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Rewe to go bei Aral: Kraftakt mit Tücken

03.08.2018 13:38 Uhr
Rewe to go bei Aral: Kraftakt mit Tücken
Bis Ende des Jahres sollen knapp 450 Tankstellen von Aral auf Rewe to go umgestellt sein.
© Foto: Aral

Mit der Kooperation mit Rewe will Aral den Food-Bereich in den ­Tankstellen stärken. Doch das Mammutprojekt birgt an vielen Stellen ­Herausforderungen, insbesondere für die Pächter.

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Den ein oder anderen Besucher der diesjährigen Uniti Expo mag der Messeauftritt von Aral etwas verwundert haben: Mit dem typischen Aral-Blau und dem viereckigen Logo machten die Bochumer Vorbeigehende auf ihren Stand aufmerksam. Dagegen war von der Farbe Grün und damit von einem Thema, das Deutschlands größte Mineralölgesellschaft eigentlich schon seit Jahren umtreibt, in Stuttgart nichts zu sehen: der Kooperation mit Rewe. Insgesamt sollen bis Ende 2018 zusätzlich zu den 235 im vergangenen Jahr umgestellten Shops 200 weitere mit dem Vertriebskonzept Rewe to go ausgestattet werden. Bis 2021 will Aral insgesamt bis zu 1.000 gesellschaftseigene Stationen umgerüstet haben – ein enormer Kraftakt.

Warum sich die Aral-Verantwort­lichen dagegen entschieden haben, das Food-Konzept auf der Messe in den Vorder­grund zu stellen, ist der Redaktion nicht bekannt, aber es verwundert zumindest. Denn eigentlich betont die MÖG, wie positiv die Entwicklung in den Stationen mit den neuen Shops verläuft. In einer kurz vor der Messe veröffentlichten Pressemitteilung heißt es beispielsweise: „Wir verzeichnen in den umgebauten Shops sowohl eine höhere Kundenfrequenz als auch steigende Umsätze je Kunde – dieses übersetzt sich bei den frischen Lebensmitteln für den Unterwegsverzehr in zweistellige und bei denen für später sogar in deutlich dreistellige Prozentzuwächse.“ Also alles gut?

Nicht ganz. Spricht man mit den Geschäftsführern einiger Betreiberverbände, wird klar: Zwar läuft das Food-Konzept an vielen, vor allem innerstädtischen Standorten sehr gut, an anderen Stationen jedoch nicht. Zudem bringen die umgebauten Shops im operativen Geschäft Herausforderungen mit sich, die die Pächter ganz schön auf Trab halten. Stichwort Sortimente: Ziel des Vertriebskonzepts Rewe to go ist es, dem Verbraucher – egal ob ­Auto-, Radfahrer oder Fußgänger – ein großes Angebot an frischen Produkten für den Unterwegsverzehr bereitzustellen, das es bisher in der Tankstellenbranche nicht gab. Dazu gehören etwa frische gekühlte Säfte und Smoothies, Obst, Salate und ein breiteres Angebot an Sandwiches, die laut Angaben von Aral gut angenommen werden.

Hohe Abschriften
Trotzdem beklagen viele Betreiber hohe Abschriften, so auch die Mitglieder des Zentralverbands des Tankstellengewerbes (ZTG). „Ich bin aber zuversichtlich, dass die Partner mit der Zeit lernen, welche ­Produkte wie gut an ihrer Station laufen, so dass die Abschriften zurückgehen“, sagt ZTG-Geschäftsführer Jürgen Ziegner. Auch Aral betont, dass sich die Abschriften im Laufe der Zeit reduzieren. „Wir unterstützen die Tankstellenpartner auf ihren Wunsch hin im angemessenen Rahmen dabei, die Prozesse so zu optimieren, dass sich die Abschriften in einem angemessenen Rahmen bewegen“, sagt Pressesprecher Detlef Brandenburg auf Anfrage von Sprit+.

Tankstellen, in denen das neue Konzept noch nicht so gut läuft, greift Aral mit Zuschüssen unter die Arme. „Aral verhält sich hier sehr anständig“, begrüßt Thomas Drott, Geschäftsführer des Bundesverbands Tankstellen und gewerbliche Autowäsche Deutschland (BTG), das Verhalten der MÖG. Aber wie lange? „Grundsätzlich besteht die Bereitschaft, Tankstellenpartner zu unterstützen, wenn es aus wirtschaftlichen Gründen notwendig ist und die Ursache nicht in der Betriebsführung des Tankstellenpartners liegt. Dabei handelt es sich jedoch immer um eine Einzelfallbetrachtung“, erklärt Brandenburg. „Die Betreiber brauchen aber langfristig die Sicherheit, dass das neue Konzept nicht auf ihre Kosten geht“, betont Drott. Er ­fordert daher, dass die Pächter vertraglich aus dem Risiko genommen werden, wenn die Tankstelle schlechter läuft als vor der Umstellung auf Rewe to go.

Diese Unsicherheit ist auch bei den Mitgliedern des ZTG zu spüren. „Mit der Vertragsänderung aus den Jahren 2012/­2013 hat Aral das Pachtsystem so um­gestellt, dass Pächter, die sich besonders anstrengen und dadurch mehr Umsatz machen, den Mehrerlös behalten dürfen“, erinnert sich Ziegner. Das habe Aral durchgehalten. Aber gerade diese Pächter machen jetzt zum Teil die Erfahrung, dass sie ihre Tankstelle trotz des Engagements dichtmachen können, sollte Aral die ­Zuschüsse einstellen, beschreibt Ziegner die aktuelle Situation.

Herausforderung Logistik
Neben der finanziellen Unsicherheit bereitet die tägliche Umsetzung von Rewe to go etwa bei der Logistik Probleme. Während der vorherige Shoplieferant Lekkerland aufgrund seiner Spezialisierung aufTankstellen und Convenience-Stores auf klei­nere Stückmengen spezialisiert ist, ist Rewe bisher aus dem Einzelhandel vor allem auf größere Lieferumfänge eingestellt.

Außerdem ist der Einzelhändler gewohnt, dass der Zeitpunkt der Lieferung relativ egal ist, weil immer ausreichend Personal im Supermarkt zur Verfügung steht. „Wenn der Lkw-Fahrer die Ware an einen Rewe-Markt anliefert, dann kommt einer an die Tür und schiebt den Palettenwagen unter Einhaltung der Kühlkette in den Kühlraum und die andere Ware ins Lager. Und wenn es mal ruhiger ist, kümmern sich ein, zwei Mitarbeiter darum, die Produkte einzuräumen“, führt Ziegner aus.

Bei den meisten Tankstellen fehlt dagegen das Personal, insbesondere bei der Samstagslieferung, das sich sofort um die Ware kümmern kann, statt zu kassieren. Außerdem haben gerade ältere Stationen weder einen eigenen Kühlraum, noch ein ausreichend großes Lager für umfangreiche Liefermengen. Der Eingang einiger Stationen ist sogar zu schmal für einen Paletten­wagen. Die Ware muss dann außerhalb der Station „zwischengeparkt“ werden, bis jemand die Ware einräumt.

Einige Betreiber beklagen zudem Liefer­schwierigkeiten bei einzelnen Produkten. „Das kommt sogar häufig vor. In diesen Fällen gibt es den Hinweis des Außendienstes von Aral, sich die fehlenden Produkte woanders zu besorgen – Hauptsache, es entstehen keine Regallücken“, ­berichtet Ziegner. Der Verbandschef könnte sich vorstellen, dass das Ausweichen auf Alternativen auch eine Erziehungsmaßnahme von Aral gegenüber Rewe sein könnte. „Allerdings kann es nicht Sinn und Zweck der Sache sein, dass der Partner nur noch hin und her fährt, um die Sachen zu besorgen, die er im Shop braucht, nur weil Rewe die nicht liefert“, kritisiert Birgit ­Hamann, Rechtsanwältin beim Verband des Kfz-Gewerbes Schleswig-Holstein, die Lieferengpässe.

„Die größten Herausforderungen liegen sicherlich in der Logistik“, gibt Rewe auf Nachfrage von Sprit+ zu. Die Überführung von rund 1.200 Stationen in eine neue Versorgungskette sei extrem aufwändig und komplex, da auch Anpassungen im Kassensystem und Artikeldaten vor­genommen werden müssen. Dass es dabei zu punktuell auftretenden Lieferschwierigkeiten kommen könne, sei nicht ungewöhnlich in einer solchen Umstellungsphase und habe vielfältige Ursachen. Denn es benötigt auf allen Seiten Zeit, bis sich Routine in den neuen Bestell- und Auslieferungsprozessen einstellt, heißt es weiter. „Wir arbeiten ­gemeinsam mit Aral kontinuierlich an der Verbesserung und Vereinfachung dieser Prozesse“, betont Raimund Esser, Leiter ­Unternehmenskommunikation bei Rewe.

Falsche Buchungen
Auch das Thema E-Billings beschäftigt Aral und seine Pächter nach wie vor. Bei diesen elektronischen Rechnungen schickt Aral dem Steuerberater online nicht nur die Rechnung mit den Artikeln, sondern auch vorgefertigte Buchungssätze. Diese werden beim Steuerberater automatisch ins System eingespielt, statt manuell eingegeben werden zu müssen. Das senkt zwar die Gebühren, macht aber eine vorherige Kontrolle des Rechnungsinhalts und der Buchungssätze unmöglich. „Es gibt Pächter, die können mit ihren Eurodata-Auswertungen nichts mehr anfangen, weil sie lauter Fehlbestände oder nicht passende Bestände haben“, weiß Ziegner.

Es werden beispielsweise Waren auf die falsche Gruppe oder auf den falschen Artikelstamm gebucht, unter Umständen sogar mit unterschiedlicher Umsatzsteuerbelastung. „Die ganz abgezockten Mitglieder schauen bei der Monatsanalyse nur noch auf ihre Inventurdifferenz per saldo und vertrauen ansonsten auf ihr gut ­gepflegtes Kassensystem“, berichtet der ZTG-Geschäftsführer. In einem Gespräch zwischen dem ZTG und der MÖG im Juni dieses Jahres habe die Unternehmens­spitze ihm zugesichert, dass man an diesem ­Problem arbeite. Aral hat zu diesem ­Thema auf Nachfrage von Sprit+ keine Stellung genommen.

Mutiger Schritt
„Seit Jahren haben wir durch die günstigen Kraftstoffpreise ein künstliches Hoch in der Branche. Das wird nicht immer so bleiben“, prognostiziert Ziegner. Mit Rewe to go versucht Aral in einer von alternativen Kraftstoffen immer mehr beeinflussten Umgebung die Zukunft ihrer Standorte zu sichern. „Von daher ist die Umstellung auf das neue Konzept ein mutiger Schritt, der aber nicht auf dem Rücken der Partner abgewälzt werden darf“, fordert er.

Prinzipiell sollten sich Aral-Pächter ihres Wertes bewusst sein, betonen Ziegner und Hamann einhellig. „Eine Aral-Tankstelle ist eben keine Unterpreistankstelle, an der nur Kraftstoff verkauft wird, sondern ein ziemlich kompliziertes System. Von daher hat Aral schon immer sehr gute Pächter, die wissen, dass sie jederzeit etwas anderes finden“, ist Ziegner überzeugt. Aral sei durchaus bewusst, dass es bei Vollzeitbeschäftigung immer schwerer werden würde, diese kompetenten Partner zu ersetzen. Daher ist es Ziegner auch wichtig zu betonen, dass er aus ­Gesprächen mit der Aral-Spitze weiß, dass die gesamte Organisation mit Hochdruck an Verbesserungen arbeitet, aber natürlich auch entsprechend arbeitsbelastet ist.

Und wenn ein Pächter der Überzeugung ist, mit Rewe to go nicht glücklich zu werden, soll er sich zur Not mit Hilfe des zuständigen Verbandes an Aral wenden und versuchen, dass man fair auseinander geht, statt blindlings zu kündigen, rät ­Ziegner abschließend. „Ich habe aber die Hoffnung, dass Aral immer zusammen mit dem Partner entscheidet, ob und wie umgebaut wird, auch weil der Partner die ­Situation vor Ort am besten kennt“, ergänzt Hamann.

(Autorin: Annika Beyer; Der Artikel erschien in Sprit+ 8/2018.)

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