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Exklusiv-Interview mit Heribert Rech, Innenminister von Baden-Württemberg: „Alkohol-Gelage an Tankstellen können wir nicht länger hinnehmen“

05.08.2009 14:05 Uhr
Heribert Rech
Heribert Rech, Innenminister von Baden-Württemberg, nimmt es in Kauf, dass Tankstellen wegen des nächtlichen Alkoholverkaufsverbots finanzielle Einbußen hinnehmen müssen.
© Foto: Michael Latz

Kein Allheilmittel, aber ein wichtiger Baustein im Kampf gegen Alkoholmissbrauch: Baden-Württembergs Innenminister Heribert Rech (CDU) verteidigt im tm-Interview das nächtliche Alkohol-Verkaufsverbot im Ländle

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tankstellenmarkt: Warum braucht Baden-Württemberg ein nächtliches Alkohol-Verkaufsverbot an Tankstellen? Heribert Rech: Mit dem Alkohol-Verkaufsverbot in den Nachtstunden wollen wir alkoholbedingten Straftaten und Ordnungswidrigkeiten entgegentreten und vor allem Jugendliche und Heranwachsende vor den Gesundheitsgefahren durch übermäßigen Alkoholkonsum schützen. Gerade diese Altersgruppe unterschätzt häufig die unberechenbare Wirkung von alkoholischen Getränken. Mit jedem Schluck sinkt die Hemmschwelle und Nachschub kann jederzeit besorgt werden. Den meist nächtlichen öffentlichen „Alkoholgelagen“ – vor allem an Tankstellen – folgen häufig Pöbeleien, Schlägereien oder andere gewalttätige Straftaten, auch gegen Polizisten. Das können wir nicht länger hinnehmen. tankstellenmarkt: Wie erklären Sie dem 45-jährigen Facharbeiter, warum er Freitag abends an der Tankstelle kein Feierabend-Bier bekommen soll, während er tags darauf auf Straßenfesten oder beim Feuerwehr-Jubiläum stark betrunkenen Jugendlichen begegnet, denen offenbar von nicht-geschultem Personal Alkohol ausgeschenkt wurde? Rech: Die gesundheitlichen Gefahren des übermäßigen Alkoholkonsums sind besorgniserregend. „Komasaufen“ ist für viele Minderjährige kein Fremdwort, sondern Alltag. Das zu ändern ist eine wichtige Aufgabe für alle in unserer Gesellschaft. Im übrigen kontrollieren wir auch bei Straßen- und Vereinsfesten sehr genau, ob die Jugendschutzbestimmungen eingehalten werden. Das Phänomen des „Rucksacktrinkens“ ist bei diesen Veranstaltungen aber ein großes Problem. Woher holen sich wohl die Jugendlichen den Nachschub für die Rucksäcke? tankstellenmarkt: Tankstellen schulen ihre Mitarbeiter seit Jahren konsequent im Jugendschutz, an immer mehr Stationen gibt es zudem automatische Warnsysteme, die das Kassenpersonal auffordern, sich im Zweifel vor dem Verkauf von Alkohol den Ausweis zeigen zu lassen. Außerdem ist der Sprit fürs beliebte Selbermischen von Mixgetränken dort ohnehin um einiges teurer als im Supermarkt. Warum picken Sie sich ausgerechnet Tankstellen und Kioske heraus, um Jugendlichen den Zugang zu Alkohol zu erschweren? Rech: Das Verkaufsverbot gilt für alle Verkaufstellen von 22 Uhr bis 5 Uhr. Dazu gehören auch die Supermärkte, die in dieser Zeit geöffnet haben. Wissenschaftliche Studien belegen, dass man übermäßigen Alkoholkonsum effektiv einschränken kann, wenn der Verkauf von alkoholischen Getränken zu bestimmten Zeiten verboten wird. Diese Effekte werden auch nicht durch „Vorratskäufe“ zu anderen Zeiten ausgeglichen, da zuviel Alkohol in der Öffentlichkeit in der Regel spontan getrunken wird. Kaum ein Jugendlicher plant mittags, dass er sich abends betrinkt. Diese Befunde stimmen auch mit den Erfahrungen der Polizei überein. Danach decken sich in den Abend- und Nachtstunden vor allem junge Menschen in den Tankstellen mit Alkohol ein, obwohl die Getränke dort im Vergleich zu Supermärkten relativ teuer sind. tankstellenmarkt: Die Tankstellenbranche fürchtet massive Umsatzverluste, wenn das Alkohol-Verkaufsverbot kommt: Viele Kunden, die nachts ein Bier kaufen, nehmen gleich auch noch Süßigkeiten, Knabberartikel und andere Kleinigkeiten mit. Viele Betreiber wollen deshalb künftig ihre Tankstelle in den Nachtstunden zusperren, da sich eine Öffnung nicht mehr rentieren würde. Inwieweit gefährdet das Alkohol-Verkaufsverbot die Versorgungssicherheit der Bevölkerung mit Kraftstoffen, gerade in ländlichen Gebieten? Rech: Finanzielle Einbußen werden für die Tankstellen leider nicht ganz zu verhindern sein, sind aber im Hinblick auf das Ziel, übermäßigen Alkoholkonsum einzudämmen, hinzunehmen. Die Versorgungssicherheit mit Kraftstoffen sehe ich nicht in Gefahr. tankstellenmarkt: Glauben Sie wirklich, dass Jugendliche weniger trinken werden, nur weil es nachts zwischen 22 und 5 Uhr an Tankstellen keinen Alkohol mehr zu kaufen gibt? Rech: Es ist mir durchaus bewusst, dass unser Gesetz nicht alle Probleme auf einen Schlag lösen wird. Hierfür ist das Thema zu vielschichtig und zu komplex. Unser Gesetz ist jedoch ein wichtiger Baustein im Kampf gegen Alkoholmissbrauch, davon bin ich überzeugt. Alkoholmissbrauch ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Die Polizei alleine kann das nicht lösen, der Gesetzgeber auch nicht. Gefragt sind Eltern und Erzieher, eigentlich alle Erwachsenen, die Vorbildfunktion übernehmen müssten. tankstellenmarkt: Was müsste auf Seiten der Tankstellenbranche passieren, dass Sie Ihre Position revidieren? Rech: Es ist ein Fehler anzunehmen, dass sich das Gesetz gegen die Tankstellenbranche richtet. Sie können sicher sein, dass wir die Anregungen der Kritiker ernst nehmen. Deshalb werden wir unser Gesetz in drei Jahren auf den Prüfstand stellen. Ich bin jedoch überzeugt, dass die Regelung einen wichtigen Beitrag leistet, um den Alkoholmissbrauch einzudämmen und die Sicherheit zu erhöhen. Das Gespräch führte Christian Wimmer

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