Es ist selten, dass so viele Menschen von einer Insolvenz betroffen sind: Mehr als 500.000 Kunden hat der Billigstrom-Anbieter Flexstrom nach eigenen Angaben bundesweit. Am Freitag (12. April) meldete das Unternehmen Insolvenz an. Zahlreiche Privatkunden dürften dadurch dreistellige Euro-Beträge verlieren, die sie per Vorauszahlung an Flexstrom überwiesen hatten, um im Gegenzug in den Genuss eines günstigen Stromtarifs zu kommen.
Die Bundesnetzagentur ließ am Abend wissen, dass sie dem Unternehmen die Vorauskasse verbieten wollte. "Das war schon unterschrieben und sollte am Freitag rausgehen", sagte ein Sprecher und bestätigte einen Bericht des "Handelsblatts". Die Behörde hatte im Januar ein Verfahren zur Untersagung der Geschäftstätigkeit gegen Flexstrom eingeleitet.
Schuld sind die anderen
Nach Lesart der Geschäftsführung sind die Gründe für die Insolvenz bei anderen zu suchen: Bei Medien, die mit unfairer Berichterstattung das Image irreparabel geschädigt hätten. Die Sorge der Kunden vor Zahlungsproblemen von Flexstrom habe erst zu genau diesen Problemen geführt, heißt es bei dem Berliner Unternehmen. Geschadet habe zudem eine Lieferantenstruktur, die von einigen wenigen Großkonzernen bestimmt werde. Die hätten immer höhere Sicherheiten verlangt, beklagte sich Flexstrom am Freitag.
Schließlich habe der lange Winter dazu geführt, dass das Unternehmen mehr Energie einkaufen musste, zugleich aber von den Kunden keine höhere Abschläge bekam. So sei man "notgedrungen mit einem Millionenbetrag in Vorleistung" gegangen.
Verbraucherschützer warnten in den vergangenen Jahren immer wieder vor den Tücken bei Vorkasse-Tarifen. Sie sind zwar nicht per se ein Übel, denn auch andere Versorger, darunter Stadtwerke, haben sie im Programm. Für die Kunden besteht das Risiko darin, dass sie im Pleitefall ihren vorausbezahlten Geldbetrag erst mal abschreiben müssen. Und sie werden doppelt bestraft: Denn für den Strom, den sie dann automatisch vom zuständigen Stadtwerk zum Tarif der Grundversorgung erhalten, muss ein deutlich höhere Preis gezahlt werden - zumindest bis zum nächsten Wechsel.
Diese bittere Erfahrung machten mehr als 700.000 Kunden des Stromdiscounters Teldafax, der Mitte 2011 als erster großer Billiganbieter in der Strom- und Gasversorgung die Segel streichen musste. Nach der Anzahl der Betroffenen ist es bis dato die größte Pleite in der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Das Geschäftsmodell des Unternehmens aus Troisdorf bei Bonn basierte auf dem Vorkasse-Modell.
Preise unterhalb der Lieferkosten kalkuliert
Um möglichst viele Kunden zu gewinnen, wurden die Preise sogar unterhalb der Kosten kalkuliert, die Teldafax an seine Lieferanten zahlen musste. Durch diese Verluststrategie trieb sich Teldafax am Ende selbst in die Pleite. Das Ganze war nur vorübergehend aufrechtzuerhalten, weil die Kundenzahlen explodierten. Dann kam der Absturz.
Flexstrom wies darauf hin, dass es im vorigen Jahr noch 20 Millionen Euro Gewinn gemacht habe. Die Firma sei profitabel gewesen, am Ende aber nicht mehr liquide. Der Geschäftsführer der Verbraucherzentrale Hamburg, Günter Hörmann, findet jedenfalls, dass es so nicht weitergeht: "Das Vorkasse-Modell, wie es Flexstrom angewandt hat, sollte für Stromanbieter verboten werden", forderte er im "Handelsblatt". "Nur so können die Verbraucher geschützt werden." Über Flexstrom habe es schon seit einiger Zeit zahlreiche Beschwerden gegeben, versprochene Gutschriften seien verweigert und Preiserhöhungen untergeschoben worden.
Ob es bei Flexstrom tatsächlich Unregelmäßigkeiten gab, wird sich erst herausstellen, wenn der Insolvenzverwalter bestellt ist. Bei Teldafax wurde es am Ende immer abstruser: Anstatt die Notbremse zu ziehen, glaubte das Unternehmen fast bis zuletzt daran, der Zahlungsunfähigkeit entrinnen zu können.
Die Abwicklung des Falles Teldafax kann noch Jahre in Anspruch nehmen. Vor zwei Monaten erhob die Staatsanwaltschaft Bonn Anklage gegen drei ehemalige Top-Manager des Unternehmens. Die Ermittler werfen ihnen Insolvenzverschleppung und Betrug in 241 Fällen vor. Die Insolvenz von Flexstrom rund anderthalb Jahre später zeigt vor allem eins: Auf dem deutschen Strom- und Gasmarkt, in dem sich inzwischen mehr als tausend Anbieter tummeln, wird mit harten Bandagen gekämpft. (dpa/beg)
500.000 Kunden betroffen: Billigstrom-Anbieter Flexstrom ist insolvent
Es ist der zweite große Insolvenzfall bei deutschen Stromanbietern. Nach Teldafax könnte auch Flexstrom vom Markt verschwinden. Verbraucherschützer fordern Konsequenzen.