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Energie und Klimaschutz: Deutschland soll Wasserstoff-Land werden

12.06.2020 16:00 Uhr
Energie und Klimaschutz: Deutschland soll Wasserstoff-Land werden
© Foto: Toyota

Ökostrom und Energiesparen reichen nicht, um den Treibhausgas-Ausstoß Richtung null zu drücken. Industrie, Flugzeuge oder Schiffe werden Wasserstoff brauchen, um von Kohle, Öl und Erdgas wegzukommen. Deutschland will sich auf dem neuen Markt einen Spitzenplatz sichern.

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Deutschland soll nach dem Willen der großen Koalition bei der Nutzung neuartiger klimafreundlicher Wasserstoff-Energie weltweit zum Vorbild werden. Dazu verabschiedete das Bundeskabinett am Mittwoch (10. Juni 2020) in Berlin eine Strategie, die Milliarden-Zuschüsse, rechtliche Erleichterungen und konkrete Produktionsziele vorsieht. Neben den laufenden Förderprogrammen soll mit sieben Milliarden Euro erreicht werden, dass sich Wasserstoff am Markt durchsetzt. Weitere zwei Milliarden sind für internationale Partnerschaften eingeplant. Im Zentrum steht dabei sogenannter grüner Wasserstoff, der ausschließlich mit erneuerbarer Energie gewonnen wird. Er kann als Basis für Kraft- und Brennstoffe dienen, um etwa in Industrie und Verkehr die Nutzung von Kohle, Öl und Erdgas abzulösen. Die Strategie kommt mit einem guten halben Jahr Verspätung, da wichtige Fragen lange zwischen den Ministerien umstritten waren.

"Wir wollen bei den neuen Wasserstoff-Technologien hin zu grünem Wasserstoff weltweit führend sein, als Ausrüster für die Welt, aber auch als Produzenten", sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Die Ziele des Pariser Klimaabkommens könnten nur erreicht werden, wenn auch andere Länder die Potenziale erkennen würden.

Bis 2030 sollen in einem ersten Schritt Erzeugungsanlagen für Wasserstoff von bis zu fünf Gigawatt Gesamtleistung in Deutschland entstehen. Ein Nationaler Wasserstoffrat soll die Politik in Zukunft beraten, zudem soll es einen Innovationsbeauftragten beim Bund geben. 

Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) sagte, um weltweit an die Spitze zu kommen, brauche es noch «jede Menge Forschung und Entwicklung». Vieles könne man in kleinem Maßstab, jetzt gelte es, die Technologien im großen Maßstab in die Praxisanwendung zu bringen. Kommende Woche will sie einen "Innovationskoordinator" vorstellen, der das Thema vorantreiben soll. Zudem kündigte sie einen Ideenwettbewerb für Forschungseinrichtungen und Unternehmen an.

Für die Wasserstoff-Produktion braucht es sehr viel Energie

Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) mahnte, wer Ja zu Wasserstoff sage, müsse auch Ja zum Ausbau der Windkraft sagen, weil es zusätzlich Ökostrom brauche. Die Bundesregierung geht allerdings davon aus, dass ein großer Teil der benötigten Wasserstoff-Menge auf absehbare Zeit importiert werden wird. Entwicklungsminister Gerd Müller unterzeichnete eine Vereinbarung mit der marokkanischen Regierung zum Aufbau einer ersten industriellen Produktionsanlage für Wasserstoff in dem nordafrikanischen Land.

Aus der Energiewirtschaft und der Industrie kam viel Lob für die Strategie. Umweltschützer begrüßten besonders, dass grüner Wasserstoff im Zentrum stehe - sehen aber den geplanten Ausbau eines Wasserstoff-Tankstellennetzes kritisch, da batterieelektrische Pkw den Strom effizienter nutzen.

Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sagte der "Passauer Neuen Presse" (11.6.2020), Deutschland müsse sich "gerade im Bereich der Mobilität auch als das führende Herstellerland in Europa und der Welt positionieren". Nun sei die Wirtschaft gefordert, etwa Wasserstoff-Busse und -Lkw zu entwickeln. (dpa)

© Foto: CEP

Statements zur Verabschiedung der Nationalen Wasserstoff-Strategie:

Clean Energy Partnership:

"CEP und DWV begrüßen ausdrücklich die Absicht der Bundesregierung, Wasserstofftechnologien als Kernelemente der Energiewende zu etablieren und so die Wirtschaft im Allgemeinen und die Mobilität im Speziellen zu dekarbonisieren. Mit der NWS ist eine wichtige Etappe geschafft. Jetzt gilt es im Schulterschluss von Industrie und Politik die aufgeführten Ziele anzugehen und möglichst effizient in die Realität zu übersetzen." 

Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM), BAM-Präsident Prof. Dr.  Ulrich Panne:

"Der heutige Beschluss des Kabinetts ist ein Meilenstein. An der BAM leisten wir über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg signifikante Beiträge in Chemie, Sicherheits- und Materialtechnik, um die Bundesregierung in ihrem Ziel zu unterstützen, eine Führungsposition in den Wasserstofftechnologien einzunehmen. Wir fördern damit die Innovationskraft Deutschlands in diesem Zukunftsmarkt und im gesamten Bereich der erneuerbaren Energien."

Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW), DVGW-Vorstandsvorsitzender Prof. Dr. Gerald Linke:

"Mit Blick auf die Corona-Pandemie hat das Bundeskabinett erst jetzt die lang erwartete Wasserstoff-Strategie auf die Agenda gesetzt und verabschiedet. Das ist nachvollziehbar, der Beschluss heute war jedoch überfällig. Er ist in vielen Aspekten der lang erwartete Durchbruch für Wasserstoff und bietet eine Perspektive für die deutsche Wirtschaft in der Zeit nach der Krise. Wir stehen bereit, die sehr guten strategischen Ansätze zum Markthochlauf von Wasserstoff jetzt zügig umzusetzen. Wasserstoff ist die Basis für Technologien, die enorme wirtschaftliche Potenziale für Deutschland bieten. Zudem kann er zur nachhaltigen Minderung von CO2-Emissionen überall dort beitragen, wo gas-basierte Energie die beste Option ist und auch bleiben wird – bei industriellen Prozessen, in der Schwerlast-Mobilität und im Wärmesektor, denn die hier benötigten Mengen und Spitzenleistungen werden durch das deutsche Verteilnetz effizient vor Ort bereitgestellt. Der Nationale Wasserstoff-Strategie müssen nun technische Umsetzungsmaßnahmen, aber auch Anpassungen des Ordnungsrahmens folgen. Die Bundesregierung hat jetzt zwar die tragende Rolle von Wasserstoff in der Energiewende verbrieft, aber bislang kaum regulatorische Hindernisse aus dem Weg geräumt. In der Strategie finden sich nur wenige Maßnahmen, um nachhaltig Märkte für Wasserstoff zu schaffen. Die geplanten Förderinstrumente und Umlagebefreiungen für die Erzeugung von grünem Wasserstoff sind hier nur der erste richtige und notwendige Schritt. Blauer und türkiser Wasserstoff dürfen bei der Marktentwicklung nicht unter den Tisch fallen, um auf die industriell benötigten Mengen zu kommen. Insbesondere aber im Wärmemarkt sehen wir einen der größten Wachstumssektoren für Wasserstoff, dessen Attraktivität jedoch nun noch besser auszugestalten ist, indem die schrittweise Erhöhung der Wasserstoffanteile aktiver gefördert wird."

Deutscher Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verband (DWV), DWV-Vorstandsvorsitzender Werner Diwald:

"Die Bundesregierung hat in der Nationalen Wasserstoff-Strategie sowie dem Konjunkturpaket über 9 Milliarden Euro an Förderung für den Markthochlauf einer Wasserstoffwirtschaft in Aussicht gestellt. Das ist ein gutes und wichtiges Signal an die Industrie. Zusätzlich wäre jedoch eine stärkere Fokussierung auf die zeitnahe Ausgestaltung geeigneter regulatorischer Rahmenbedingungen erforderlich, die einen marktwirtschaftlichen Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft im Umfang von mindestens 20 Gigawatt bis 2030 gewährleisten. Insbesondere bietet sich dieses für den landgebundenen Verkehrssektor an. Grüner Wasserstoff und seine Folgeprodukte sind im Vergleich zu anderen Optionen der Treibhausgasemissionen im konventionellen Verkehrssektor bereits heute wettbewerbsfähig. Es fehlt jedoch an der geeigneten Regulierung. Wir fordern daher, dass die Bundesregierung die nationalen Ziele für den Anteil der Erneuerbaren Energien für die in den Verkehr gebrachten Kraftstoffe auf mindestens 20 Prozent anhebt und zusätzlich eine Unterquote von 5 Prozentpunkten für sogenannte E-Fuels einführt. Zudem ist die Anrechnung von mitverarbeitetem grünem Wasserstoff bei der Kraftstoffproduktion vollumfänglich auf die vorgenannten Ziele anzurechnen. Die Bundesregierung würde auf diese Weise einen Markt für grünen Wasserstoff und seine Folgeprodukte von über 15 Gigawatt schaffen, ohne dass es dafür weiterer Fördermittel bedarf. Sehr begrüßenswert ist, dass die Bundesregierung eine Prüfung weiterer Reformen bei den staatlich induzierten Preisbestandteilen im Energiebereich plant, insbesondere wird eine Befreiung der Produktion von grünem Wasserstoff von der EEG-Umlage ohne Erhöhung der Umlage insgesamt angestrebt. Es gilt jetzt aber, sofort bessere wirtschaftliche Voraussetzungen zu schaffen, um die Markteinführung der Wasserstoffwirtschaft nicht zu verzögern. Wir fordern daher für die Erzeugung von grünem Wasserstoff eine Sonderregelung zur Reduzierung der EEG-Umlagen im EEG."

Ökologischer Verkehrsclub VCD, Michael Müller-Görnert, verkehrspolitischer Sprecher:

"Die nach langen Diskussionen nun beschlossene Wasserstoffstrategie enthält viele Verbesserungen und greift wichtige Bedenken und Anregungen auf. Zentraler Punkt ist, dass die Bundesregierung sich klar für grünen Wasserstoff ausspricht, der ausschließlich mit Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt wird. Nur so ist Wasserstoff CO2-frei und unterstützt das Ziel der Treibhausgasneutralität. Entsprechend dürfen auch nur hierfür Fördergelder eingesetzt werden. Da für die Wasserstoffproduktion enorme Strommengen benötigt werden, muss der Anteil der erneuerbaren Energien für die inländische Wasserstoffproduktion erheblich ausgeweitet werden. Denn nur durch den zusätzlichen Ausbau von Windkraft und Photovoltaik kann Wasserstoff einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Klar ist aber auch: Der Großteil wird importiert werden müssen. Für Produktion und Transport braucht es ambitionierte Nachhaltigkeitskriterien. Auch in den Erzeugungsländern muss sichergestellt werden, dass die Energiewende vor Ort nicht durch die Wasserstoffproduktion behindert wird. Die Bundesregierung muss rasch entsprechende Kriterien verabschieden, damit nicht die gleichen Fehler wie bei der Biokraftstoffproduktion begangen werden. Im Verkehrsbereich ist der Einsatz von Wasserstoff nur eine begrenzte Option zur Treibhausgasminderung. Er sollte nur dort eingesetzt werden, wo eine direkte Elektrifizierung nicht möglich ist, etwa für synthetische Kraftstoffe im Flugverkehr. Die Nutzung von Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen im Straßenverkehr hingegen ist ineffizient und teuer. Mit der gleichen Strommenge, die ein mit synthetischen Kraftstoffen betriebener Pkw 100 Kilometer weit fährt, kommt ein Elektroauto auf die fünf- bis sechsfache Strecke. Die Elektromobilität ist wesentlich effizienter und damit die klimaverträglichere Lösung."

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