Nach den trüben Wintermonaten haben sich die Monate April und Mai als sehr sonnig erwiesen. Das hat Auswirkungen für alle Stromkunden, die sich im Spotmarkt befinden und ebenso für viele Betreiber von Photovoltaik (PV)-Anlagen. Preise um die 0 ct/kWh oder darunter waren in diesen Monaten sehr häufig anzutreffen. Im Mai lag der Spotmarktpreis an der Strombörse EEX in Leipzig beispielsweise für 129 Stunden im negativen Bereich. Das ist eine neue und gleichzeitig erwartbare Entwicklung.
Die Ursachen hierfür sind rasch ausgemacht. Einerseits setzt sich der Zubau an PV-Anlagen ungebremst fort. Dieses gilt insbesondere auch für Anlagen im privaten Bereich (zum Beispiel sogenannte Balkonkraftwerke). Gleichzeitig haben die vorhandenen Anlagen in den vergangenen Monaten einen vergleichsweise höheren Ertrag erzielt als in den Vergleichsmonaten des Vorjahres. Unsere eigene Anlage lag jeweils um mehr als 10 Prozent über den Vergleichswerten des Vorjahres. Diese Entwicklungen haben sehr gravierende Auswirkungen für Stromverbraucher und -produzenten.
Des Stromverbrauchers Freud ...
Unternehmen, die ihren Strom uneingeschränkt im Spotmarkt einkaufen und ohne Stromeigenproduktion unterwegs sind, können sich nach vergleichsweise teuren Monaten zum Jahreswechsel nun über sehr niedrige Bezugspreise freuen. Im Monat April wurden beispielsweise in Tankstellen und Waschstraßen durchschnittliche Preise unter 6 ct/kWh, teilweise sogar unter 5 ct/kWh erzielt, für den Monat Mai wird es nochmals zwischen 1,5 ct/kWh und 2 ct/kWh günstiger (diese Preise verstehen sich zuzüglich Marge des Lieferanten sowie Netzentgelten, Umlagen und Steuern). Für die kommenden Sommermonate sind ähnliche Preise zu erwarten.
... ist des Stromproduzenten Leid
Das gilt zumindest, wenn der Strom über eine PV-Anlage produziert wird. Mag der Ertrag bei Anlagen mit einer Leistung unter 100 kWpeak noch durch die gesetzliche Einspeisevergütung abgesichert sein, sieht es für Großanlagen ganz anders aus. Hier drohen Abschaltungen bei Überlastung des Stromnetzes mit überschaubarer Ausfallvergütung ebenso wie im Grunde ausbleibende Erträge. Aus der Praxis ist ein Fall bekannt, bei dem ein Produzent rund 110.000 kWh Strom geliefert hat und dafür rund 1.600 Euro bezahlen musste. Das betraf den Monat April. Für die nächsten Monate dürfen die Zahlungen noch höher ausfallen, wenn die Anlage nicht ohnehin vorübergehend abgeschaltet wird.
Im Ergebnis wird die sich abzeichnende Entwicklung der Amortisationsberechnung diverser Anlagen nachträglich mit einem Fragezeichen zu versehen sein. Es bleibt abzuwarten, wann die ersten Betreiber in finanzielle Schwierigkeiten geraten.
Handlungsempfehlungen
Für Stromverbraucher gilt es, die aktuelle Situation bei der Auswahl neuer Energielieferverträge genau zu bewerten. Letztlich entscheidet die Qualität alternativer Festpreisangebote (Mengenklausel?) sowie die individuelle Verbrauchsstruktur (hoher Verbrauch während der Sonnenstunden, gegebenenfalls hoher Verbrauch am Wochenende) ob und wie stark ein Stromverbraucher von den beschriebenen Entwicklungen profitiert. Bei einer Vielzahl von Unternehmen dürfte die Variante Spotmarkt jetzt und für das kommende Jahr die kostengünstigere Wahl sein.
Für die Betreiber von PV-Anlagen im Bestand gilt, dass individuell geprüft werden muss, wie die Vergütung geregelt ist. Betreiber mit einer Anlagengröße unter 100 kWpeak sind in der Regel durch die gesetzliche Einspeisevergütung gut abgesichert – das gilt zumindest bei Altanlagen. Betreiber mit einer Anlagengröße über 100 kWpeak könnten zur Verbesserung der Performance über eine Speicherlösung nachdenken. Aber auch hier gilt: in vielen Fällen ist diese nach wie vor unwirtschaftlich. Im Einzelfall kann auch die Optimierung der bestehenden Vermarktungsverträge helfen. Hier lassen sich durchaus Vorteile im unteren vierstelligen Bereich oder darüber generieren.
Projekte lassen sich weniger gut rechnen
Und wie sieht es mit neuen Anlagen aus? Hier stellt sich zunächst die Frage der weiteren politischen Entwicklung. Auf der einen Seite soll Strombezug durch die Senkung der Stromsteuer und der Netzentgelte vergünstigt werden, auf der anderen Seite Stromproduktion mit Netzentgelten belastet werden. In Summe führen diese Entwicklungen dazu, dass sich Projekte zur Stromproduktion weniger gut rechnen lassen.
Fraglich ist auch, ob die Änderungen nur für neue Anlagen oder auch für Altanlagen gelten. Jedenfalls gilt schon heute, dass Neuanlagen rascher vom Netz genommen werden dürfen und auch eine gesetzliche Vergütung nur gezahlt wird, wenn der Strompreis an der Börse positiv ist. Insofern sollten Projekte in Bezug auf Stromeigenproduktion zurückgestellt werden, bis es seitens des Gesetzgebers Klarheit gibt.
