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Interview: "Den Mitarbeiter von innen heraus motivieren"

07.08.2015 11:14 Uhr
Rüdiger Maas
Rüdiger Maas ist Diplompsychologe und Geschäftsführer eines Beratungs- und Coachingunternehmens.
© Foto: Maas Beratungsgesellschaft mbH

Unmotivierte Mitarbeiter vergraulen Kunden. Tankstellenbetreiber können das verhindern, müssen aber bei sich selbst anfangen, erklärt Rüdiger Maas, Diplompsychologe und Geschäftsführer einer Beratungsgesellschaft, im Interview mit tankstellen markt.

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tm: Herr Maas, wann waren Sie das letzte Mal so richtig unmotiviert?

Maas: (überlegt lange) Gute Frage. (pustet durch) Das weiß ich nicht. Daran kann ich mich nicht erinnern.

tm: Wenn es Ihnen so schwer fällt, sich an einen unmotivierten Moment zu erinnern: Was ist ihr Rezept, motiviert zu sein? 

Maas: Da ich selbständig und Geschäftsführer bin, kann ich die Arbeit selbst wählen. Ich versuche Arbeit zu machen, die mir selbst Spaß macht, die mich fordert und ich versuche meine Kreativität auszuleben. Außerdem schöpfe ich eine große Motivation aus den Ergebnissen und aus dem, was die Klienten wiedergeben, wenn man positives Feedback bekommt.

tm: Was ist für Sie als Coaching-Experte Motivation?

Maas: Motivation kommt ursprünglich von dem lateinischen Verb „movere“, etwas bewegen und antreiben. Die Frage ist also: Was treibt uns an? Und da muss man ehrlicherweise sagen: am schnellsten bewegen wir uns, wenn wir das müssen. Der Mensch ist ein Fluchttier, das heißt, wenn etwas unangenehm wird, bewegen wir uns schneller als wenn etwas angenehm wird. Es gibt unglaublich viele Definitionen, die darauf zurückgehen, dass es etwas Hedonistisches ist, dass wir einem Belohnungsstreben nachgehen. Das stimmt alles, ja, aber wenn es um eine sofortige und schnelle Bewegung geht, dann machen wir das eher, wenn eine Gefahr da ist im Sinne von Flucht.

tm: Das heißt, dass derjenige der motivieren will, also der Chef, denjenigen der motiviert werden soll, den Mitarbeiter, unter Druck setzen muss?

Maas: Aktivieren! Die Psychologen gehen eher von einem Aktivierungsprozess aus. Wie aktiviere ich jemanden, damit er sich schnell bewegt? So richtig von außen zu bewegen, ist immer eine Korrumpierung, etwas Extrinsisches. Die Belohnung muss mehr werden, damit die Leute begeistert sind. Am meisten schaffen wir aber, wenn die Leute von innen heraus motiviert sind, also intrinsisch. Dann muss ich sie aber nicht mehr motivieren, dann sind sie schon motiviert. Was ich als Arbeitgeber machen muss: Diese Möglichkeiten schaffen, dass etwas Intrinsisches entstehen kann. Und das mache ich auch bei mir selbst, weswegen ich immer motiviert bin.

tm: Ist die Eigenmotivation ein natürlicher Antrieb des Menschen oder ist sie eine Hilfe, Arbeit, die man eigentlich ungern und wider die Natur verrichtet, erträglich zu machen?

Maas: Da müssen wir uns selbst was vormachen: In gewisser Weise haben wir angeborene Dinge: wir haben Hunger, wir essen etwas, wir sind motiviert zu essen. Natürlich! Lassen Sie mich weiter ausholen: Viele gehen davon aus, Arbeit muss Spaß machen. Aber Arbeit ist im ersten Moment einmal Arbeit. Was ich dann selber daraus mache, ob ich meiner Arbeit Sinn gebe, das sind die Fragen, die sich der Einzelne stellen muss. Das Problem, das wir in der heutigen Zeit haben, ist, dass wir zu viele Vergleichsmöglichkeiten haben mit den ganzen sozialen Netzwerken, Facebook usw. Dort posten die meisten Leute nur positive Dinge. Dadurch haben wir ein komisches Ranking (Vergleich), dass ich mir denke: „Oh, was der alles kann und darf und ich nicht!“ Dadurch schüren wir eine Art Demotivation. Ich glaube, man muss lernen, seiner Arbeit wieder einen Sinn zu geben. Mach ich das, was mir Spaß macht? Ist das, was ich mache sinnstiftend? Bringt mich das voran? Ohne diese negativen Rankingeffekte herbeizuführen.

tm: Das mag auf viele Jobs zutreffen. Was ist aber zum Beispiel mit dem Fließbandarbeiter oder einem Tankstellenmitarbeiter? Woraus bezieht er seine Motivation?

Maas: Da haben wir einen Riesenunterschied. Der Fließbandarbeiter hat den positiven Ranking-Effekt, weil er mit mehreren Mitarbeitern am Fließband arbeitet. Wenn er alleine am Fließband wäre, würde er laut Sozialpsychologen weniger arbeiten. Man sagt, wenn vier bis fünf Menschen, die eine vergleichbare Tätigkeit machen, um einen sind, dann arbeitet man bis zu 20 Prozent mehr. Wenn die anderen um einen herum arbeiten, dann animiert mich das. Das habe ich beim Fließbandarbeiter mehr als beim Tankstellenmitarbeiter, der unter Umständen allein hinter der Kasse steht.

tm: Was kann sein Chef da tun?

Maas: Ich empfehle, dem Ganzen eine Wertigkeit zu geben; im Sinn von: Du bist nicht der Mensch, der hinter der Kasse steht. Sondern: Du bist auch derjenige, der Auskunft gibt, der die vielen Fragen der Kunden beantwortet. Du bist Ratgeber beim richtigen Öl beispielsweise. Weiterhin würde ich dem Mitarbeiter erklären, dass man aus der Interaktion zwischen Kunden und dem Kassierer etwas herausholen kann. Dass man lernt, Lob für sich herauszuziehen.

tm: Unterschätzen Tankstellenbetreiber den Faktor Motivation und die Wirkung auf den Kunden?

Maas: Ja, ich glaube, dass das ganz viele Arbeitgeber unterschätzen. Wir haben in Deutschland 20 Prozent Arbeitnehmer, die gegen das Unternehmen arbeiten. Die krank sind, wenn sie nicht krank sein müssen, die früher gehen, das Licht brennen lassen usw. Personaler können ein Lied davon singen.

tm: Welche Wirkung haben unmotivierte Mitarbeiter auf den Kunden?

Maas: Die Beschwerden erhöhen sich, die Reklamationen erhöhen sich, ein unzufriedener Kunde steckt weitere an, wenn er sich abreagiert. Ein zufriedener steckt zwar auch andere an, aber bei weitem nicht so viele wie im negativen Fall. Der negativ Gestimmte muss sich ja zuerst einmal den Frust von der Seele lästern. Außerdem haben wir das Problem, dass man selbst unmotiviert und schlechter arbeitet, wenn man keine Lust hat und sich dementsprechend selbst keine Wertschätzung gibt.

tm: Stationäre haben oft das Problem, dass ihre Angestellten keine Fachkräfte sind. Aufgrund der geringen Gewinnmarge können sich viele nur ungelerntes, oft motivationsarme Mitarbeiter leisten – ein Problem?

Maas: Ich würde nicht sagen, dass eine Fachkraft automatisch motivierter ist und ich würde auch nicht sagen, dass das zu wenig Geld jemanden anders demotiviert. Wir haben beim Geld immer den extrinsischen Faktor. Wir korrumpieren denjenigen. Wenn er jetzt zehn Euro die Stunde verdient, will er in zwei Jahren natürlich mehr. Wenn jemand seinen Arbeitsplatz hasst, dann würde auch der doppelte Lohn nicht den Arbeitsplatz ändern, wenn er die Tätigkeit an sich nicht mag. Ich hab Studenten erlebt, die eine einfache Tätigkeit sehr motiviert gemacht haben nach dem Motto: Ich mache es nicht für immer, aber in der Zeit, in der ich es mache, mach ich es gut. Und dabei kann man Spaß entwickeln. Diese Selbstständigkeit, das Alleine-für-die-Tankstelle-verantwortlich-Sein, kann schon sehr motivierend wirken.

tm: Wie gelingt es Tankstellenbetreibern, Mitarbeiter zu motivieren, die den Dienst an der Kasse nur als Pflichterfüllung sehen? Welche Instrumente hat er, um Anreize zu schaffen?

Maas: Der Tankstellenbetreiber muss zunächst einmal selbst davon überzeugt sein, dass das, was sein Mitarbeiter macht, etwas Tolles ist. Wenn der Mitarbeiter nicht kommt, müsste die Tankstelle geschlossen bleiben, wenn die Person nicht wäre, hätte ich ein Riesenproblem. Wenn ich dem Mitarbeiter so eine Wertigkeit gegenüber gebe, wäre schon viel gewonnen. Ich muss davon überzeugt sein. Wertschätzung und Respekt sind wichtig. Wenn mir das gelingt, geht der Mitarbeiter mit stolzer Brust zur Arbeit. Wenn er aber selbst denkt, dass das nur ein Aushilfsjob ist, dann bringt er das auch so rüber. Man reagiert dann körpersprachlich, auch in der Art wie man spricht.

tm: Wie organisiert der Tankstellenbetreiber die Motivation? Wirkt man besser mit Einzelgesprächen oder in Teambesprechungen auf den Einzelnen ein?

Maas: Beides. Nichts pusht mehr als ein Team, aber das dürfte an der Tankstelle schwer werden: Wann kriegt man da alle gleichzeitig zusammen? Kann ich es schaffen, dass ich Erfolge feiere, zum Beispiel die beste Tankstelle im Umkreis zu werden? Dann müsste man sich fragen, ob es irgendeine Möglichkeit gibt aufzusteigen, Karriere zu machen. Oder auch Schulungen sollten angeboten werden. Da gibt es einige Dinge, die man machen kann.

tm: In einem Essay schreiben Sie, dass Menschen, die in einer Gruppe arbeiten, motivierter sind als alleine arbeitende? An kleinen Tankstellen kommt es vor, dass zu gewissen Tageszeiten nur ein oder zwei Mitarbeiter im Dienst sind.

Maas: Kleine Tankstellen haben den Vorteil, dass wenn dort beispielsweise vier Personen arbeiten, eine Person 25 Prozent der Mitarbeiter ausmacht. Das ist ein ganz hoher Stellenwert, eine wichtige Person! Und das würde ich sie spüren lassen und mitentscheiden lassen bei Entscheidungen, wie wir bestimmte Strategien fahren. Wenn zum Beispiel ein neuer Kaugummi eingeführt wird, den der Mitarbeiter ausgesucht hat, ist das etwas, worauf man stolz ist und was motivierend wirkt. Das darf man nicht unterschätzen. Der Mitarbeiter, der den ganzen Tag hinter der Kasse steht, der hat Ideen. Wenn die verwirklicht werden und er jeden Tag an seinen Arbeitsplatz kommt, den er mitgestaltet hat – klasse! Das kann man in einem kleinen Unternehmen viel besser machen als in einem großen.

tm: Es spielt demnach in kleinen Teams keine Rolle, wenn nur einer oder zwei pro Schicht im Verkaufsraum sind? Die Mitarbeiter können trotzdem motiviert sein?

Maas: Wenn der Betrieb klein ist, muss ich als Chef die Verantwortung abgeben. Wenn ein Mitarbeiter zeitweise alleiniger Chef der Tankstelle ist, alles selbst entscheiden darf und Kompetenzen bekommt, dann motiviert das stark. Ich darf ihn aber nicht überschätzen.

tm: Wie viel Zeit sollte der Arbeitgeber in die Motivation investieren?

Maas: (lacht) Sehr gute Frage. Führungskräfte sollten ungefähr 30 Prozent ihrer Arbeitszeit für Führung verwenden. Das beinhaltet aber nicht nur Motivation. Da steckt die Mitarbeiterinformation drin, die er immer aus erster Hand braucht. Wenn Mitarbeiter die Informationen über Umwege erfahren, frustriert das auch. Auch die Anweisungen müssen immer vom direkten Vorgesetzten kommen, nicht vom Kollegen. Weiterhin muss der Chef für die Mitarbeiter planen: den Schichtplan machen oder die Regelung der Urlaubsvertretung. Und er muss kontrollieren! Erst durch die zeitnahe und offene Kontrolle kann er motivieren. Auch Tadel nach einer Kontrolle kann anspornen.

tm: Gibt es Ihrer Erfahrung nach auch hoffnungslose Fälle, Menschen, die nicht motivierbar sind?

Maas: Nein, das ist zu 95 Prozent eine Frage der Technik. Wenn jemand gar nicht will, aus welchem Grund auch immer, dann muss man eben den Schlussstrich ziehen und erkennen, dass es nichts bringt. Man kann es nicht erzwingen. Zunächst muss man sich aber die Fragen stellen: Weiß der Mitarbeiter überhaupt um was es geht? Hat er die Kompetenzen?

tm: In Ihren Seminaren haben sie die unterschiedlichsten Führungskräfte aus unterschiedlichsten Betriebsgrößen erlebt. Erkennen Sie da Unterschiede?

Maas: Die Range unserer Kunden reicht vom großen Konzern bis zum kleinen Mittelständler oder zur Einzelperson: Ob an der Tankstelle oder im Wurstbetrieb – die Probleme sind oft die Gleichen.

tm: Darf man auch einmal Unlust haben oder ist das ein defizitärer, selbstverschuldeter Umstand?

Maas: Es wäre krass, wenn wir jeden Tag motiviert wären. Lustlosigkeit sei jedem einmal zugestanden. Wir haben nicht immer die Energie, sei es krankheitsbedingt oder aufgrund eines Todesfalls. Diese daily hassles (kleinere, alltägliche Unannehmlichkeiten und Ärgernisse, Anm. d. Red.) lassen die ein oder andere Sache bei der Arbeit aus dem Fokus geraten. Dass der Arbeitnehmer nicht jeden Tag motiviert zur Arbeit kommt, das muss man akzeptieren. (ms)

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