Die EU-Kommission geht mit aller Härte gegen den russischen Gasriesen Gazprom vor: Nach Razzien haben die obersten Wettbewerbshüter Europas nun ein Kartellverfahren gegen den Konzern eröffnet und drohen mit einem EU-Bußgeld von bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes. "Die EU-Kommission hat Bedenken, dass Gazprom seine beherrschende Marktposition bei der Gasversorgung von EU-Staaten in Zentral- und Osteuropa missbraucht", teilte die EU-Kommission am Dienstag in Brüssel mit.
Nach Angaben von Diplomaten will Brüssel die Marktmacht von Gazprom brechen. Der Fall hat auch eine politische Dimension, da viele EU-Länder bei der Energieversorgung von russischem Gas abhängig sind und es in diesem Punkt immer wieder Spannungen zwischen der EU und Russland gibt.
Die EU-Kommission konzentriert sich bislang auf acht Länder: Polen, Tschechien, die Slowakei, Ungarn, Bulgarien, Estland, Lettland und Litauen. Es könnten aber noch mehr werden. "Wir schließen nicht aus, dass die Untersuchung auf andere Mitgliedsstaaten ausgeweitet wird, wenn sich neue Erkenntnisse ergeben", sagte der Sprecher von EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia am Mittwoch in Brüssel.
Die EU-Behörde wirft Gazprom drei unfaire Geschäftspraktiken vor: Gazprom habe möglicherweise den
- Transport von Gas in EU-Staaten behindert,
- den Markt abgeschottet und
- den Kunden unfaire Preise in Rechnung gestellt.
Auf diese Weise, so die EU-Kommission, habe Gazprom anscheinend seine Monopolstellung auf vielen osteuropäischen Energiemärkten sichern wollen.
"Solch ein Verhalten würde den Wettbewerb beschränken, zu höheren Preisen führen, die Versorgungssicherheit der Länder beeinträchtigen und letztlich auch EU-Verbrauchern schaden", schrieb die EU-Kommission. Dies verstoße gegen EU-Recht. Die Absprache von Preisen oder Konditionen zum Schaden von Verbrauchern und Kunden sind in der EU streng verboten. Die Untersuchungen beziehen sich auf den Großhandel mit Gas, Unregelmäßigkeiten dort können jedoch auch die Preise für Endverbraucher beeinflussen.
Gas-Lieferengpässe befürchtet Brüssel nciht, selbst wenn Russland weniger Gas nach Europa liefert. "Sollte es dazu in den kommenden Monaten kommen, sind wir sehr viel besser vorbereitet als in der Vergangenheit", sagte die Sprecherin von EU-Energiekommissar Günther Oettinger. Nach dem Gasstreit 2009 zwischen Russland und der Ukraine, der zu Engpässen in der EU geführt hatte, seien neue Vorgaben beschlossen worden. So müsse jeder EU-Staat sicherstellen, dass die Gasfirmen mindestens für 30 Tage Gas vorrätig hätten. Zudem gebe es inzwischen deutlich mehr Pipelines
Peinliche Überraschung
Bereits im September 2011 hatten EU-Beamte bei einer großangelegten Razzia die Büros von Erdgasfirmen in mehreren EU-Ländern durchsucht. Nach Medienberichten suchten die Fahnder auch bei den deutschen Energiekonzernen RWE und Eon Ruhrgas gezielt nach Gaslieferverträgen ihrer mittel- und osteuropäischen Töchter. Dort sei es in der Vergangenheit durchaus üblich gewesen, dass der Staatskonzern Gazprom problematische Konditionen in die Verträge diktiert habe. Gazprom-Chef Alexej Miller hatte das Vorgehen damals eine "peinliche Überraschung" genannt.
Gazprom hat den Vorwürfen widersprochen. (dpa/beg)