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VDA-Präsident Matthias Wissmann: "Der Diesel hat weiterhin Zukunft"

04.01.2017 14:15 Uhr
VDA-Präsident Matthias Wissmann im Interview

Das Autojahr 2016 lief besser als es viele erwartet hatten. Doch was wird im neuen Jahr, hat der Diesel eine Zukunft und wie geht es weiter mit der Elektromobilität? VDA-Präsident Matthias Wissmann gibt Antworten.

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Von Ole Dietkirchen/SP-X

Das vergangene Jahr hat in vielerlei Hinsicht für Verunsicherung und Ängste gesorgt. Da mag es sogar überraschen, dass sich die weltweiten großen Automärkte trotzdem überwiegend positiv entwickelt haben. Doch die Branche steht vor einem großen Umbruch: Die Verbrennungsmotoren und hier speziell der Diesel sind in der Kritik, das Zeitalter der E-Mobilität scheint anzubrechen. Doch auch die Datensicherheit im Auto, die zunehmende Digitalisierung und der Angriff der Internet-Konzerne auf die Branche sind viel diskutierte Themen. VDA-Präsident Matthias Wissmann spricht über die großen Herausforderungen, der sich die Branche gegenüber sieht.

Wenn Sie auf 2016 zurückblicken, war es eher ein Jahr der Krise oder eines der Erfolge?

Auch wenn 2016 in vielerlei Hinsicht nicht einfach war – mit Blick auf die Märkte war es ein gutes Automobiljahr. Die weltweite Nachfrage nach Pkw ist weiter gestiegen – überschritt sogar erstmals die 80-Millionen-Marke. Westeuropa legte um 5 Prozent auf 13,9 Millionen Pkw zu, der US-Markt bewegte sich weiter auf sehr hohem Niveau mit über 17 Millionen sogenannten "Light Vehicles". Und China hat mit seinem zweistelligen Wachstum erneut überrascht: Über 23 Millionen Neuwagen wurden auf dem weltweit größten Markt verkauft.

Aber auch der deutsche Pkw-Markt macht Freude: Er legte um fünf Prozent auf fast 3,4 Millionen Neuzulassungen zu, das höchste Niveau seit Beginn des Jahrzehnts. Rückenwind bekam der Markt durch die anhaltend gute Konjunktur und die günstigen Finanzierungsbedingungen.

Der europäische Markt hat sich also 2016 stabilisiert, China boomt. Was erwarten Sie für das neue Jahr?

Insgesamt geht es weiter aufwärts, allerdings nehmen auch die Risiken zu. Der Pkw-Weltmarkt wächst auch 2017, wir rechnen mit einem Volumen von 83,6 Millionen Pkw. Westeuropa und der US-Markt bleiben stabil. China wird weiter zulegen, voraussichtlich auf über 24 Millionen Pkw. Die beiden Sorgenkinder – Russland und Brasilien – haben ihre jahrelange Talfahrt wohl beendet, ein erstes Hoffnungszeichen. Der deutsche Pkw-Markt bleibt auch 2017 in guter Verfassung, ich rechne mit einem ähnlich hohen Niveau wie im abgelaufenen Jahr.

Angesichts der Dieseldiskussionen lässt der Lieblingsantrieb der deutschen Hersteller spürbar Federn. Hat der Diesel im Pkw noch eine Zukunft, auch angesichts immer wieder diskutierter Fahrverbote, blauer Plaketten und dergleichen mehr?

Mit Sicherheit und vor allem in Europa. Mit Blick auf den Inlandsmarkt hat sich der Diesel, trotz der sehr kritischen Diskussionen, bislang ganz ordentlich geschlagen: Bis November waren 46,1 Prozent aller Pkw-Neuzulassungen Diesel-Fahrzeuge, das sind knapp zwei Prozentpunkte weniger als im Vorjahreszeitraum. Ein Rückgang, aber kein "Absturz". In Westeuropa war 2016 fast jeder zweite Neuwagen ein Diesel.

Wir haben uns von Anfang dagegen gewehrt, den modernen Diesel pauschal unter Generalverdacht zu stellen. Er wird vielmehr gebraucht, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Eine große Tageszeitung hat kürzlich kommentiert: "Dieselfahrzeuge von den Straßen zu verbannen, wäre eine Sabotage des Klimaschutzplans." Richtig: Denn ein Dieselfahrzeug verbraucht bis zu 25 Prozent weniger Kraftstoff als ein Benziner, und sein CO2-Ausstoß ist 15 Prozent niedriger. Dies macht Dieselfahrzeuge zu einem unverzichtbaren Baustein bei der Umsetzung der europäischen Klimaschutzziele. Und mit der neuesten Abgastechnologie (SCR) wird beim Diesel auch das Stickoxid-Thema gelöst. Wichtig ist aber auch, dass die Neuwagenkäufer nicht mit immer neuen Verbotsvorschlägen verunsichert werden. Hier ist die Politik gefordert.

Eigentlich wollte Deutschland der Leitmarkt für E-Mobilität werden. Davon sind wir trotz E-Autoprämie noch ein großes Stück entfernt.

Die deutschen Hersteller zählen heute weltweit zu den Leitanbietern in der Elektromobilität. Und sie erhöhen massiv die Innovationsgeschwindigkeit: Bis 2020 werden sie ihr Modellangebot an E-Autos mehr als verdreifachen – von derzeit 30 Modellen auf knapp 100. Schon 2019 wird der Elektroantrieb in praktisch allen Baureihen vertreten sein. Bis Ende des Jahrzehnts investieren unsere Unternehmen über 40 Milliarden Euro in alternative Antriebe.

Damit Deutschland Leitmarkt werden kann, hat die Automobilindustrie nun auch bei der Ladeinfrastruktur ein Zeichen gesetzt: BMW, Daimler und Volkswagen mit Audi und Porsche planen zusammen mit Ford ein Joint Venture für ein ultraschnelles Hochleistungsladenetz an Autobahnen in Europa. Im ersten Schritt sind 400 Standorte vorgesehen. Diese Initiative zeigt, wie ernst es die deutschen Hersteller mit der Elektromobilität meinen.

Man hört in jüngster Zeit in Zusammenhang mit der Autobranche häufig den Begriff "disruptiv". Darunter versteht man eine Technologie, die eine bestehende vollständig verdrängen kann. In diesem Fall durch die Digitalisierung und den Wettbewerb speziell mit den großen amerikanischen Internet-Konzernen wie etwa Google. Ist die deutsche Industrie für die neuen Wettbewerber gerüstet?

Keine Frage, neben der Elektromobilität ist die Digitalisierung der zweite große Innovationstrend. Wir haben auch auf diesem Feld den Anspruch, im "driver's seat" zu sein. Unsere Unternehmen investieren dafür in den nächsten drei bis vier Jahren 16 bis 18 Milliarden Euro. Schon heute ist die deutsche Automobilindustrie Patentweltmeister beim vernetzten und automatisierten Fahren: An allen seit 2010 weltweit erteilten Patenten auf diesem Feld hat sie einen Anteil von fast 60 Prozent. Diese Position wollen wir weiter ausbauen.

Selbst große Unternehmen wie die Telekom oder Thyssen-Krupp meldeten im vergangenen Jahr Hackerangriffe. Und unsere Autos können heute mit Hilfe von Software relativ einfach "geknackt" werden. Sind unsere Daten im Fahrzeug überhaupt sicher?

Ganz klar: Die Automobilindustrie muss auch künftig bei der Generierung von Daten im Fahrzeug gleichermaßen Fahrzeugsicherheit und Datenschutz gewährleisten. Zudem werden die Hersteller, die Einwilligung des Kunden immer vorausgesetzt, Fahrzeugdaten Dritten wettbewerbsneutral zur Verfügung stellen, um bestimmte Serviceangebote zu ermöglichen. Dieser Datenzugang soll über eine sichere, zuverlässige und diskriminierungsfreie Schnittstelle erfolgen. Auf ein entsprechendes Konzept haben sich die europäischen Hersteller und Zulieferer kürzlich geeinigt. Und: Es muss stets die Entscheidung des Halters sein, ob und welche seiner Daten er weitergeben und welche Dienste er nutzen möchte.

Digitalisierung und Vernetzung sind Themen, die im Zusammenhang mit Pkw eifrig diskutiert werden, eigentlich aber bei den Nutzfahrzeugen noch wichtiger sind.

Die Vorteile der Digitalisierung sind enorm. Wenn die Fahrzeuge miteinander vernetzt sind, können die Unfallzahlen deutlich gesenkt werden. Derzeit sind 90 Prozent der Unfälle auf menschliches Fehlverhalten oder Fehleinschätzungen zurückzuführen. Sicherheit ist also das Hauptargument für die Digitalisierung. Hinzu kommen Komfort- und Effizienzaspekte. So könnten durch vernetztes Fahren in Deutschland 20 Prozent der Staus vermieden werden.

Die Digitalisierung wirkt sich beim Nutzfahrzeug zudem positiv auf die gesamte Logistikkette aus. Leerfahrten werden der Vergangenheit angehören, die Effizienz steigt. Weil immer mehr Leute ihre Bestellungen online aufgeben, wächst der Express- und Paketdienst besonders stark – und mit der Digitalisierung können zusätzliche Potenziale gehoben werden.

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