Laut einer Studie zahlen Kunden fürs Überziehen des Girokontos oft immer noch viel zu hohe Zinsen - obwohl Banken und Sparkassen so günstig an Geld kommen wie nie. Es liege nahe, dass "die Erträge aus dem Dispokreditgeschäft die Kosten, die dem Kreditinstitut für dieses einzelne Produkt entstehen, deutlich übersteigen", heißt es in einem Gutachten für das Bundesverbraucherministerium. Ressortchefin Ilse Aigner (CSU) dringt deshalb auf faire Konditionen, Transparenz und mehr Wettbewerb. SPD, Grüne und Verbraucherschützer verlangen gesetzliche Obergrenzen.
Im Schnitt werden zurzeit zwischen zehn und elf Prozent Zinsen für das Überziehen des Girokontos berechnet, teils lagen Sätze bei mehr als 14 Prozent, so jüngste Angaben der Stiftung Warentest. Dagegen hatte die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins, zu dem sich Banken Geld beschaffen können, erst Anfang Juli auf das historische Tief von 0,75 Prozent gesenkt.
Transparenz und Wettbewerb fehlen
Aigner forderte die Geldinstitute auf, Zinsvorteile weiterzugeben. "Wollen die Banken den Kredit bei ihren Kunden nicht verspielen, müssen sie runter von überhöhten Dispozinsen." Nötig seien unter anderem bessere Informationen. "Es kann nicht sein, dass man eine Stunde lang auf der Internetseite einer Bank suchen muss, bis man die Höhe des Dispozinses findet." Die Ministerin will im Herbst Branche, Verbraucherschützer sowie Schuldenberater zu einem Gespräch einladen.
Die Experten des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und des Institut für Finanzdienstleistungen weisen in dem Gutachten darauf hin, dass ein Preiswettbewerb bei Dispozinsen fehle. Einnahmen würden wohl "zur Quersubventionierung anderer Leistungen oder zur Gewinnsteigerung verwendet". Die Kreditausfall-Quoten seien mit etwa 0,2 Prozent sogar niedriger als bei normalen Krediten mit 2,5 Prozent. Beispiele aus der Praxis zeigten, dass Banken mit Dispozinsen von "um die zehn Prozent" profitabel arbeiten könnten.
Staatliche Schranken gefordert
Wie Verbraucherschützer forderten auch SPD und Grüne staatliche Schranken. "Wir brauchen endlich ein Gesetz mit einer Obergrenze für Dispozinsen", sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel der "Bild" am vergangenen Freitag. Die Praktiken der Banken seien Abzocke. Baden-Württembergs Finanzminister Nils Schmid (SPD) kündigte eine Bundesratsinitiative an. Aigner sieht Obergrenzen dagegen weiter kritisch. Im Gutachten für das Ministerium wird darauf hingewiesen, dass sie Klarheit für Verbraucher schafften, aber auch negative Effekte hätten. So bestehe die Gefahr, dass Anbieter sie "zu ihren Gunsten ausschöpfen".
Von der Möglichkeit eines unkomplizierten Kleinkredits machen Bankkunden in Deutschland rege Gebrauch. Fast jeder vierte Verbraucher (24 Prozent) hat in diesem Jahr laut einer Umfrage des Instituts Forsa schon sein Girokonto überzogen, wie das Ministerium mitteilte. Befragt wurden Mitte Juli 1001 Menschen ab 18 Jahren. (dpa/sz)