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Interview: Ein Eindruck, der täuscht

04.07.2015 10:57 Uhr
Hermann Dinkler, Referent Anlagentechnik, Arbeitswelt, Systemsicherheit, Regelwerke beim Verband der TÜV (VdTÜV)
Hermann Dinkler ist Referent Anlagentechnik, Arbeitswelt, Systemsicherheit, Regelwerke beim VdTÜV.
© Foto: VdTÜV

Fast die Hälfte der 2014 geprüften Tankstellen weisen laut Anlagensicherheits-Report 2015 einen Mangel auf. Ob diese Zahl tatsächlich Hinweis auf ein Sicherheitsdefizit ist, erklärt Hermann Dinkler, Referent Anlagentechnik, Arbeitswelt, Systemsicherheit, Regelwerke beim Verband der TÜV (VdTÜV), im Interview mit tankstellen markt.

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tm: Auf welchen Daten basiert der Anlagensicherheits-Report?

Dinkler: Tankstellen unterliegen mehreren Rechtsbereichen. Der Anlagensicherheits-Report erfasst nur die Prüfberichte der zugelassenen Überwachungsstellen bezüglich des Brand- und Explosionsschutzes. Aspekte wie Wasserschutz und Gasrückführung, die an Tankstellen natürlich auch Thema sind, werden nicht berücksichtigt.

tm: Knapp 54 Prozent der 2014 geprüften Tankstellen waren demnach mängelfrei. Das erscheint auf den ersten Blick nicht viel …

Dinkler: Der Eindruck täuscht. Eine Tankstelle kann man nicht komplett kaufen, sondern sie besteht aus vielen Einzelteilen, die vor Ort zusammengeführt werden müssen. Aus diesem Grund gibt es häufig schon aus formalen Gesichtspunkten Schwierigkeiten, zum Beispiel wenn zu den einzelnen Bestandteilen die entsprechenden Dokumente und Betriebsanleitungen des Herstellers fehlen. Oder es kann zu technischen Schnittstellenproblemen kommen. Das ist alles nichts Schwerwiegendes. Es sind jedoch Punkte, aufgrund derer der Prüfer die Anlage nicht als komplett mängelfrei bewerten kann. Das heißt aber in der Regel nicht, dass es deshalb zu irgendwelchen gefährlichen Situationen kommt.  

tm: Viele Anlagen weisen laut Report einen „geringfügigen Mangel“. Was versteht man darunter?

Dinkler: Die Einordung in die verschiedenen Mangelstufen basiert auf den Vorgaben des ZÜS-Erfahrungsaustauschkreises (EK ZÜS). Demnach ist ein geringfügiger Mangel ein Mangel, der bis zur nächsten wiederkehrenden Prüfung eine Gefährdung für Beschäftigte und Dritte nicht erwarten lässt. Ein Beispiel dafür ist die fehlende Dokumentation eines Gerätes. Wenn die ZÜS das Gerät kennt, formal aber die Betriebsanleitung nicht vorliegt, dann ist das natürlich nicht wirklich gefährlich. Trotzdem ist die Tankstelle damit nicht mängelfrei. Als erheblich gilt ein Mangel, der bis zur nächsten wiederkehrenden Prüfung eine Gefährdung erwarten lässt.

tm: Das bedeutet konkret?

Dinkler: Zu solch einem Mangel kann ein Behälter gehören, der korrodiert, oder eine Veränderung des Isolationswiderstandes von Kabeln und Leitungen. Das ist in beiden Fällen nicht unmittelbar gefährlich. Aber der Prüfer ist bei solchen Beispielen der Auffassung, dass dieses Objekt bis zur nächsten Prüfung in fünf Jahren nicht mehr sicher ist und dass daher der Mangel zeitnah behoben werden sollte.

tm: Richtig bedenklich ist also erst ein „gefährlicher Mangel“?

Dinkler: Richtig. Dabei handelt es sich um einen konkreten Mangel, durch den Mitarbeiter und Dritte unmittelbar gefährdet sind. Wenn der Prüfer einen Mangel in dieser Einstufung entdeckt, muss der Tankstellenbetreiber die Station im Zweifelsfall erst einmal schließen. Solche Befunde traten 2014 allerdings nur in 0,10 Prozent der Fälle ein.

tm: Auf welche Mängel treffen die Prüfer denn häufiger?

Dinkler: Ein Schwerpunkt der technischen Mängel liegt bei der fehlenden Ableitfähigkeit von Keilriemen und Schläuchen. Diese Teile können sich elektrostatisch aufladen und Funken erzeugen. Ein weiteres Beispiel ist eine mangelhafte technische Dokumentation im Bereich Elektrotechnik. Früher war es relativ einfach: Da stand die Zapfsäule mit Schaltwerk und Bondrucker. Der Kunde musste den Bon aus der Zapfsäule rausnehmen und hat an der Kasse bezahlt. Inzwischen sind bei solchen Anlagen so viele Verknüpfungen von der Zapfsäule zur Kasse und zur Preisanzeige dazugekommen, die häufig nicht hundertprozentig sauber in Schalt- und Verlegeplänen dokumentiert sind. Ordentliche Aufzeichnungen sind aber wichtig, damit man weiß, wo welche Leitungen verlaufen und was sie bewirken können.

tm: Wie ernst nehmen die Betreiber Ihrer Erfahrung nach die Prüfungen?

Dinkler: Man muss ein bisschen differenzieren. Die größeren Mineralölgesellschaften haben in der Regel Kooperationen mit Ingenieurbüros und Fachbetrieben, die sich darum kümmern, dass alles ordnungsgemäß abläuft. Aber es gibt natürlich auch viele kleine unabhängige Tankstellen, bei denen der Betreiber allein verantwortlich ist und sich selbst um alles kümmern muss. Für die ist die Prüfung natürlich mit mehr Aufwand verbunden. Ich habe allerdings noch nie gehört, dass es da zu irgendwelchen Schwierigkeiten gekommen ist. Die Sicherheit wird bei den Betreibern als sehr hoch angesehen. Keiner möchte, dass irgendetwas passiert und die Tankstelle ins Gerede kommt.  Es wird also immer versucht, alle Fehler so schnell wie möglich zu beheben.

tm: Welche Tipps können Sie geben, damit der Prüfer im Idealfall keine Mängel findet?

Dinkler: Das fängt damit an, dass Betreiber alle Unterlagen und Dokumentationen, die bei der letzten Prüfung gebraucht wurden, vorbereitet. Deshalb rate ich auch, alle Dokumente immer gleich sauber an der richtigen Stelle einzuordnen und nicht einfach irgendwo auf einen großen Stapel zu legen. Da hat man schon mal eine ganze Menge gewonnen. Und natürlich sollten die Betreiber bei der Wartung darauf achten, dass sie möglichst regelmäßig und durchaus auch mal vorbeugend gemacht wird. Damit hat der Betreiber schon mal einen guten Schritt in die richtige Richtung gemacht. 

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