview über Zeiten, in denen Öl schon mal noch teurer war und darüber, ob man jetzt lieber einlagern oder doch noch warten sollte.
© Foto: Commerzbank

Rohstoff-Experte Ulrich Leuchtmann, Head of Foreign Exchange Research (Devisenforschung) bei der Commerzbank, gibt im Interview mit unserer Schwesternzeitschrift Verkehrsrundschau eine Prognose über die weitere Entwicklung der Öl- und Dieselpreise ab.

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Die Ölpreise steigen und steigen. Ist das Plateau bereits erreicht?

Das hängt von der weiteren Entwicklung ab. Es kommt darauf an, ob es weitere Sanktionen gegen russisches Öl gibt. Die US-Entscheidung dafür war eher symbolisch. Würden aber auch die Europäer Öl aus Russland sanktionieren, müsste man damit rechnen, dass die Ölpreise noch weiter steigen.

Der Preis von Brent pro Barrel hat zuletzt fast die 140-Dollar-Marke geknackt und sich damit seit dem Ukraine-Krieg um ein Drittel verteuert. Halten Sie 200 Dollar pro Barrel für möglich oder gar wahrscheinlich?

Für wahrscheinlich halte ich das nicht, aber möglich wäre es schon. Denn abgesehen von der tatsächlichen Knappheit ist der Markt sehr nervös und neigt dazu, auch mal nach oben zu überschießen.

Sind solche Erwartungen in den aktuellen Kursen bereits eingepreist, so dass man nicht mehr mit einem ganz hohen Anstieg rechnen muss?

In den Notierungen, die wir jetzt am Markt sehen, sind weitere mögliche Sanktionen sicher schon eingepreist. Aber es ist ein Risikoszenario und die vermuteten Preissteigerungen sind zudem nur teilweise in den aktuellen Notierungen für Rohöl berücksichtigt.

Andererseits gab es bereits Zeiten, da war Öl noch teurer. Ist das alles nur Panikmache?

Ja, in der Vergangenheit kostete Öl schon mal deutlich mehr, in Dollar gerechnet. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass die Kaufkraft des Dollars in den letzten Jahren abgenommen hat, war Öl in damals noch viel teurer als aktuell. Der Punkt ist aber: Die Geschwindigkeit, mit der der Preis jetzt anzieht, die überfordert die Anpassungsmöglichkeiten der Weltwirtschaft. Deshalb tut der sehr schnelle Anstieg des Ölpreises mehr weh als das Niveau an sich.

Was bedeutet das für den Dieselpreis? Der hat an den Tankstellen die Zwei-Euro-Marke überschritten.

Es gibt das Szenario, dass die Preise weiter steigen. Aber es ist auch nicht unrealistisch, dass die Preise wieder sinken. Nämlich dann, wenn die europäische Politik keine Sanktionen gegen russisches Öl ausspricht – wonach es, momentan zumindest, aussieht. Und wenn andere Ölproduzenten mit Kapazitäten einspringen, besteht die Möglichkeit, dass die Preise in den nächsten Monaten wieder fallen. Daher würde ich nicht nur schwarzmalen wollen.

Würden Sie jetzt zum Kauf von Diesel zur Bevorratung raten oder würden Sie davon abraten?

Wenn mich ein weiterer kurzfristiger Anstieg der Dieselpreis richtig schmerzhaft treffen würde, dann würde ich jetzt Diesel kaufen. Aber ich würde auch nicht darauf wetten, dass die Dieselpreise weiter steigen. Die Entwicklung ist in beide Richtungen mit Risiken verbunden. Schaut man auf die nächsten Monate, würde ich die Wahrscheinlichkeit, dass die Preise zumindest moderat sinken, höher einschätzen als dass die Preise massiv steigen.

Gibt es denn genug Alternativen zum Öl aus Russland?

Freie Förderkapazitäten bestehen insbesondere in Saudi-Arabien, so auch in den USA. Aber Saudi-Arabien ist sicher am ehesten in der Lage, mehr Öl in den Markt zu bringen. Zumal es auch nicht an einem extrem hohen Ölpreis interessiert sind.

Warum nicht? Dann bekommen sie doch mehr Geld.

Das stimmt, aber man muss auch andere Effekte berücksichtigen: Bleiben die Ölpreise auf diesem Niveau, würden wir viel schneller eine Hinwendung zu nicht-fossilen Brennstoffen erleben. Damit würde der Kuchen, der künftig an Öl verkauft werden kann, kleiner. Und dann würden viele andere Kraftstoffproduzenten wieder in den Markt kommen, für die es sich bei einem niedrigen Preis nicht lohnt. Das bedeutet also mehr Konkurrenz für Saudi-Arabien.

Es werden Hilferufe aus dem Transportgewerbe laut aufgrund der hohen Dieselpreise. Gefordert wird ein Gewerbediesel, also Steuererleichterungen für das Transportgewerbe. Halten Sie solche Forderungen gerechtfertigt?

Natürlich habe ich dafür volles Verständnis. Für die Politik stellt sich aber die schwierige Frage, wie sie reagieren soll. Wenn man sich auf ein Szenario vorbereiten will, nach dem künftig weniger Öl am Markt verfügbar ist, nutzt ist natürlich nichts, Anreize zu schaffen, die das Einsparen von Öl verhindern. Deshalb: Entlastung ja, aber man muss gleichzeitig das richtige Signal, das unsere Wirtschaft weniger Öl verbrauchen sollte, beibehalten. Das ist die Gratwanderung, die die Politik hier leisten muss. Da ist nicht jedes Instrument geeignet.

Was würden Sie empfehlen?

Ökonomisch wäre ideal, wenn die Unternehmen steuerlich entlastet werden, aber der Preis für den Liter Diesel weiterhin recht hoch bleibt, um damit einen Anreiz zum Sparen zu schaffen.

Wobei im Straßengüterverkehr die Möglichkeiten zur Einsparung von Diesel überschaubar sind. Die Unternehmen versuchen jetzt schon Treibstoff zu sparen wo sie nur können. Und das Ausweichen auf alternative Antriebe ist mangels Möglichkeiten zumindest im Schwerlastverkehr auch sehr begrenzt.

Entweder können oder wollen die Konsumenten und Unternehmen nicht ausweichen. Und das ist ja der Grund für den extremen Preisanstieg. Obwohl die Preise so stark in die Höhe schießen, sinkt die Nachfrage aktuell kaum.

Umweltverbände bringen Tempobegrenzungen auf Autobahnen und Bundesstraßen ins Spiel, um Treibstoff einzuplanen: eine sinnvolle Maßnahme?

Ich habe mal gelesen, dass die Effekte eher begrenzt sind. Aber wenn dem nicht so ist, wenn damit spürbare Effekte verbunden sind, wäre es aus energiepolitischer Sicht ein geeignetes Mittel. Aber man muss auch weitere Aspekte berücksichtigen wie die Umsetzung, wenn ich an einer entsprechenden Beschilderung von Straßen denke, und die Kontrolle solcher Maßnahmen. (red)

 

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