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Ein heikler Präzedenzfall: Rosneft vs. Bundesrepublik Deutschland

26.02.2023 12:33 Uhr | Lesezeit: 5 min
Ein heikler Präzedenzfall: Rosneft vs. Bundesrepublik Deutschland
Rosneft ist rechtlich weiter Eigentümer der deutschen Töchter, kann aber nicht mehr mitbestimmen.
© Foto: Andrey Popov / Adobe-Stock

Der Staat als Unternehmer: Mit der Treuhandverwaltung über die deutschen Töchter des russischen Rosneft-Konzerns betrat die Bundesregierung juristisches Neuland. Womöglich entpuppt es sich als dünnes Eis.

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Die Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine vor einem Jahr haben den Energiemarkt in Deutschland kräftig durchgeschüttelt. Die Bundesregierung hatte es plötzlich eilig, die milliardenschweren Ölimporte aus Russland zu kappen. Dafür griff der Bund in drastischer Weise in den Markt ein. War das rechtens? Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ermittelt (Aktenzeichen: BVerwG 8 A 2.22).

Worum geht es in dem Verfahren?

Das staatliche russische Unternehmen Rosneft – der Mutterkonzern in Moskau und ein Ableger in Luxemburg – klagt dagegen, dass der Bund im September 2022 die Kontrolle über die beiden deutschen Tochterfirmen Rosneft Deutschland GmbH und RN Refining & Marketing übernahm. Die Kläger halten das für rechtswidrig.

Konkret stellte die Bundesregierung die Rosneft-Töchter unter Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur. Diese berief eine neue Geschäftsführung. Rosneft ist rechtlich weiter Eigentümer der deutschen Töchter, kann aber nicht mehr mitbestimmen. Sollten die Töchter Gewinn machen, bleibt dieser als Rücklage bei ihnen in Deutschland. Der Bund verdient nicht mit, Russland aber auch nicht.

Ein Sprecher der Bundesnetzagentur sagt es so: "Unter der Treuhand ist sichergestellt, dass keine Zahlungen der Unternehmen nach Russland erfolgen, es sei denn, dies ist durch den Treuhänder in Einzelfällen autorisiert."

Warum übernahm der Bund die Kontrolle?

Im Zuge von EU-Sanktionen sagte Deutschland zu, ab 2023 ganz auf russisches Rohöl zu verzichten. Die Rosneft-Töchter importierten und verarbeiteten aber zum Großteil russisches Öl. Zugleich hatten sie einen erheblichen Marktanteil: Sie hielten nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums über Beteiligungen an drei Raffinerien zwölf Prozent der Kapazität zur Erdölverarbeitung in Deutschland.

Zentral war die Mehrheitsbeteiligung von 54 Prozent an der PCK-Raffinerie im brandenburgischen Schwedt, die Nordostdeutschland mit Benzin, Diesel und anderen Produkten versorgt. Sie hing am russischen Rohöl aus der Druschba-Leitung. Rosneft hatte nach Worten von Wirtschaftsminister Robert Habeck kein Interesse, das zu stoppen.

Wie begründet der Bund die Treuhandlösung?

Rechtlich argumentierte das Ministerium im Bundesanzeiger so: Wegen Unsicherheiten bei den Folgen der EU-Sanktionen hätten Vertragspartner die Zusammenarbeit mit Rosneft eingeschränkt. Mitarbeiter seien dabei abzuwandern. Damit sei der Betrieb kritischer Infrastruktur in Gefahr.

Im Falle PCK kam laut Ministerium hinzu: Um die Raffinerie ohne russisches Öl wirtschaftlich weiter zu betreiben, brauche sie Lieferungen von Tankeröl über den Hafen Danzig. Dies sei nach polnischen Angaben erst denkbar, wenn russische Gesellschafter nicht mehr beteiligt seien, hieß es im Bundesanzeiger weiter.

Wie begründet Rosneft die Klage?

Die Kläger führen drei wesentliche Gründe an: Es habe vor der Treuhandlösung keine Anhörung gegeben, die gesetzlichen Voraussetzungen für eine solche Treuhandverwaltung seien nicht gegeben und es fehle eine Rechtsgrundlage für ein Embargo leitungsgebundenen russischen Rohöls seit dem 1. Januar 2023. Gemeint sind die Lieferungen über die Druschba-Leitung. Diese sind nicht vom EU-Ölembargo gegen Russland erfasst, sondern nur Tankeröl. Deutschland verzichtete per EU-Protokollnotiz zusätzlich auf das Pipeline-Öl.

Wieso durfte der Bund da eigentlich zugreifen?

Die Ampel-Koalition hatte 2022 das Energiesicherungsgesetz entsprechend geändert. Paragraf 17 sieht die Option einer Treuhandverwaltung für Betreiber von kritischer Infrastruktur im Energiesektor vor. Sie greift, "wenn die konkrete Gefahr besteht, dass ohne eine Treuhandverwaltung das Unternehmen seine dem Funktionieren des Gemeinwesens im Sektor Energie dienenden Aufgaben nicht erfüllen wird, und eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit droht".

Warum ist das Verfahren in Leipzig wichtig?

Mit der rechtlichen Konstruktion der staatlichen Treuhandverwaltung einer privatwirtschaftlichen Firma mit ausländischem Eigentümer betrat der Bund juristisches Neuland. Zuerst wurde Gazprom Germania unter die Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur gestellt, dann die Rosneft-Töchter. Möglich ist, dass das Bundesverwaltungsgericht die Treuhandverwaltung aufhebt – dann wären die deutschen Tochterfirmen wieder unter russischer Kontrolle. Für den Bund wäre das eine herbe Niederlage. Sollte Rosneft vor Gericht scheitern, wäre das eine Bestätigung für Berlin.

Wie könnte es weiter gehen mit Rosneft?

Die Treuhandverwaltung wurde zunächst auf sechs Monate befristet, also bis zum 15. März. Sie dürfte verlängert werden – wenn der Bund in Leipzig gewinnt. Habeck hat zudem Pläne, die Optionen zum Verkauf von Energieunternehmen in Treuhandverwaltung wie im Fall Rosneft zu erweitern. Derzeit ist dies nur zulässig, wenn es zum Werterhalt des Unternehmens erforderlich ist. Künftig soll ein Verkauf auch "zur Sicherung des Funktionierens des Gemeinwesens im Sektor Energie und zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit" erlaubt sein. Das könnte auf die Pläne des Bundes für die Rosneft-Töchter hindeuten.

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