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Interview: Konstruktiv kritisch

08.09.2015 09:29 Uhr
Rainer Bogner, Retail Sales Manager Central Europe, Esso, André Zacharias, Geschäftsführer der Interessengemeinschaft Esso
Rainer Bogner (l.), seit Herbst 2013 Retail Sales Manager Central Europe bei Esso, und André Zacharias, Geschäftsführer der Interessengemeinschaft (IG) Esso, trafen sich Ende Juli zum Interview in München.
© Foto: Erwin Fleischmann

Zwei Seiten an einem Tisch – Rainer Bogner von Esso und André Zacharias von der IG Esso diskutierten im großen tankstellen markt Interview über die aktuelle Lage der Pächter und die neue Strategie von Esso.

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tm: Esso ist die einzige Mineralölgesellschaft, die einen eigenen Farbenverband hat. Wie läuft die Zusammenarbeit?

Bogner: Esso hat genauso wie die IG Esso das Ziel, neue Kunden zu gewinnen und langfristig zu Stammkunden zu machen. Das heißt für mich: Wir sind uns einig, wir wollen nach Rom. Manchmal haben wir den Diskurs, welcher der beste Weg nach Rom ist.
Zacharias: Die IG Esso ist zwar kein Betriebsrat im engeren Sinn, aber doch sehr vergleichbar. Unsere Vorstände sind selbst Betreiber von Esso Stationen. Das bedeutet: Alles, was mit Esso zu tun hat, betrifft die Vorstände selbst. Und alles, was wir erreichen, erreichen wir für unsere Mitglieder. Das Verhältnis zur Esso ist dadurch ein anderes, als wenn wir ein ganz normaler abstrakter Verband wären.

tm: Wie sieht denn die Zusammenarbeit konkret aus?

Zacharias: Die IG Esso wurde vor 40 Jahren gegründet. Seit 35 Jahren gibt es jährliche direkte Gespräche mit der Gesellschaft. Die Esso und wir haben schon einiges erlebt in den letzten Jahrzehnten. Und trotzdem ist der Dialog selbst in schwierigen Zeiten nie abgebrochen. Und das ist das Entscheidende: Man war nicht immer einer Meinung, aber man hat immer das Gespräch gesucht – sowohl von der Gesellschaft aus als auch von uns.
Bogner: Herr Zacharias hat mit dem Stichwort Betriebsrat einen wirklich guten Punkt angesprochen. Wir haben natürlich ab und zu Situationen, in denen meine Mitarbeiter und die Partner sich nicht einigen können. Für mich ist die IG Esso in solchen Fällen eine Art Schlichtungsstelle. Die Beziehung ist zwar gesund, doch sie ist immer eine kritische und muss das auch immer bleiben, weil wir auf zwei unterschiedlichen Seiten stehen.

tm: Ist der Verhaltenskodex der Tankstellenbranche dann für Esso und die Esso-Pächter überhaupt notwendig?

Zacharias: Es ist nicht schlecht, dass der Kodex Standards für die Zusammenarbeit in einer ganzen Branche schriftlich festhält. Deshalb ist er ein guter Schritt in die richtige Richtung. Ich denke allerdings nicht, dass er sich stark auf die Zusammenarbeit der Esso und der IG Esso auswirken wird.
Bogner: Der Kodex ist für mich ein Mittel, Dinge klarer zu machen als, sie bisher waren, sie zu formalisieren. Durch die IG Esso haben wir den Vorteil jemanden zu haben, der konstruktiv auf uns zugeht. Daher ist der Anpassungsbedarf für uns nicht riesig. Fakt ist: Diskussionsbedarf gibt es immer und wird es immer geben und dabei kann der Kodex eine Leitlinie darstellen – für beide Seiten. Aber im Wesentlichen ist er eine Weiterführung von dem, was wir seit vielen Jahren praktizieren.

tm: Die IG Esso hat Anfang des Jahres eine Umfrage gemacht, wie sehr der Mindestlohn die Mitglieder betrifft. Wie geht man inzwischen mit diesem Thema um?

Bogner: Ich habe immer den Ansatz vertreten: Mindestlohn ist Aufgabe des Arbeitgebers. Nehmen Sie uns mit unserer Retail Operating Company (ROC) als Betreiber von 200 Stationen. Da hat der Mindestlohn genauso zugeschlagen wie überall. Hier haben wir gesehen, dass man Verantwortung auf sich nehmen und Dinge wie Erlösoptimierung und Kostenminimierung umsetzen muss. Und das ist der erste Schritt, den ein Pächter machen muss.

tm: Und wenn das nicht reicht?

Bogner: Dann gibt es einen zweiten Schritt: Wie kann man einem Pächter, wenn er das wünscht, helfen? Und das tun wir gerne, denn wir haben dank der ROC viel Einsicht und viele Information darüber, wie man Verkaufspotenziale verbessern und Kosten senken kann. Aber es gibt auch Extremfälle, die sich nicht so einfach lösen lassen. Hier prüfen wir, was wir tun können und welche Beträge sich adjustieren lassen, um dem Partner zu helfen. Und wenn das nicht ausreicht, kann es leider, ob es uns gefällt oder nicht, nur einen Schritt geben:  die Schließung der Station. Am Ende muss für den Pächter und für uns etwas wirtschaftlich Vernünftiges herauskommen, sonst haben wir Sinn und Zweck einer Kooperation verpasst.

tm: Herr Zacharias, welche Rückmeldung bekommen Sie von Pächtern?

Zacharias: Wir wussten relativ schnell aus der Erfahrung unserer Mitglieder, insbesondere in den neuen Bundesländern, dass die bisherigen Personalkosten extrem stark steigen werden. Das ist vor allem an den Stationen der Fall, an denen viele Mini-Jobber mit teilweise sehr niedrigen Löhnen gearbeitet haben. Wir haben in diesen Fällen sehr schnell Gespräche geführt und geschaut, ob man das Problem durch Anpassungen im Shop- oder Personalbereich lösen kann. Aber uns war auch klar, dass es am Ende des Tages einige Partner geben wird, die den Mindestlohn trotz selbst eingeleiteter Maßnahmen einfach nicht schultern können.

tm: In diesem Zusammenhang ist bei der Esso die Idee für ein neues Personalkostenmodell entstanden. Wie muss man sich das vorstellen?

Bogner: In unserem Modell werden Zeit- und Personaleinsatz an der Station abgebildet. Es wird nicht optimiert, sondern nur dargestellt: Für welche Tätigkeit, brauchst du wie viel Zeit? Aber das Leben ist ja immer bunter, als es ein Modell widerspiegeln kann. Daher ist alles, was aus diesem Arbeitszeitmodell kommt, nichts anderes als eine Annäherung. Es ist eine Diskussionsbasis für den Dialog zwischen den Pächtern und Steuerberatern sowie unseren Vertretern, wobei sich die Bewertungen natürlich unterscheiden. Deshalb ist es meist nicht mit einem Gespräch getan.

tm: Wie sinnvoll ist aus Sicht der IG Esso das Personalkostenmodell?

Zacharias: Wir kennen diese Modelle für die Personalkostenoptimierung schon, seitdem Esso das Projekt Word Class 2000 eingeführt hat. Das ist so ein bisschen in den Hintergrund geraten, weil es bei Esso dann Flat Fee Verträge gab. Deshalb hat es Esso anscheinend verlernt, diese Personalkostenmodelle zu machen. Uns wäre es deutlich lieber gewesen, wenn das neue Modell spätestens im April 2015 durchgerechnet gewesen wäre, damit die Partner wissen, wo sie stehen. Denn zurzeit fehlt die Antwort auf die Frage: Was passiert jetzt an meiner Station, wie geht es weiter? Deshalb hoffe ich, dass wir sehr bald die Ergebnisse des Personalkostenmodells bekommen.
Bogner: Es wird ja schon angewandt. Es ist ja nicht so, dass noch nichts passiert wäre.

tm: Aber Esso ist noch nicht fertig damit? 

Bogner: Nein. Es gibt die betroffenen Regionen im Osten von Deutschland, da brennt der Hut. Und es gibt Regionen, die sind relativ unproblematisch wie München oder Stuttgart. Zugegeben: Wir sind nicht so weit, wie wir gerne sein würden. Aber bis zum Ende des dritten Quartals werden wir 75 Prozent erledigt haben und damit auch die härtesten Fälle. Es sind ja alle Partner etwas anders. Der eine ist flink auf den Beinen, der andere braucht etwas mehr Betreuung.    
Zacharias: Allerdings ist der Außendienst ebenfalls sehr unterschiedlich in der Abarbeitung der ihm gestellten Aufgaben. Aber es wird Zeit, diese Kuh vom Eis zu bekommen. Es ist äußerst schwierig, wenn die Leute in Schwebezuständen sind und nicht wissen, wie es weitergeht. Viele unserer Mitglieder sind in einem Alter, in dem man nicht einfach sagt: Wenn es mit der Pachtstation nicht klappt, mache ich halt etwas anderes.

tm: Aktuell beschäftigt die Pächter auch das Thema Image-Upgrade. Was will Esso damit erreichen?

Bogner: Das Image-Upgrade ist eine Möglichkeit, dem Markt zu signalisieren: Wir sind hier, wir investieren, wir haben eine Zukunft. Wir haben ja lange gewartet, eigentlich zu lange, um das zu tun und selbstbewusst Flagge zu zeigen. Sehr oft betrifft das Image-Upgrade den Forecourt, wo nicht nur der Kunde, der bei uns tankt oder im Shop einkauft, regelmäßig Kontakt zu Esso hat, sondern auch der Autofahrer, der an unserer Station vorbeifährt. Wir wollen die Menschen ansprechen und ihnen die klare Botschaft vermitteln: Esso hat eine neue Strategie und wir freuen uns auf Sie.

tm: Was halten die Pächter vom Image-Upgrade?

Bogner: Ein leidiges Thema beim Image-Upgrade ist die Dauer der Handwerkerarbeiten. Warum muss die Station währenddessen für zwei Wochen geschlossen sein? Ich kann das verstehen, aber es  ist nun einmal Teil unserer Sicherheitsphilosophie: Wenn beispielsweise jemand an der Attika arbeitet, kann darunter kein normaler Tankbetrieb laufen. Das können unsere Partner verständlicherweise nur limitiert nachvollziehen, obwohl sie im Sicherheitsbewusstsein geschult sind.

tm: Es gab wohl Fälle, bei denen Pächter für den Zeitraum der Schließungen trotzdem Pacht zahlen mussten …

Zacharias: Ein Mitglied hat an mich herangetragen, dass es wegen des Image-Upgrades zwei Wochen zumachen, aber in der Zeit Pacht zahlen musste. Unserer Ansicht nach ist das nicht korrekt. Das bespreche ich aktuell mit der Rechtsabteilung von Esso. Grundsätzlich sind wir sehr zufrieden, dass von Esso wieder in den Markt, in die Partner und in den Vertrieb investiert wird. Denn bei den Partnern war schon eine gewisse Frustration da, dass man als A-Gesellschaft oftmals ein Erscheinungsbild einer B-Gesellschaft oder C-Gesellschaft hatte. Dass wieder investiert wird, gibt den Partnern Zukunftssicherheit, und das ist wichtig.

tm: Also gibt es bei Esso eine neue Strategie?

Bogner: Das ist richtig. Das Ziel der Strategie ist qualitatives Wachstum. Das heißt Wachstum nicht um jeden Preis. Esso ist ja ein wenig anders als der Wettbewerb.. Das beginnt mit der mehrwöchigen Esso Schulung, die nicht nur für Neuanfänger im Tankstellengewerbe obligatorisch ist, sondern auch für Stationäre, die schon für andere Farbengesellschaften eine Tankstelle betrieben haben. Uns ist es wichtig, dass sie sowohl die Systeme als auch die Philosophie von Esso kennen und verstehen lernen. Nur so kann es gelingen, gemeinsam als Team für die Kunden da zu sein. Das bedeutet aber auch die Einbindung unserer Partner. Dafür veranstalten wir Partnerstammtische und Qualitätszirkel. Hier bespricht man die schönen Dinge, das, was einen geärgert hat , und gemeinsam  entwickelt man neue Ideen. Wir sind anders geworden, haben uns neu aufgestellt und das trägt Früchte.

tm: Wie kam es zu diesem Sinneswandel bei Esso?

Bogner: Es war die Rückbesinnung auf unsere eigenen Stärken. Ich glaube insbesondere im letzten Jahr ist ein Ruck durch die Esso Mannschaft gegangen. Wir haben uns gesagt: Wir müssen die Kurve kriegen und wir schaffen das. Es gibt sehr viel Energie, die wir in die Organisation und in die Partner gesteckt haben und die nun positiv zurückkommt. Die wiederentdeckte Freude der Mitarbeiter und die Loyalität der Partner zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Zacharias: Ich denke, dass die Zeit der Unsicherheit durch ROC vorbei ist. Es war ja lange die Frage: Wird ROC weiter ausgeweitet, also übernimmt Esso alle Stationen ins eigene Geschäft? Dann kam der Branded Wholesaler (Anm. d. Red.: Im Tankstellengeschäft ist der Brandes Wholesaler ein Händler, der in einem bestimmten Gebiet den Kraftstoff einer Gesellschaft unter deren Namen auf eigene Rechnung vertreiben darf). Da wusste der Markt eigentlich nicht, wohin Esso will. Als das alles gestoppt war, hat wohl diese Besinnung auf sich selbst im Esso Haus stattgefunden. Seitdem klar ist, dass Esso im Markt bleibt, zumindest, soweit wir das abschätzen können, ist man plötzlich wieder aktiv geworden. Nach Jahren des Nur-noch-Sparens wurde wieder investiert und aktiv im Markt agiert. Wir hoffen, dass dieser Ruck noch weitergeht. Denn wir haben ganz eindeutig Nachholbedarf. Aber wir sind auf einem guten Weg, wenn auch sicher noch nicht am Ziel. Da sind wir uns wohl beide einig. Deshalb wollen wir diesen Weg weitergehen, damit Esso irgendwann wieder eine klassische A-Marke ist und die Partner wieder stolz sind, dieser Marke anzugehören.

Das Gespräch führte Annika Beyer.        

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