Auf der Inter-tabac stand zur Eröffnungspressekonferenz im September wieder ein Regal. In dem steckten Zigaretten und Feinschnittpackungen, auf denen große Schockbilder prangten. Operationen am Herzen und Raucherlungen waren zwei Hauptmotive. Zur 35. Auflage der weltgrößten Tabakwarenmesse in Dortmund ließ der Deutsche Zigarettenverband (DZV) diese Packungen produzieren. Und zwar so wie es die EU-Kommission plant, in der Tabakprodukt-Richtlinie (TPD) vorzuschreiben: 75 Prozent der Packungsfläche nehmen Bild und Textwarnhinweise ein. Die Besonderheit: Die Warner beginnen bei der Zigarettenschachtel von oben. Das Markenlogo wandert so nach unten, die Steuerbanderol brauch einen neuen Platz.
Und so sehen Zigarettenschachteln und Feinschnittbeutel wohl künftig aus. Nur mit dem einen Unterschied: Die Warnhinweise müssen 65 Prozent der Verpackung abdecken. So lautet eines der wichtigsten Ergebnisse, was die Abstimmung im Europäischen Parlament am 8. Oktober erbrachte. Die Abgeordneten hatten zuvor über das ENVI-Papier debattiert. Dieses legte der EU-Ausschuss für Umwelt, Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI) am 10. Juli vor. Das Papier weicht sowohl vom EU-Kommissionsvorschlag (19.12.2012) und von der EU-Ministerrats-Vorgabe zur verschärften TPD ab. Letzteres verabschiedeten die Gesundheitsminister der 27 EU-Staaten am 21. Juni.
Anträge ohne Ende
Bevor sich die Parlamentarier in Straßburg zur neuen TPD positionierten, mussten sie Änderungsanträge abarbeiten. 86 schafften es ins Abstimmungspapier. Dort stehen nun neben der erwähnten Schockbild- und Textwarnhinweis-Regel noch zig neue Vorschriften drin. Danach verbietet eine zum Beispiel Zigarettenpackungen, die weniger als 20 Zigaretten aufweisen. Für Feinschnitt gilt demnach eine Mindestmenge von 20 Gramm, die in der Packung stecken muss.
Die Abgeordneten votierten gegen ein Verbot der Slim-Zigaretten. Die Superschlanken bleiben erlaubt, welche die Hersteller aber nicht mehr in den kleinen Packungen anbieten dürfen. Zusatz- und Geschmackstoffe kommen auf die Verbotsliste. Und zwar die, welche Zigaretten, Feinschnitt und Wasserpfeifentabak ein charakteristisches Aroma geben und so attraktiv machen. Das klingt nebulös, lässt Spielraum. Sicher ist: Für Aromen wie Vanille, Schokolade und andere kommt das Aus. Die EU räumt eine Übergangsfrist von 36 Monaten ein. Nur Menthol klammert die bisherige Fassung für weitere fünf Jahre aus. Das bedeutet: Durch diese Ausnahmeregel darf es Mentholzigaretten noch acht Jahre geben, bevor auch sie das Verbot betrifft.
Eine Zusatzstoffliste soll künftig Substanzen und deren Menge aufführen, welche die TPD Herstellern gestattet. Wollen Produzenten einen Zusatzstoff verwenden, müssen sie ihn bei der EU-Kommission beantragen.
Am Schmuggel vorbei?
Die Trace & Tracking-Vorschrift beruft sich auf das Anti-Schmuggelprotokoll der Weltgesundheitsorganisation (WHO) – und fand ebenso den Segen der Abgeordnetenmehrheit. Diese Regel soll garantieren, ein Tabakprodukt vom Hersteller bis zum ersten Einzelhändler rückverfolgen zu können. Auf dem Papier eine Maßnahme gegen Schmuggel. Praktisch zumindest vom Mittelstand nicht umzusetzen, heißt es vom Verband der deutschen Rauchtabakindustrie (VdR). Das überlaste Familienbetriebe finanziell wie bürokratisch.
E-Zigaretten fallen nach dem abgestimmten Papier nicht unter die Arzneimittelregelung. Es sei denn, Hersteller versprechen eine Heilung oder Verhütung. Dann gelten sie als Arzneimittel, die nur Apotheken vertreiben. Sonst darf der Einzelhandel verkaufen – unter folgenden Vorgaben: Die zu verdampfende Flüssigkeit (Liquids) dürfen maximal 30 Milligramm Nikotin pro Milliliter enthalten. Gesundheitswarnungen sind wie bei den Tabakwaren Pflicht. Auch gilt das Mindestalter von 18 Jahren, um E-Zigaretten kaufen zu können. Hersteller und Importeure müssen die Inhaltsstoffe offenlegen.
Heiße Schokostengel
Bei all den Regel- und Änderungsmarathon traf es auch die Schokoladenzigarette für die Kleinen. Der durchgewinkte Artikel 19 a (Abänderung 73) verbietet imitierende Tabakwaren. Denn diese könnten ja für Minderjährige attraktiv sein und zum Konsumieren von Tabakwaren verleiden, führt genannte Passage sinngemäß auf. "Spiegel-Online" titelte dazu: "EU-Parlament blamiert sich mit Tabak-Imitat-Verbot".
Linda McAvan, Berichterstatterin für den ENVI-Ausschuss, bezeichnete den verabschiedeten Gesetzestext als "einen guten Kompromiss". Sie erläutert auf der Website vom Parlament warum: "Ziel des neuen Gesetzes ist es, die Tabakfirmen davon abzuhalten, eine neue Generation von Rauchern zu rekrutieren, die sie gezielt mit verspielten Produkten ansprechen. Einige dieser Produkte werden vom Markt verschwinden: aromatisierte Zigaretten." Als weiteres Beispiel nennt McAvan "dekorative Verpackungen, die speziell dafür entworfen wurden, um junge Mädchen zum Rauchen zu animieren". Sie meint Slim-Zigaretten. Und die Britin freut sich auf die großen Warnbilder, verzichtet in dem Interview das Hauptargument der EU zu bringen: Rauchen soll 700.000 Tote im Jahr in der EU verursachen.
DZV und VdR reagierten prompt auf die Abstimmung. Sie lehnten die neue TPD ab – jeweils mit Stellungnahmen. Um nur einen gemeinsamen Kritikpunkt herauszugreifen: Beide Verbände sehen in der Richtlinie eine Bürokratiemonster, was vor allem den Mittelstand bedroht.
Zunächst muss aber noch mal McAvan ran. Sie erhielt vom Parlament das Mandat, eine Abgeordnetendelegation anzuführen, die mit den Ministerrat verhandelt. Es gilt eine gemeinsame Position zu finden. Diese müsste das Europaparlament abschließend verabschieden. Labour-Mitglied McAvan, hofft auf eine Einigung bis Weihnachten. Erst danach kann die neue TPD in Kraft treten. Ab dem Zeitpunkt bleiben den EU-Ländern 18 Monate, um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Nicht TPD-konforme Tabakwaren dürfen in einer Übergangsfrist von 24 Monaten noch über den Verkaufstresen gehen. Bei E-Zigaretten beträgt diese Zeitspanne 36 Monate. (kak)