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Premiumkraftstoffe: Spitzensprit oder Marketing?

09.08.2016 11:24 Uhr
Premiumkraftstoffe: Spitzensprit oder Marketing?
Ein Shell-Wissenschaftler vergleicht im Labor Proben. Hochwertigerer Kraftstoff ist klarer und leistungsstärker. Aber braucht es das eigentlich?
© Foto: Shell

Viele MÖG locken Kunden mit Premiumkraftstoffen an die Tankstelle. Additive sollen die Motoren sauberer, effizienter und stärker machen. Doch sind die qualitativ höherwertigen Produkte ihren Aufpreis wert?

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Mit großem Tamtam hat Aral im April eine neue Kraftstoff-Generation eingeführt. Neben den Basis-Kraftstoffen stattete die Mineralölgesellschaft auch die Premiumreihe mit einem neuen Additiv aus. Bei den Ultimate-Produkten sei die Reinigungsleistung der „Anti-Schmutz-Formel“ aber bedeutend höher, sie würden den Motor dauerhaft rein halten und die Reichweite eines Diesels um bis zu 66 Kilometer pro Tankladung erhöhen, bei einem Benziner immerhin um 40 Kilometer.

Der Reinigungszusatz ist neu, die Versprechen von Aral, Shell und Co. sind es nicht. Bereits seit den 70er Jahren versuchen sich die Markentankstellen von der freien Konkurrenz mit Additiven abzusetzen, erklärt ADAC-Techniker Carsten Graf. Er hält die Aral-Formel für „ein Produkt findiger Werbe- und Marketingstrategen“. Seitdem Shell im Jahr 2003 mit V-Power 100 den ersten Ottokraftstoff mit einer Oktanzahl von 100 auf den Markt gebracht hat, bildete sich in den vergangenen 13 Jahren eine Marktnische. Aral zog nur ein Jahr später mit dem Ultimate 100 nach. Bis 2014 teilten sich die beiden MÖG diese Ausnahmestellung, dann führte OMV in Deutschland Maxx Motion Performance Super 100 Plus ein.

Höhere Klopffestigkeit

Während normales Super (E5) und Super Plus eine Oktanzahl von 95 und 98 aufweisen, bieten Aral, Shell und OMV also ein Produkt an, das mehr hochwertige Komponenten besitzt und dadurch eine höhere Klopffestigkeit bietet. Das bedeutet: Je höher die Oktanzahl, desto weniger kommt es zu ungewollten Selbstzündungen des Kraftstoffs. „Deshalb erreichen wir mit unseren Premiumkraftstoffen bestmögliche Eigenschaften für eine hohe Verbrennungseffizienz“, erklärt die OMV.

Durch die bessere Verbrennung bieten die Ultimate-Produkte „mehr Leistung und einen geringeren Verbrauch“, fügt Aral hinzu. Und Shell weist auf einen weiteren Punkt hin: „Das besondere Reinigungsadditiv enthält spezielle Zusätze, die verhindern, dass es rund um die Einlassventile und Einspritzdüsen zu leistungsmindernden Ablagerungen kommt. Bereits vorhandene Ablagerungen werden zurückgebildet.“ Zudem würde ein Reibungsminderer dafür sorgen, dass der Kolben besser an der Zylinderwand gleitet.

Die wundersamen Fähigkeiten der Premiumkraftstoffe haben ihren Preis: Aral verlangt für Ultimate 102 zehn Cent mehr pro Liter, beim Ultimate Diesel sind es zwölf. Bei der OMV sind es derzeit zwölf bis 13 Cent, bei Shell sogar 20 Cent pro Liter. Bei den derzeitigen Preisen muss ein Kunde also für einen qualitativ besseren Kraftstoff zwischen zehn und 16 Prozent mehr ­bezahlen. Doch bekommt er in gleichem Maß Leistung, Sauberkeit und Qualität?

Der ADAC zweifelt den Sinn von Marken-Additiven nicht grundsätzlich an, „doch die Wirkungen dürften sehr gering ausfallen und sind auch nur mit extremem Aufwand nachprüfbar“, beschreibt Technik-experte Graf. Wegen dieser schweren Nachweisbarkeit will der ADAC sein Testbudget nicht für derartige Experimente ausgeben, „denn die Mineralölmarken legen alle Jahre mit einem angeblich neuen Additivpaket nach, womit vorherige Versuchsergebnisse hinfällig wären“, sagt Graf.

Vor zwölf Jahren hat sich der ADAC schon einmal mit V-Power und Ultimate beschäftigt. Beim Diesel maßen die Spezialisten tatsächlich eine höhere Motorleistung zwischen 1,6 und 4,5 Prozent, der Kraftstoffverbrauch verringerte sich um 1,0 bis 5,6 Prozent. Deutlich schlechter schnitten die vier Testfahrzeuge mit Premium-Ottokraftstoff ab: Lediglich bei zwei Fahrzeugen konnte eine geringfügige Leistungssteigerung gemessen werden, die aber deutlich unter der Messtoleranz von zwei Prozent lag. Auch das Drehmoment verbesserte sich bei keinem Auto signifikant. Und so kam der ADAC zum Ergebnis: „Aufgrund der Messergebnisse hat sich der saftige Aufpreis in puncto Leistung für ­keines unserer Testfahrzeuge rentiert.“ Die meisten Motoren können die höhere Klopffestigkeit des Motors nicht ausnutzen, weshalb der Oktanvorteil verpufft.

Essos neue Kraftstoffgeneration

Das sehen andere MÖG genauso. Esso etwa erklärt: „Bislang sehen wir keinen zwingenden Bedarf, die Mindest-Oktanzahl zu erhöhen. Schließlich wird bei den Benzinsorten am häufigsten die Qualität Super 95 nachgefragt, zumal nur sehr wenige Fahrzeuge 98 Oktan wirklich brauchen.“ Stattdessen will der Konzern sein jüngst vorgestelltes Synergy-Konzept ausrollen. Dabei handle es sich um ein neues Erscheinungsbild und neue Produkte, die aber im Gleichklang zu Aral und Co. den Kraftstoffbedarf reduzieren, den Korrosionsschutz verstärken, die Motorenleistung steigern und die Motorensauberkeit erhöhen sollen.

Auf Letzteres zielen Totals Premiumkraftstoffe Excellium Super Plus und Diesel ab, die ebenfalls keine Hochoktan und auf Leistung getrimmte Positionierung einnehmen wollen. Spezielle Additive sollen bis zu 99 Prozent der Verschmutzungen im Ottomotor an den Einlassventilen gegenüber ­einem Kraftstoff ohne spezielle Additive ­reduzieren. Im Dieselmotor verhindert der Premiumkraftstoff 93 Prozent der Ablagerungen, gibt Total an.

Die Frage ist nur: Wie dreckig werden die Ventile im Alltagsbetrieb? Das Fachmagazin Auto Bild veröffentlichte bereits vor acht Jahren ein Statement vom ehemaligen Opel- und Audi-Motorenentwickler Fritz Indra: „Derartige Ablagerungen gehören längst der Vergangenheit an“, sagte er. Und die minimalen Rückstände würden die Fahrleistungen nicht mindern, im Gegenteil: Die meisten Autos beschleunigten am Ende besser und verbrauchten nicht mehr als zu Beginn, schrieb die Auto Bild. Spezielle Additive, die auch in den Basiskraftstoffen enthalten sind, verhindern schon lange Rückstände, die den ­Motor negativ beeinflussen können.

Diese Meinung teilt die JET: „Wir verzichten ganz bewusst auf teure Premium-Kraftstoffe, da sie aus unserer Sicht keine signifikanten Vorteile für den Kunden bei Motorleistung oder Verbrauch bieten.“

Kunden vertrauen Versprechen

Bei Shell, Aral, OMV und Total verteidigt man indes die Premiumprodukte gegen Kritik unter Verweis auf normierte Prüfverfahren. „Die Vorteile einer hohen Oktan- und Cetan-Zahl sind durch unabhängige wissenschaftliche Untersuchungen bestätigt worden“, sagt beispielsweise die OMV. Die Kunden jedenfalls scheinen den MÖG zu vertrauen: Alle registrieren eine stetig steigende Nachfrage. Aral gab an, der Anteil der Premiumkraftstoffe am Gesamtabsatz liege „noch im einstelligen Prozentbereich“.

Und was hat der Tankstellenbetreiber davon, die Werbetrommel für die Premiumprodukte zu rühren? Profitiert er von höheren Margen auf die Produkte oder ausschließlich vom Image-Gewinn seiner Station, die Premiumkraftstoffe anbietet? Bis auf Shell will sich zu diesem Thema niemand äußern: „Der Betreiber erhält eine feste Prämie pro verkauftem Liter, unabhängig von den jeweiligen Kraftstoffpreisen“, heißt es da nebulös.

(Der Artikel erschien in Ausgabe 8/2016 von Sprit+. Autor: Michael Simon)

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