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Fragen und Antworten: Erdgasbohrungen vor Borkum ab sofort möglich

02.09.2025 09:24 Uhr | Lesezeit: 4 min
Ölförderung auf einer Bohrinsel im Meer
Ölförderung auf einer Bohrinsel im Meer (Symbolbild).
© Foto: .

Trotz Protesten und eines noch ausstehenden Gerichtsverfahrens darf in der Nordsee vor Borkum nun nach Erdgas gebohrt werden. Das hat eine Behörde entschieden. Wie geht es in dem Streit weiter? Hier gibt es die Antworten.

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Mitten in der Nordsee vor der Insel Borkum liegt unter der Staatsgrenze von Deutschland und den Niederlanden ein großes Erdgasfeld. Darüber, ob das Erdgas gefördert werden darf, gibt es seit Jahren Streit: Befürworter sehen durch das zusätzliche, heimische Gas die Energiesicherheit gestärkt, Umweltschützer und Insulaner dagegen fürchten durch die Förderung Schäden für die Meeresumwelt und sehen Klimaschutzziele in Gefahr. Nun hat das zuständige Niedersächsische Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) angeordnet, dass die Erdgasbohrungen auch unter dem Meeresboden auf deutschem Gebiet erlaubt sind – per Sofortvollzug.

Was bedeutet der Sofortvollzug? 

Der sogenannte Sofortvollzug für die Bohrungen wurde von dem Energiekonzern One-Dyas beantragt. Auf niederländischem Gebiet fördert das Unternehmen bereits seit März in einer Testphase Gas. One-Dyas möchte mit der Erdgasförderung schnellstmöglich auch auf deutscher Seite beginnen. Eine grundsätzliche Genehmigung dafür hatte das LBEG bereits im vergangenen Sommer erteilt. Gegen diese Genehmigung klagt ein Bündnis von Umweltschutzorganisationen um die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Diese Klage hatte bislang eine aufschiebende Wirkung für die Bohrungen.

Warum kommt die Entscheidung der Behörde jetzt? 

Das Landesbergbauamt führt dafür mehrere Gründe an, nennt aber allem voran die Energiesicherheit. "Mit dieser Entscheidung kommt das LBEG dem überwiegenden öffentlichen Interesse an einer sicheren Energieversorgung nach", teilt die Behörde mit. Wegen einer unsicheren weltpolitischen Lage sei es "im Interesse einer sicheren Energieversorgung geboten", die Abhängigkeit von Erdgasimporten aus Regionen außerhalb der EU zu verringern.  

Zudem verweist das LBEG auf eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg von Mitte August. Demnach darf ein Seekabel, mit dem die Erdgasförderplattform mit Windstrom versorgt werden soll, gebaut werden. Auch ein für die Erdgasförderung nötiges völkerrechtliches Abkommen zwischen Deutschland und den Niederlanden liegt inzwischen unterzeichnet vor. Allerdings muss ein Ausführungsgesetz zum Abkommen laut Landesbergbauamt noch Bundestag und Bundesrat passieren.

Wann werden die ersten Bohrungen voraussichtlich erfolgen?

Bis Gas aus deutschem Meeresboden gefördert wird, dauert es noch. Für die Gasförderung sei eine weitere Bohrung nötig, teilt eine One-Dyas-Sprecherin mit. "Die Bohrung im deutschen Sektor soll im Dezember 2025 beginnen." Im Herbst soll das für die Gasförderung nötige Stromkabel verlegt werden. "Im Prinzip können sie jetzt loslegen", sagt ein LBEG-Sprecher mit Blick auf den Sofortvollzug. Wahrscheinlich müssten aber noch vorbereitende Arbeiten erfolgen. Unklar sei auch, inwieweit der Sofortvollzug vor Gericht beklagt werde. 

Bekannt ist schon, wie das Gas von deutschem Hoheitsgebiet gefördert werden soll: Von einer bereits auf niederländischem Gebiet errichteten Förderplattform, rund 20 Kilometer vor Borkum. Von der Plattform aus sollen die Bohrungen in einer Tiefe von bis zu 4.000 Metern unterhalb des Meeres verlaufen.

Wie viel Gas wird gefördert und hilft das der Energiesicherheit? 

Absehbar ist, dass die Erdgasförderung vor Borkum einen vergleichsweise kleinen Beitrag zum deutschen Gasbedarf liefern wird. Der gesamtdeutsche Gasverbrauch lag im vergangenen Jahr nach LBEG-Angaben bei 78 Milliarden Kubikmetern. Durch die heimische Gasförderung wurden zuletzt 4,4 Milliarden Kubikmeter Gas gefördert. Vor Borkum sollen im Regelbetrieb etwa 2 Milliarden Kubikmeter pro Jahr gefördert werden. One-Dyas hat aber noch weitere Felder in der Nähe im Blick – das Gesamtvolumen des sogenannten GEMS-Feldes wird auf 50 bis 60 Milliarden Kubikmeter geschätzt.

Wie reagieren Umweltschützer auf die Entscheidung? 

Die Umwelthilfe hält den Sofortvollzug für "völlig unverantwortlich". Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner bemängelt, dass die Klimabilanz und die Naturschutzverträglichkeit des Gasförderprojektes noch gar nicht gerichtlich geprüft wurde. "Der Sofortvollzug ist nicht nur ein Schlag ins Gesicht der Inselgemeinden, die seit Jahren gegen dieses Projekt kämpfen. Er ist auch ein fatales Signal für den Klima- und Naturschutz." Die Umwelthilfe kündigte an, weitere rechtliche Schritte zu prüfen, um die Gasförderung zu stoppen. Ob der Verein einen Widerspruch gegen den Sofortvollzug einlegt, der eine neue aufschiebende Wirkung haben könnte, war zunächst unklar.  

Umweltschützer und Insulaner fürchten, dass die Gasförderung Umweltfolgen für die Insel und das benachbarte Unesco-Weltnaturerbe Wattenmeer haben könnte. Unteressen hat Fridays for Future einen weiteren Protest auf Borkum angekündigt. Ende dieser Woche erwartet die Vereinigung mehr als 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu einem Klimacamp auf Borkum.

Wie reagiert die Landesregierung auf den Sofortvollzug?

Die Landesregierung ist bei der Gasförderung geteilter Meinung, das gilt auch für den angeordneten Sofortvollzug. Energieminister Christian Meyer (Grüne) hält neue Gas- und Ölförderungen für unnötig – auch angesichts des Ziels, dass Niedersachsen bis 2040 klimaneutral werden will. "Ich teile auch die Auffassung, dass das Gas vor Borkum zur Sicherstellung der Gasversorgung in Deutschland nicht gebraucht wird", teilt der Grünen-Politiker mit. Meyer verweist darauf, dass die Bundesregierung die sogenannte Gasmangellage zum 1. Juli beendet hatte. "Dagegen ist der Klima-, Natur- und Umweltschaden durch die Gasförderung am Rande des Unesco-Weltnaturerbes Wattenmeer erheblich", sagt er. 

Wirtschaftsminister Grant Hendrik Tonne (SPD) verteidigt dagegen den angeordneten Sofortvollzug. Das Landesbergbauamt, das dem Wirtschaftsministerium untersteht, sei "sehr gewissenhaft" vorgegangen, sagt Tonne. "Alle zur Verfügung stehenden Daten und Untersuchungen sind in diese Entscheidung eingeflossen und entsprechend gewürdigt worden." Am Ende seien die Bohrungen zu genehmigen gewesen. Die Rechtssicherheit stehe für die Landesregierung an erster Stelle – und diese liege "ganz klar vor."

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